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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 15. H. von der Unznlängligkeit
tra fechten wil/ sich nicht alsobald an einen macht/
der der Stärckste auf dem Boden ist/ sondern
an einen/ der ihm fast gleich ist/ und ein Patien-
te nicht so fort bey verspüreten Kräfften/ starcke
Arbeit verrichtet/ sondern erst z. e. mit spatziren
gehen sich an die Lufft macht. Wo wil aber ein
Mensch in der Probe seiner Kräffte das Object
nach seinen Gefallen wählen können/ da wir
gelehret/ (cc) daß er sich die Gelegenheit nicht
machen könne/ wie er wolle/ und daß er augen-
blicklich auf unzehlige Art und Weise mit Rei-
tzungen seines Affects umgeben sey? (dd) Und
also wird er sich niemahlen getrösten können zu
überwinden/ sondern allemahl unten liegen. Ja
wenn er schon etwan durch irritirung seines an-
dern Affects den herrschenden eine Zeitlang im
Zaum gehalten hätte/ wird er sich doch vernünff-
tiger Weise befahren müssen/ daß bey erfolgter
Probe oder bey der sonst wider seinen Willen sich
ihm praesentirenden Gelegenheit/ er noch stär-
cker an dasselbige Object, daran er sich prüfen
wil/ hangen und in desselben Fessel gerathen
werde/ eben deshalben/ weil seine Begierde
bisher angehalten worden. Alle Begierden
sind gleichsam ein Hunger und Durst der
Seelen.
Je mehr man aber seinen Hunger und
Durst anhält/ je mehr fället er hernach die Spei-
se und Tranck an/ und je weniger kan er sich her-
nach darinnen mäßigen. Es weisen es die täg-

lichen
(cc) c. 12. n. 24.
(dd) c. 12. 58. 59.

Das 15. H. von der Unznlaͤngligkeit
tra fechten wil/ ſich nicht alſobald an einen macht/
der der Staͤrckſte auf dem Boden iſt/ ſondern
an einen/ der ihm faſt gleich iſt/ und ein Patien-
te nicht ſo fort bey verſpuͤreten Kraͤfften/ ſtarcke
Arbeit verrichtet/ ſondern erſt z. e. mit ſpatziren
gehen ſich an die Lufft macht. Wo wil aber ein
Menſch in der Probe ſeiner Kraͤffte das Object
nach ſeinen Gefallen waͤhlen koͤnnen/ da wir
gelehret/ (cc) daß er ſich die Gelegenheit nicht
machen koͤnne/ wie er wolle/ und daß er augen-
blicklich auf unzehlige Art und Weiſe mit Rei-
tzungen ſeines Affects umgeben ſey? (dd) Und
alſo wird er ſich niemahlen getroͤſten koͤnnen zu
uͤberwinden/ ſondern allemahl unten liegen. Ja
wenn er ſchon etwan durch irritirung ſeines an-
dern Affects den herrſchenden eine Zeitlang im
Zaum gehalten haͤtte/ wird er ſich doch vernuͤnff-
tiger Weiſe befahren muͤſſen/ daß bey erfolgter
Probe oder bey der ſonſt wider ſeinen Willen ſich
ihm præſentirenden Gelegenheit/ er noch ſtaͤr-
cker an daſſelbige Object, daran er ſich pruͤfen
wil/ hangen und in deſſelben Feſſel gerathen
werde/ eben deshalben/ weil ſeine Begierde
bisher angehalten worden. Alle Begierden
ſind gleichſam ein Hunger und Durſt der
Seelen.
Je mehr man aber ſeinen Hunger und
Durſt anhaͤlt/ je mehr faͤllet er hernach die Spei-
ſe und Tranck an/ und je weniger kan er ſich her-
nach darinnen maͤßigen. Es weiſen es die taͤg-

lichen
(cc) c. 12. n. 24.
(dd) c. 12. 58. 59.
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[510/0522] Das 15. H. von der Unznlaͤngligkeit tra fechten wil/ ſich nicht alſobald an einen macht/ der der Staͤrckſte auf dem Boden iſt/ ſondern an einen/ der ihm faſt gleich iſt/ und ein Patien- te nicht ſo fort bey verſpuͤreten Kraͤfften/ ſtarcke Arbeit verrichtet/ ſondern erſt z. e. mit ſpatziren gehen ſich an die Lufft macht. Wo wil aber ein Menſch in der Probe ſeiner Kraͤffte das Object nach ſeinen Gefallen waͤhlen koͤnnen/ da wir gelehret/ (cc) daß er ſich die Gelegenheit nicht machen koͤnne/ wie er wolle/ und daß er augen- blicklich auf unzehlige Art und Weiſe mit Rei- tzungen ſeines Affects umgeben ſey? (dd) Und alſo wird er ſich niemahlen getroͤſten koͤnnen zu uͤberwinden/ ſondern allemahl unten liegen. Ja wenn er ſchon etwan durch irritirung ſeines an- dern Affects den herrſchenden eine Zeitlang im Zaum gehalten haͤtte/ wird er ſich doch vernuͤnff- tiger Weiſe befahren muͤſſen/ daß bey erfolgter Probe oder bey der ſonſt wider ſeinen Willen ſich ihm præſentirenden Gelegenheit/ er noch ſtaͤr- cker an daſſelbige Object, daran er ſich pruͤfen wil/ hangen und in deſſelben Feſſel gerathen werde/ eben deshalben/ weil ſeine Begierde bisher angehalten worden. Alle Begierden ſind gleichſam ein Hunger und Durſt der Seelen. Je mehr man aber ſeinen Hunger und Durſt anhaͤlt/ je mehr faͤllet er hernach die Spei- ſe und Tranck an/ und je weniger kan er ſich her- nach darinnen maͤßigen. Es weiſen es die taͤg- lichen (cc) c. 12. n. 24. (dd) c. 12. 58. 59.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/522>, abgerufen am 21.11.2024.