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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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Das 2. H. von der Geschickligkeit
cher. Die Zeit ist edel/ und weil du eine Sei-
te dictirest, kanstu viel Blätter her discuriren.
So steckt auch schlechte Weißheit darhinder.
Denn dein Famulus könte ja so wohl oder
wohl besser dictiren als du selbst. Hastu ja
was sonderliches oder ungemeines/ so gieb es
deinen Zuhörern absonderlich abzuschreiben o-
der laß es drucken.

67. Diese Anmerckung ist so offenbahr/ daß
auch deshalben in vielen Universitäts Ord-
nungen
denen Professoribus das leidige dicti-
ren
verboten ist. Aber du kanst nur in die Le-
ctiones publicas
gehen/ und sehen/ wie sie es
hier und da in acht nehmen. Die Ursache kanst
du dir leicht einbilden. Denn/ wie itzt erweh-
net/ in dictiren ist zwischen einem Gelehrten
und Ungelehrten ein schlechter Unterscheid.

68. Nach diesen bemercke auch/ ob du etliche
wenige Zuhörer/
oder derer viel zugleich zu
unterweisen hast. Hastu ihrer wenig/ z. e. 3.
4. 5. biß 10. ohngefehr; So untersuche für
allen Dingen ihre
capacität/ ob sie nehm-
lich einen muntern oder schläffrigen Ver-
stand haben? Ob sie Lust zum lernen haben o-
der nicht? Ob sie schon von denen praejudiciis
sehr eingenommen seyn oder nicht? Denn

wenn

Das 2. H. von der Geſchickligkeit
cher. Die Zeit iſt edel/ und weil du eine Sei-
te dictireſt, kanſtu viel Blaͤtter her diſcuriren.
So ſteckt auch ſchlechte Weißheit darhinder.
Denn dein Famulus koͤnte ja ſo wohl oder
wohl beſſer dictiren als du ſelbſt. Haſtu ja
was ſonderliches oder ungemeines/ ſo gieb es
deinen Zuhoͤrern abſonderlich abzuſchreiben o-
der laß es drucken.

67. Dieſe Anmerckung iſt ſo offenbahr/ daß
auch deshalben in vielen Univerſitaͤts Ord-
nungen
denen Profeſſoribus das leidige dicti-
ren
verboten iſt. Aber du kanſt nur in die Le-
ctiones publicas
gehen/ und ſehen/ wie ſie es
hier und da in acht nehmen. Die Urſache kanſt
du dir leicht einbilden. Denn/ wie itzt erweh-
net/ in dictiren iſt zwiſchen einem Gelehrten
und Ungelehrten ein ſchlechter Unterſcheid.

68. Nach dieſen bemercke auch/ ob du etliche
wenige Zuhoͤrer/
oder derer viel zugleich zu
unterweiſen haſt. Haſtu ihrer wenig/ z. e. 3.
4. 5. biß 10. ohngefehr; So unterſuche fuͤr
allen Dingen ihre
capacitaͤt/ ob ſie nehm-
lich einen muntern oder ſchlaͤffrigen Ver-
ſtand haben? Ob ſie Luſt zum lernen haben o-
der nicht? Ob ſie ſchon von denen præjudiciis
ſehr eingenommen ſeyn oder nicht? Denn

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[102/0128] Das 2. H. von der Geſchickligkeit cher. Die Zeit iſt edel/ und weil du eine Sei- te dictireſt, kanſtu viel Blaͤtter her diſcuriren. So ſteckt auch ſchlechte Weißheit darhinder. Denn dein Famulus koͤnte ja ſo wohl oder wohl beſſer dictiren als du ſelbſt. Haſtu ja was ſonderliches oder ungemeines/ ſo gieb es deinen Zuhoͤrern abſonderlich abzuſchreiben o- der laß es drucken. 67. Dieſe Anmerckung iſt ſo offenbahr/ daß auch deshalben in vielen Univerſitaͤts Ord- nungen denen Profeſſoribus das leidige dicti- ren verboten iſt. Aber du kanſt nur in die Le- ctiones publicas gehen/ und ſehen/ wie ſie es hier und da in acht nehmen. Die Urſache kanſt du dir leicht einbilden. Denn/ wie itzt erweh- net/ in dictiren iſt zwiſchen einem Gelehrten und Ungelehrten ein ſchlechter Unterſcheid. 68. Nach dieſen bemercke auch/ ob du etliche wenige Zuhoͤrer/ oder derer viel zugleich zu unterweiſen haſt. Haſtu ihrer wenig/ z. e. 3. 4. 5. biß 10. ohngefehr; So unterſuche fuͤr allen Dingen ihre capacitaͤt/ ob ſie nehm- lich einen muntern oder ſchlaͤffrigen Ver- ſtand haben? Ob ſie Luſt zum lernen haben o- der nicht? Ob ſie ſchon von denen præjudiciis ſehr eingenommen ſeyn oder nicht? Denn wenn

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/128>, abgerufen am 21.11.2024.