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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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nach denen untersch. Mein. der Gelehr.
legenheit der Umstände in allen Gliedmassen
ist; also läßt sie sich fürnehmlich in denen Thei-
len des Leibes spüren/ die durch den Mangel
der Nahrung
oder durch die Menge des
Saamens befchweret werden/ welches deswe-
gen scheinet zugeschehen/ weil diese Begierden
nicht wie die übrigen nur auf die Erhaltung ei-
nes Gliedmassens/ sondern jene auf die Erhal-
tung des gantzen Menschens/ diese aber auf die
Erhaltung des gantzen menschlichen Geschlechts
abzielen. So haben auch diese beyden Begier-
den dieses wieder für andern besonders/ daß ei-
ne Wollust mit der Benehmung des Schmer-
tzens vergefellschafftet ist/ welche Lust doch nur
als etwas beyfälliges muß betrachtet werden/
das die Natur verordnet/ damit der Mensch
und andere Thiere desto geschwinder veranlas-
set werden möchten/ den Verdruß von Halse zu
schaffen/ nicht aber als ein Entzweck der Be-
gierde/ weil so bald der Mensch dieser Verdrieß-
ligkeit loß worden/ die Lust aufhöret/ und der
bloße Mangel des Schmertzens übrig bleibet.
Es gedächten zwar die Thiere dieser einmahl
empfundenen Lust/ und trachteten dieselbe als
ihren eintzigen Zweck zu wiederholen; iedoch we-
cke sich diese Wollust gleichsam selbst wiederum
auf/ und sey darzu kein Gedächtnüß noch Ur-
theil vonnöthen/ sondern die Gegenwärtigkeit
des Verdrusses sey gnung hierzu. Derowegen
wären diese Begierden gleichsam blind/ welche

nichts
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nach denen unterſch. Mein. der Gelehr.
legenheit der Umſtaͤnde in allen Gliedmaſſen
iſt; alſo laͤßt ſie ſich fuͤrnehmlich in denen Thei-
len des Leibes ſpuͤren/ die durch den Mangel
der Nahrung
oder durch die Menge des
Saamens befchweret werden/ welches deswe-
gen ſcheinet zugeſchehen/ weil dieſe Begierden
nicht wie die uͤbrigen nur auf die Erhaltung ei-
nes Gliedmaſſens/ ſondern jene auf die Erhal-
tung des gantzen Menſchens/ dieſe aber auf die
Erhaltung des gantzen menſchlichen Geſchlechts
abzielen. So haben auch dieſe beyden Begier-
den dieſes wieder fuͤr andern beſonders/ daß ei-
ne Wolluſt mit der Benehmung des Schmer-
tzens vergefellſchafftet iſt/ welche Luſt doch nur
als etwas beyfaͤlliges muß betrachtet werden/
das die Natur verordnet/ damit der Menſch
und andere Thiere deſto geſchwinder veranlaſ-
ſet werden moͤchten/ den Verdruß von Halſe zu
ſchaffen/ nicht aber als ein Entzweck der Be-
gierde/ weil ſo bald der Menſch dieſer Verdrieß-
ligkeit loß worden/ die Luſt aufhoͤret/ und der
bloße Mangel des Schmertzens uͤbrig bleibet.
Es gedaͤchten zwar die Thiere dieſer einmahl
empfundenen Luſt/ und trachteten dieſelbe als
ihren eintzigen Zweck zu wiederholen; iedoch we-
cke ſich dieſe Wolluſt gleichſam ſelbſt wiederum
auf/ und ſey darzu kein Gedaͤchtnuͤß noch Ur-
theil vonnoͤthen/ ſondern die Gegenwaͤrtigkeit
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[55/0067] nach denen unterſch. Mein. der Gelehr. legenheit der Umſtaͤnde in allen Gliedmaſſen iſt; alſo laͤßt ſie ſich fuͤrnehmlich in denen Thei- len des Leibes ſpuͤren/ die durch den Mangel der Nahrung oder durch die Menge des Saamens befchweret werden/ welches deswe- gen ſcheinet zugeſchehen/ weil dieſe Begierden nicht wie die uͤbrigen nur auf die Erhaltung ei- nes Gliedmaſſens/ ſondern jene auf die Erhal- tung des gantzen Menſchens/ dieſe aber auf die Erhaltung des gantzen menſchlichen Geſchlechts abzielen. So haben auch dieſe beyden Begier- den dieſes wieder fuͤr andern beſonders/ daß ei- ne Wolluſt mit der Benehmung des Schmer- tzens vergefellſchafftet iſt/ welche Luſt doch nur als etwas beyfaͤlliges muß betrachtet werden/ das die Natur verordnet/ damit der Menſch und andere Thiere deſto geſchwinder veranlaſ- ſet werden moͤchten/ den Verdruß von Halſe zu ſchaffen/ nicht aber als ein Entzweck der Be- gierde/ weil ſo bald der Menſch dieſer Verdrieß- ligkeit loß worden/ die Luſt aufhoͤret/ und der bloße Mangel des Schmertzens uͤbrig bleibet. Es gedaͤchten zwar die Thiere dieſer einmahl empfundenen Luſt/ und trachteten dieſelbe als ihren eintzigen Zweck zu wiederholen; iedoch we- cke ſich dieſe Wolluſt gleichſam ſelbſt wiederum auf/ und ſey darzu kein Gedaͤchtnuͤß noch Ur- theil vonnoͤthen/ ſondern die Gegenwaͤrtigkeit des Verdruſſes ſey gnung hierzu. Derowegen waͤren dieſe Begierden gleichſam blind/ welche nichts D 4

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/67>, abgerufen am 21.11.2024.