Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.nach denen untersch. Mein. der Gelehr. Zusammenziehung und Ausbreitung. DieWollust ist eine Erhebung und Ausbreitung oder Ausgiessung der Seelen/ und dannenhero der Natur gemäß. Der Verdruß ist ihr zu- wider/ als der die Seele erniedriget und in die Enge treibet. Die Ausspannung der Seele soll geschehen/ wenn die Sachen so in die Sinne fallen/ durch die Atomos gleichsam mit angeneh- men Liebreitzungen das Gemüthe anlocken/ und zu der angenehmen Sache ziehen. Die Zusam- menziehung hingegen/ wenn die Atomi eines unangenehmen Dinges das Gemüthe gleich- sam stechen/ daß es sich zurücke ziehet. n) Sie vergleichen das ruhige Gemüthe mit einen stil- len Wasser/ und das durch die Affecten beweg- te Gemüthe mit einem Wasser/ darinnen man einen Stein geschmissen: o) Wiewohl es viel- leicht ihrer Lehre gleichförmiger kommen dörff- te/ wenn sie dieses letzte Gleichnüß nur auf die Ausbreitung des Gemüthes und die Wollust zögen/ und die Einschränckung bey dem Ver- druß etwan mit einem Würbel oder sonsten verglichen. 25. Die Bestien haben nach ihrer Mei- lich n) Id. p. 488. 489. o) Id. p. 491. sq. p) Gassen- dus in Synt. p. 404. D 3
nach denen unterſch. Mein. der Gelehr. Zuſammenziehung und Ausbreitung. DieWolluſt iſt eine Erhebung und Ausbreitung oder Ausgieſſung der Seelen/ und dannenhero der Natur gemaͤß. Der Verdruß iſt ihr zu- wider/ als der die Seele erniedriget und in die Enge treibet. Die Ausſpannung der Seele ſoll geſchehen/ wenn die Sachen ſo in die Sinne fallen/ durch die Atomos gleichſam mit angeneh- men Liebreitzungen das Gemuͤthe anlocken/ und zu der angenehmen Sache ziehen. Die Zuſam- menziehung hingegen/ wenn die Atomi eines unangenehmen Dinges das Gemuͤthe gleich- ſam ſtechen/ daß es ſich zuruͤcke ziehet. n) Sie vergleichen das ruhige Gemuͤthe mit einen ſtil- len Waſſer/ und das durch die Affecten beweg- te Gemuͤthe mit einem Waſſer/ darinnen man einen Stein geſchmiſſen: o) Wiewohl es viel- leicht ihrer Lehre gleichfoͤrmiger kommen doͤrff- te/ wenn ſie dieſes letzte Gleichnuͤß nur auf die Ausbreitung des Gemuͤthes und die Wolluſt zoͤgen/ und die Einſchraͤnckung bey dem Ver- druß etwan mit einem Wuͤrbel oder ſonſten verglichen. 25. Die Beſtien haben nach ihrer Mei- lich n) Id. p. 488. 489. o) Id. p. 491. ſq. p) Gaſſen- dus in Synt. p. 404. D 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065" n="53"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">nach denen unterſch. Mein. der Gelehr.</hi></fw><lb/> Zuſammenziehung und Ausbreitung. Die<lb/><hi rendition="#fr">Wolluſt</hi> iſt eine Erhebung und Ausbreitung<lb/> oder Ausgieſſung der Seelen/ und dannenhero<lb/> der Natur gemaͤß. Der <hi rendition="#fr">Verdruß</hi> iſt ihr zu-<lb/> wider/ als der die Seele erniedriget und in die<lb/> Enge treibet. Die Ausſpannung der Seele<lb/> ſoll geſchehen/ wenn die Sachen ſo in die Sinne<lb/> fallen/ durch die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Atomos</hi></hi> gleichſam mit angeneh-<lb/> men Liebreitzungen das Gemuͤthe anlocken/ und<lb/> zu der angenehmen Sache ziehen. <hi rendition="#fr">Die</hi> Z<hi rendition="#fr">uſam-<lb/> menziehung</hi> hingegen/ wenn die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Atomi</hi></hi> eines<lb/> unangenehmen Dinges das Gemuͤthe gleich-<lb/> ſam ſtechen/ daß es ſich zuruͤcke ziehet. <note place="foot" n="n)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Id. p. 488. 489.</hi></hi></note> Sie<lb/> vergleichen das ruhige Gemuͤthe mit einen ſtil-<lb/> len Waſſer/ und das durch die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Affect</hi></hi>en beweg-<lb/> te Gemuͤthe mit einem Waſſer/ darinnen man<lb/> einen Stein geſchmiſſen: <note place="foot" n="o)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Id. p. 491. ſq.</hi></hi></note> Wiewohl es viel-<lb/> leicht ihrer Lehre gleichfoͤrmiger kommen doͤrff-<lb/> te/ wenn ſie dieſes letzte Gleichnuͤß nur auf die<lb/> Ausbreitung des Gemuͤthes und die Wolluſt<lb/> zoͤgen/ und die Einſchraͤnckung bey dem Ver-<lb/> druß etwan mit einem Wuͤrbel oder ſonſten<lb/> verglichen.</p><lb/> <p>25. <hi rendition="#fr">Die Beſtien haben</hi> nach ihrer Mei-<lb/> nung <hi rendition="#fr">eben ſo wohl</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Affect</hi></hi><hi rendition="#fr">en</hi> als die Menſchen/<lb/> indem ſie die Loͤwen fuͤr zornig/ die Hirſche fuͤr<lb/> furchtſam/ und das Rindvieh von einen Mittel<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Affect</hi></hi> halten/ <note place="foot" n="p)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Gaſſen-<lb/> dus in Synt. p. 404.</hi></hi></note> auch denen Beſtien ausdruͤck-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [53/0065]
nach denen unterſch. Mein. der Gelehr.
Zuſammenziehung und Ausbreitung. Die
Wolluſt iſt eine Erhebung und Ausbreitung
oder Ausgieſſung der Seelen/ und dannenhero
der Natur gemaͤß. Der Verdruß iſt ihr zu-
wider/ als der die Seele erniedriget und in die
Enge treibet. Die Ausſpannung der Seele
ſoll geſchehen/ wenn die Sachen ſo in die Sinne
fallen/ durch die Atomos gleichſam mit angeneh-
men Liebreitzungen das Gemuͤthe anlocken/ und
zu der angenehmen Sache ziehen. Die Zuſam-
menziehung hingegen/ wenn die Atomi eines
unangenehmen Dinges das Gemuͤthe gleich-
ſam ſtechen/ daß es ſich zuruͤcke ziehet. n) Sie
vergleichen das ruhige Gemuͤthe mit einen ſtil-
len Waſſer/ und das durch die Affecten beweg-
te Gemuͤthe mit einem Waſſer/ darinnen man
einen Stein geſchmiſſen: o) Wiewohl es viel-
leicht ihrer Lehre gleichfoͤrmiger kommen doͤrff-
te/ wenn ſie dieſes letzte Gleichnuͤß nur auf die
Ausbreitung des Gemuͤthes und die Wolluſt
zoͤgen/ und die Einſchraͤnckung bey dem Ver-
druß etwan mit einem Wuͤrbel oder ſonſten
verglichen.
25. Die Beſtien haben nach ihrer Mei-
nung eben ſo wohl Affecten als die Menſchen/
indem ſie die Loͤwen fuͤr zornig/ die Hirſche fuͤr
furchtſam/ und das Rindvieh von einen Mittel
Affect halten/ p) auch denen Beſtien ausdruͤck-
lich
n) Id. p. 488. 489.
o) Id. p. 491. ſq.
p) Gaſſen-
dus in Synt. p. 404.
D 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/65 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/65>, abgerufen am 16.07.2024. |