Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Beschluß. bey den herrschenden Begierden in seinem Leben/und rühmte sich bey seinem Leben/ auch wenn er seinen Begierden folge leistete/ daß er sei- nen Heyland im Hertzen hätte. Er muß ja wohl auff seinen Todt-Bette so sagen/ denn sonst würde man ihm harte zureden oder er müste sich eines Esels Begräbniß besorgen. Man findet in der Heil. Schrifft nur ein einig Exempel ei- nes Menschen der sich am Creutz bekehret. Und dazu werden uns die Umstände seines Zu- standes so deutlich nicht gesagt. Wer weiß ob er denn in seinem Leben so gar gottloß gewe- sen? Die Christliche Sitten-Lehre richtet den Menschen nicht nach der weltlichen Rechts-Ge- lahrheit. Ein arm einfältig Mensch/ das durch Beredung sich hat schwängern lassen/ ist offters nicht im tausenden Grad so verhurt als manche vornehme Dame/ die ein Ehebrecherisch oder ver- hurt Leben lange Jahr geführt hat/ ob schon jene eine Hure heisset und Kirchen-Busse thun muß/ diese aber mit grossen Titeln beleget wird und wohl in der Kirche einen sehr vornehmen Sitz hat. Ein armer Soldat/ den man zum Kriege gezwungen hat/ und der hernach durch Noth oder böse Gesellschafft ist verleitet worden auff der Strasse zu rauben/ ist wohl nicht in tausen- den Grad so lasterhafft als mancher vornehmer Mann/ der bey diesen Zeiten mit Müntz-Par- tierereyen sich groß/ ansehnlich/ und reich machet: Ob gleich jener als ein Schelm auff dem Rade stirbt/
Beſchluß. bey den herrſchenden Begierden in ſeinem Leben/und ruͤhmte ſich bey ſeinem Leben/ auch wenn er ſeinen Begierden folge leiſtete/ daß er ſei- nen Heyland im Hertzen haͤtte. Er muß ja wohl auff ſeinen Todt-Bette ſo ſagen/ denn ſonſt wuͤrde man ihm harte zureden oder er muͤſte ſich eines Eſels Begraͤbniß beſorgen. Man findet in der Heil. Schrifft nur ein einig Exempel ei- nes Menſchen der ſich am Creutz bekehret. Und dazu werden uns die Umſtaͤnde ſeines Zu- ſtandes ſo deutlich nicht geſagt. Wer weiß ob er denn in ſeinem Leben ſo gar gottloß gewe- ſen? Die Chriſtliche Sitten-Lehre richtet den Menſchen nicht nach der weltlichen Rechts-Ge- lahrheit. Ein arm einfaͤltig Menſch/ das durch Beredung ſich hat ſchwaͤngern laſſen/ iſt offters nicht im tauſenden Grad ſo verhurt als manche vornehme Dame/ die ein Ehebrecheriſch oder ver- hurt Leben lange Jahr gefuͤhrt hat/ ob ſchon jene eine Hure heiſſet und Kirchen-Buſſe thun muß/ dieſe aber mit groſſen Titeln beleget wird und wohl in der Kirche einen ſehr vornehmen Sitz hat. Ein armer Soldat/ den man zum Kriege gezwungen hat/ und der hernach durch Noth oder boͤſe Geſellſchafft iſt verleitet worden auff der Straſſe zu rauben/ iſt wohl nicht in tauſen- den Grad ſo laſterhafft als mancher vornehmer Mann/ der bey dieſen Zeiten mit Muͤntz-Par- tierereyen ſich groß/ anſehnlich/ und reich machet: Ob gleich jener als ein Schelm auff dem Rade ſtirbt/
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Beſchluß.
bey den herrſchenden Begierden in ſeinem Leben/
und ruͤhmte ſich bey ſeinem Leben/ auch wenn er
ſeinen Begierden folge leiſtete/ daß er ſei-
nen Heyland im Hertzen haͤtte. Er muß ja
wohl auff ſeinen Todt-Bette ſo ſagen/ denn ſonſt
wuͤrde man ihm harte zureden oder er muͤſte ſich
eines Eſels Begraͤbniß beſorgen. Man findet
in der Heil. Schrifft nur ein einig Exempel ei-
nes Menſchen der ſich am Creutz bekehret.
Und dazu werden uns die Umſtaͤnde ſeines Zu-
ſtandes ſo deutlich nicht geſagt. Wer weiß ob
er denn in ſeinem Leben ſo gar gottloß gewe-
ſen? Die Chriſtliche Sitten-Lehre richtet den
Menſchen nicht nach der weltlichen Rechts-Ge-
lahrheit. Ein arm einfaͤltig Menſch/ das durch
Beredung ſich hat ſchwaͤngern laſſen/ iſt offters
nicht im tauſenden Grad ſo verhurt als manche
vornehme Dame/ die ein Ehebrecheriſch oder ver-
hurt Leben lange Jahr gefuͤhrt hat/ ob ſchon jene
eine Hure heiſſet und Kirchen-Buſſe thun muß/
dieſe aber mit groſſen Titeln beleget wird und
wohl in der Kirche einen ſehr vornehmen Sitz
hat. Ein armer Soldat/ den man zum Kriege
gezwungen hat/ und der hernach durch Noth
oder boͤſe Geſellſchafft iſt verleitet worden auff
der Straſſe zu rauben/ iſt wohl nicht in tauſen-
den Grad ſo laſterhafft als mancher vornehmer
Mann/ der bey dieſen Zeiten mit Muͤntz-Par-
tierereyen ſich groß/ anſehnlich/ und reich machet:
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