Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Beschluß. jemand fragen wolte/ was ich dann glaubte/ obder Mensch durch den Glauben oder durch die Liebe seelig werde? würde ich ihn bitten er solle mich mit dieser Frage verschonem. Wenn ich weiß daß mich die Sonne erwärmet/ ist es eine unnöthige Frage zu forschen ob es das Licht oder die Bewegung thue/ ob gleich eine Meinung von beyden vielleicht der Warheit näher kommen könne. Nicht alles was Warheit ist/ ist auch nützlich. Und wie wenn ich mit Salomo ant- wortete: daß die Weißheit seelig mache? Weißheit/ Glaube und Liebe müssen beysam- men seyn. Paulus sagt/ man werde seelig durch den Glauben/ Jacobus durch die Wer- cke/ Salomo durch die Weißheit. Keiner widerspricht den andern. Denn Paulus erfor- dert einen Glauben der durch die Liebe thätig ist/ und verwirfft die Liebe nicht/ oder setzt selbige dem Glauben entgegen/ sondern die äußerlichen Heuchelwercke der sündlichen Begierde. Ja- cobus erfordert Liebeswercke die aus dem Glauben kommen und schleust den Glauben nicht aus/ sondern erfodert die Liebeswercke als eine Probe des todten und lebendigen Glaubens. Salomon erfordert keine Weißheit die dem Glauben oder der Liebe entgegen gesetzt wäre/ in- dem er sagt daß sie einig sey und thue doch al- les/ daß sie alles verneue/ und doch bleibe was sie ist: Eben die Weißheit von der Jaco- bus sagt/ daß sie sey/ keusch/ friedsam/ gelinde/ voller
Beſchluß. jemand fragen wolte/ was ich dann glaubte/ obder Menſch durch den Glauben oder durch die Liebe ſeelig werde? wuͤrde ich ihn bitten er ſolle mich mit dieſer Frage verſchonem. Wenn ich weiß daß mich die Sonne erwaͤrmet/ iſt es eine unnoͤthige Frage zu forſchen ob es das Licht oder die Bewegung thue/ ob gleich eine Meinung von beyden vielleicht der Warheit naͤher kommen koͤnne. Nicht alles was Warheit iſt/ iſt auch nuͤtzlich. Und wie wenn ich mit Salomo ant- wortete: daß die Weißheit ſeelig mache? Weißheit/ Glaube und Liebe muͤſſen beyſam- men ſeyn. Paulus ſagt/ man werde ſeelig durch den Glauben/ Jacobus durch die Wer- cke/ Salomo durch die Weißheit. Keiner widerſpricht den andern. Denn Paulus erfor- dert einen Glauben der durch die Liebe thaͤtig iſt/ und verwirfft die Liebe nicht/ oder ſetzt ſelbige dem Glauben entgegen/ ſondern die aͤußerlichen Heuchelwercke der ſuͤndlichen Begierde. Ja- cobus erfordert Liebeswercke die aus dem Glauben kommen und ſchleuſt den Glauben nicht aus/ ſondern erfodert die Liebeswercke als eine Probe des todten und lebendigen Glaubens. Salomon erfordert keine Weißheit die dem Glauben oder der Liebe entgegen geſetzt waͤre/ in- dem er ſagt daß ſie einig ſey und thue doch al- les/ daß ſie alles verneue/ und doch bleibe was ſie iſt: Eben die Weißheit von der Jaco- bus ſagt/ daß ſie ſey/ keuſch/ friedſam/ gelinde/ voller
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Beſchluß.
jemand fragen wolte/ was ich dann glaubte/ ob
der Menſch durch den Glauben oder durch die
Liebe ſeelig werde? wuͤrde ich ihn bitten er ſolle
mich mit dieſer Frage verſchonem. Wenn ich
weiß daß mich die Sonne erwaͤrmet/ iſt es eine
unnoͤthige Frage zu forſchen ob es das Licht oder
die Bewegung thue/ ob gleich eine Meinung von
beyden vielleicht der Warheit naͤher kommen
koͤnne. Nicht alles was Warheit iſt/ iſt auch
nuͤtzlich. Und wie wenn ich mit Salomo ant-
wortete: daß die Weißheit ſeelig mache?
Weißheit/ Glaube und Liebe muͤſſen beyſam-
men ſeyn. Paulus ſagt/ man werde ſeelig
durch den Glauben/ Jacobus durch die Wer-
cke/ Salomo durch die Weißheit. Keiner
widerſpricht den andern. Denn Paulus erfor-
dert einen Glauben der durch die Liebe thaͤtig
iſt/ und verwirfft die Liebe nicht/ oder ſetzt ſelbige
dem Glauben entgegen/ ſondern die aͤußerlichen
Heuchelwercke der ſuͤndlichen Begierde. Ja-
cobus erfordert Liebeswercke die aus dem
Glauben kommen und ſchleuſt den Glauben
nicht aus/ ſondern erfodert die Liebeswercke als
eine Probe des todten und lebendigen Glaubens.
Salomon erfordert keine Weißheit die dem
Glauben oder der Liebe entgegen geſetzt waͤre/ in-
dem er ſagt daß ſie einig ſey und thue doch al-
les/ daß ſie alles verneue/ und doch bleibe
was ſie iſt: Eben die Weißheit von der Jaco-
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