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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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Das 3. H. Von der Geschickligkeit

96. Und solchergestalt ist das vornehmste
Stück eines guten Ubersetzers/ daß er nicht
so wohl auff die Worte/ als auff den Ver-
stand
sehe/ und denselben hernach in der an-
dern Sprache/ wie es sich am besten schickt/ und
wie es die idiotismi einer jeden Sprache zulas-
sen/ nach seinen Gefallen gebe/ doch solcherge-
stalt/ daß auch aus einer Ubersetzung kein com-
mentarius
werde.

97. Aber siehe nun die gemeinesten Uberse-
tzungen der Griechischen Autoren in das
Latein
an/ ob sie nicht anstat einer Interpre-
tationis Logicae
die Autores von Wort zu
Worte vertiren und deshalben recht verdrieß-
lich zu lesen sind/ anders theils betrachte die U-
bersetzung der Lateinischen Scribenten in
die Teutsche Sprache/
ob nicht eben dasjeni-
ge auch bey denen meisten und nechst dem auch
noch dieses zu erinnern sey/ daß die Ubersetzer
qvoaed interpretationem Grammaticam (denn
die Interpretatio Logica praesupponirt dieselbi-
ge allezeit) des Lateins, mehrentheils aber
auch nicht einmahl des Teutschen mächtig
sind.

98. Ferner pflegt man insgemein von drey-
erley Arten der Auslegung zu reden/ de

au-
Das 3. H. Von der Geſchickligkeit

96. Und ſolchergeſtalt iſt das vornehmſte
Stuͤck eines guten Uberſetzers/ daß er nicht
ſo wohl auff die Worte/ als auff den Ver-
ſtand
ſehe/ und denſelben hernach in der an-
dern Sprache/ wie es ſich am beſten ſchickt/ und
wie es die idiotiſmi einer jeden Sprache zulaſ-
ſen/ nach ſeinen Gefallen gebe/ doch ſolcherge-
ſtalt/ daß auch aus einer Uberſetzung kein com-
mentarius
werde.

97. Aber ſiehe nun die gemeineſten Uberſe-
tzungen der Griechiſchen Autoren in das
Latein
an/ ob ſie nicht anſtat einer Interpre-
tationis Logicæ
die Autores von Wort zu
Worte vertiren und deshalben recht verdrieß-
lich zu leſen ſind/ anders theils betrachte die U-
berſetzung der Lateiniſchen Scribenten in
die Teutſche Sprache/
ob nicht eben dasjeni-
ge auch bey denen meiſten und nechſt dem auch
noch dieſes zu erinnern ſey/ daß die Uberſetzer
qvoæd interpretationem Grammaticam (deñ
die Interpretatio Logica præſupponirt dieſelbi-
ge allezeit) des Lateins, mehrentheils aber
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98. Ferner pflegt man insgemein von drey-
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[202/0228] Das 3. H. Von der Geſchickligkeit 96. Und ſolchergeſtalt iſt das vornehmſte Stuͤck eines guten Uberſetzers/ daß er nicht ſo wohl auff die Worte/ als auff den Ver- ſtand ſehe/ und denſelben hernach in der an- dern Sprache/ wie es ſich am beſten ſchickt/ und wie es die idiotiſmi einer jeden Sprache zulaſ- ſen/ nach ſeinen Gefallen gebe/ doch ſolcherge- ſtalt/ daß auch aus einer Uberſetzung kein com- mentarius werde. 97. Aber ſiehe nun die gemeineſten Uberſe- tzungen der Griechiſchen Autoren in das Latein an/ ob ſie nicht anſtat einer Interpre- tationis Logicæ die Autores von Wort zu Worte vertiren und deshalben recht verdrieß- lich zu leſen ſind/ anders theils betrachte die U- berſetzung der Lateiniſchen Scribenten in die Teutſche Sprache/ ob nicht eben dasjeni- ge auch bey denen meiſten und nechſt dem auch noch dieſes zu erinnern ſey/ daß die Uberſetzer qvoæd interpretationem Grammaticam (deñ die Interpretatio Logica præſupponirt dieſelbi- ge allezeit) des Lateins, mehrentheils aber auch nicht einmahl des Teutſchen maͤchtig ſind. 98. Ferner pflegt man insgemein von drey- erley Arten der Auslegung zu reden/ de au-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/228>, abgerufen am 21.11.2024.