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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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Das 2. H. von der Geschickligkeit

21. Es ist vielmehr zu befahren/ daß dieje-
nigen so allzuzeitig anfangen andere zu un-
terweisen/
die einmahl eingesogene praejudi-
cia
durch eine stetswährende praecipitanz im-
mer befestigen/ und ihren Verstand gantz
confus, sich aber selbst dadurch untüchtig
machen/ daß sie hernach nimmermehr zur Er-
kentniß der Warheit kommen. Und gewiß/
ich könte dir selbst viel exempel von sonst guten
ingeniis erzehlen/ die sich bloß dadurch verdor-
ben/ daß sie fliegen wollen ehe ihnen die Flügel
gewachsen.

22. Und ob schon nicht zu läugnen/ daß zu-
weilen etliche gemüther aus dieser Gefahr
heraus gerissen
werden/ und wenn sie allbe-
reit etliche Jahre selbst blind und Blinden Lei-
ter gewesen/ ohnversehens anfangen in sich zu
gehen/ ihre Jrthümer zu erkennen/ und hernach
andern mit ihrer Erkentniß zu dienen; so sind
doch diese Exempel so rar/ daß einer wider
die regeln gesunder Vernunfft handeln wür-
de/ wenn er mehr auff dieselben/ als auff tau-
send exempel derer die in der Gefahr unterlie-
gen sehen wolte; zumahlen bey diesen raren e-
xempeln
Gott gemeiniglich durch wunderliche
und verdrießliche Mittel die sich niemand ger-

ne
Das 2. H. von der Geſchickligkeit

21. Es iſt vielmehr zu befahren/ daß dieje-
nigen ſo allzuzeitig anfangen andere zu un-
terweiſen/
die einmahl eingeſogene præjudi-
cia
durch eine ſtetswaͤhrende præcipitanz im-
mer befeſtigen/ und ihren Verſtand gantz
confus, ſich aber ſelbſt dadurch untuͤchtig
machen/ daß ſie hernach nimmermehr zur Er-
kentniß der Warheit kommen. Und gewiß/
ich koͤnte dir ſelbſt viel exempel von ſonſt guten
ingeniis erzehlen/ die ſich bloß dadurch verdor-
ben/ daß ſie fliegen wollen ehe ihnen die Fluͤgel
gewachſen.

22. Und ob ſchon nicht zu laͤugnen/ daß zu-
weilen etliche gemuͤther aus dieſer Gefahr
heraus geriſſen
werden/ und wenn ſie allbe-
reit etliche Jahre ſelbſt blind und Blinden Lei-
ter geweſen/ ohnverſehens anfangen in ſich zu
gehen/ ihre Jrthuͤmer zu erkennen/ und hernach
andern mit ihrer Erkentniß zu dienen; ſo ſind
doch dieſe Exempel ſo rar/ daß einer wider
die regeln geſunder Vernunfft handeln wuͤr-
de/ wenn er mehr auff dieſelben/ als auff tau-
ſend exempel derer die in der Gefahr unterlie-
gen ſehen wolte; zumahlen bey dieſen raren e-
xempeln
Gott gemeiniglich durch wunderliche
und verdrießliche Mittel die ſich niemand ger-

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[84/0110] Das 2. H. von der Geſchickligkeit 21. Es iſt vielmehr zu befahren/ daß dieje- nigen ſo allzuzeitig anfangen andere zu un- terweiſen/ die einmahl eingeſogene præjudi- cia durch eine ſtetswaͤhrende præcipitanz im- mer befeſtigen/ und ihren Verſtand gantz confus, ſich aber ſelbſt dadurch untuͤchtig machen/ daß ſie hernach nimmermehr zur Er- kentniß der Warheit kommen. Und gewiß/ ich koͤnte dir ſelbſt viel exempel von ſonſt guten ingeniis erzehlen/ die ſich bloß dadurch verdor- ben/ daß ſie fliegen wollen ehe ihnen die Fluͤgel gewachſen. 22. Und ob ſchon nicht zu laͤugnen/ daß zu- weilen etliche gemuͤther aus dieſer Gefahr heraus geriſſen werden/ und wenn ſie allbe- reit etliche Jahre ſelbſt blind und Blinden Lei- ter geweſen/ ohnverſehens anfangen in ſich zu gehen/ ihre Jrthuͤmer zu erkennen/ und hernach andern mit ihrer Erkentniß zu dienen; ſo ſind doch dieſe Exempel ſo rar/ daß einer wider die regeln geſunder Vernunfft handeln wuͤr- de/ wenn er mehr auff dieſelben/ als auff tau- ſend exempel derer die in der Gefahr unterlie- gen ſehen wolte; zumahlen bey dieſen raren e- xempeln Gott gemeiniglich durch wunderliche und verdrießliche Mittel die ſich niemand ger- ne

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/110>, abgerufen am 21.11.2024.