Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Beschluß. stirbt/ dieser aber pro Patre Patriae in seinem Lebenausgeruffen und nach seinem Tode mit Leich- Predigten/ Parentationen, Carminibus, Ehren- Gedächtnißen und so weiter geehret wird. Dar- zu wird insgemein vergessen bey dem Exempel des Schächers zu sagen/ daß die Liebe zuerst sich bey ihm in äußerlichem Thun blicken lassen/ ehe er sein Glaubens-Bekäntniß ge- sagt/ in dem er den andern freundlich gestrafft und seine Sünde für Augen gestellet/ welches eines von den grösten Liebes-Wercken ist. Jch glaube hierbey/ daß die gemeine Meinung/ (die durchgehends in den Hertzen der heutigen Chri- sten ihnen was gar anders vorsagt/ ob sie schon vielleicht nicht in Worten damit ausbrechen) da- her mit entstehe/ daß man das höchste Gut als ein Genus oder ein Ding das vielerley wesent- lich-unterschiedene Arten unter sich begreifft in der gemeinen Lehr-Art ansiehet/ und hernach vorgiebt/ es sey das höchste Philosophische Gut/ von der höchsten Theologischen Glück- seligkeit gantz dem Wesen nach unterschieden/ und eine absonderliche Art der wahren Glückse- ligkeit/ zum wenigsten nichts böses Daraus denn gar leichtlich folget/ daß der Mensch/ weil er siehet/ daß die Lehrer selbst so leben/ als ob bey dem wahren Gut die Ehrgierde/ Geldgierde und Wollust in gemäßigten Grad bestehen könte/ hin- gegen aber ihm vorgesagt wird/ daß das Theo- logische und ewige Gut von der Verleugnung sein
Beſchluß. ſtirbt/ dieſer aber pro Patre Patriæ in ſeinem Lebenausgeruffen und nach ſeinem Tode mit Leich- Predigten/ Parentationen, Carminibus, Ehren- Gedaͤchtnißen und ſo weiter geehret wird. Dar- zu wird insgemein vergeſſen bey dem Exempel des Schaͤchers zu ſagen/ daß die Liebe zuerſt ſich bey ihm in aͤußerlichem Thun blicken laſſen/ ehe er ſein Glaubens-Bekaͤntniß ge- ſagt/ in dem er den andern freundlich geſtrafft und ſeine Suͤnde fuͤr Augen geſtellet/ welches eines von den groͤſten Liebes-Wercken iſt. Jch glaube hierbey/ daß die gemeine Meinung/ (die durchgehends in den Hertzen der heutigen Chri- ſten ihnen was gar anders vorſagt/ ob ſie ſchon vielleicht nicht in Worten damit ausbrechen) da- her mit entſtehe/ daß man das hoͤchſte Gut als ein Genus oder ein Ding das vielerley weſent- lich-unterſchiedene Arten unter ſich begreifft in der gemeinen Lehr-Art anſiehet/ und hernach vorgiebt/ es ſey das hoͤchſte Philoſophiſche Gut/ von der hoͤchſten Theologiſchen Gluͤck- ſeligkeit gantz dem Weſen nach unterſchieden/ und eine abſonderliche Art der wahren Gluͤckſe- ligkeit/ zum wenigſten nichts boͤſes Daraus denn gar leichtlich folget/ daß der Menſch/ weil er ſiehet/ daß die Lehrer ſelbſt ſo leben/ als ob bey dem wahren Gut die Ehrgierde/ Geldgierde und Wolluſt in gemaͤßigten Grad beſtehen koͤnte/ hin- gegen aber ihm vorgeſagt wird/ daß das Theo- logiſche und ewige Gut von der Verleugnung ſein
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Beſchluß.
ſtirbt/ dieſer aber pro Patre Patriæ in ſeinem Leben
ausgeruffen und nach ſeinem Tode mit Leich-
Predigten/ Parentationen, Carminibus, Ehren-
Gedaͤchtnißen und ſo weiter geehret wird. Dar-
zu wird insgemein vergeſſen bey dem Exempel
des Schaͤchers zu ſagen/ daß die Liebe zuerſt
ſich bey ihm in aͤußerlichem Thun blicken
laſſen/ ehe er ſein Glaubens-Bekaͤntniß ge-
ſagt/ in dem er den andern freundlich geſtrafft
und ſeine Suͤnde fuͤr Augen geſtellet/ welches
eines von den groͤſten Liebes-Wercken iſt. Jch
glaube hierbey/ daß die gemeine Meinung/ (die
durchgehends in den Hertzen der heutigen Chri-
ſten ihnen was gar anders vorſagt/ ob ſie ſchon
vielleicht nicht in Worten damit ausbrechen) da-
her mit entſtehe/ daß man das hoͤchſte Gut als
ein Genus oder ein Ding das vielerley weſent-
lich-unterſchiedene Arten unter ſich begreifft in
der gemeinen Lehr-Art anſiehet/ und hernach
vorgiebt/ es ſey das hoͤchſte Philoſophiſche
Gut/ von der hoͤchſten Theologiſchen Gluͤck-
ſeligkeit gantz dem Weſen nach unterſchieden/
und eine abſonderliche Art der wahren Gluͤckſe-
ligkeit/ zum wenigſten nichts boͤſes Daraus
denn gar leichtlich folget/ daß der Menſch/ weil
er ſiehet/ daß die Lehrer ſelbſt ſo leben/ als ob bey
dem wahren Gut die Ehrgierde/ Geldgierde und
Wolluſt in gemaͤßigten Grad beſtehen koͤnte/ hin-
gegen aber ihm vorgeſagt wird/ daß das Theo-
logiſche und ewige Gut von der Verleugnung
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