Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.nach denen untersch. Mein. der Gelehr. alleine herzurühren scheinet/ etliche sind die Lei-denschafften der Seelen/ oder ihre Affecten/ wohin man überhaupt alle Empfindungen (perceptiones) und Erkentnüsse der Seelen brin- gen kan. y) Diese Empfindungen sind zwey- erley/ etliche entspringen von unserer Seele/ etliche von unserm Leibe. An denen die See- le Ursache ist/ sind die Empfindungen unseres Willens/ und aller Einbildungen und anderer Gedancken/ die von der Seele herkommen. Denn es ist gewiß/ daß wir nichts wollen kön- nen/ daß wir nicht zu gleich empfinden solten/ daß wir dasselbige wollen. Und obwohl in Anse- hen unserer das Wollen ein Thun der Seelen ist/ so kan man doch auch sagen/ daß in derselben eine Leidenschafft sey/ wenn sie empfindet/ daß sie etwas will. Dieweil aber dieses empfinden und dieser Wille warhafftig ein Ding ist/ so be- nennet man es nach dem edelsten/ und also nen- net man es nicht eine Leidenschafft/ sondern ei- ne Thätigkeit/ z) welches auch ebenmäßig von denen Einbildungen und anderen Gedancken/ die von der Seele formiret werden/ gesaget wer- den muß. a) Die Empfindungen/ die vermit- telst des Leibes verursachet werden/ rühren meistentheils von denen Senn-Adern her; et- liche aber sind Einbildungen/ die von denen auf unterschiedene Art bewegten Geistern des Leibes wider den Willen des Menschen her- kom- y) Cartes. art. 17. z) Id. art. 19. a) Id. art. 20.
nach denen unterſch. Mein. der Gelehr. alleine herzuruͤhren ſcheinet/ etliche ſind die Lei-denſchafften der Seelen/ oder ihre Affecten/ wohin man uͤberhaupt alle Empfindungen (perceptiones) und Erkentnuͤſſe der Seelen brin- gen kan. y) Dieſe Empfindungen ſind zwey- erley/ etliche entſpringen von unſerer Seele/ etliche von unſerm Leibe. An denen die See- le Urſache iſt/ ſind die Empfindungen unſeres Willens/ und aller Einbildungen und anderer Gedancken/ die von der Seele herkommen. Denn es iſt gewiß/ daß wir nichts wollen koͤn- nen/ daß wir nicht zu gleich empfinden ſolten/ daß wir daſſelbige wollen. Und obwohl in Anſe- hen unſerer das Wollen ein Thun der Seelen iſt/ ſo kan man doch auch ſagen/ daß in derſelben eine Leidenſchafft ſey/ wenn ſie empfindet/ daß ſie etwas will. Dieweil aber dieſes empfinden und dieſer Wille warhafftig ein Ding iſt/ ſo be- nennet man es nach dem edelſten/ und alſo nen- net man es nicht eine Leidenſchafft/ ſondern ei- ne Thaͤtigkeit/ z) welches auch ebenmaͤßig von denen Einbildungen und anderen Gedancken/ die von der Seele formiret werden/ geſaget wer- den muß. a) Die Empfindungen/ die vermit- telſt des Leibes verurſachet werden/ ruͤhren meiſtentheils von denen Senn-Adern her; et- liche aber ſind Einbildungen/ die von denen auf unterſchiedene Art bewegten Geiſtern des Leibes wider den Willen des Menſchen her- kom- y) Cartes. art. 17. z) Id. art. 19. a) Id. art. 20.
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nach denen unterſch. Mein. der Gelehr.
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wohin man uͤberhaupt alle Empfindungen
(perceptiones) und Erkentnuͤſſe der Seelen brin-
gen kan. y) Dieſe Empfindungen ſind zwey-
erley/ etliche entſpringen von unſerer Seele/
etliche von unſerm Leibe. An denen die See-
le Urſache iſt/ ſind die Empfindungen unſeres
Willens/ und aller Einbildungen und anderer
Gedancken/ die von der Seele herkommen.
Denn es iſt gewiß/ daß wir nichts wollen koͤn-
nen/ daß wir nicht zu gleich empfinden ſolten/ daß
wir daſſelbige wollen. Und obwohl in Anſe-
hen unſerer das Wollen ein Thun der Seelen
iſt/ ſo kan man doch auch ſagen/ daß in derſelben
eine Leidenſchafft ſey/ wenn ſie empfindet/ daß
ſie etwas will. Dieweil aber dieſes empfinden
und dieſer Wille warhafftig ein Ding iſt/ ſo be-
nennet man es nach dem edelſten/ und alſo nen-
net man es nicht eine Leidenſchafft/ ſondern ei-
ne Thaͤtigkeit/ z) welches auch ebenmaͤßig von
denen Einbildungen und anderen Gedancken/
die von der Seele formiret werden/ geſaget wer-
den muß. a) Die Empfindungen/ die vermit-
telſt des Leibes verurſachet werden/ ruͤhren
meiſtentheils von denen Senn-Adern her; et-
liche aber ſind Einbildungen/ die von denen
auf unterſchiedene Art bewegten Geiſtern des
Leibes wider den Willen des Menſchen her-
kom-
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z) Id. art. 19.
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