Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite

andere zu verstehen.
nichts unvernünfftiger ist/ als nach unmög-
lichen Dingen
trachten/ oder unmögliche
Dinge/ derer Unmögligkeit ieder vernünffti-
ger Mensch begreiffet/ vor möglich halten;
Als must du dich um so viel mehr für diesen
grossen Fehler hüten/ ie mehr du siehest/ daß
sonst gelehrte und vortreffliche Leute/ bloß aus
Veranlassung des praejudicii autoritatis dar-
ein gefallen.

126. Damit du dich aber desto besser dafür
hüten könnest/ so will ich dir die vornehmste
Arten
zeigen/ dadurch es zugeschehen pfleget/
daß eine Schrifft nicht ausgeleget wer-
den kan.
Nehmlich 1. Wenn man das ge-
schriebene gar nicht lesen/ und mit keiner
Muthmassung erreichen kan/ wie die Worte
heissen sollen.

127. 2. Wenn die gesch[ri]ebene oder ge-
druckten Worte gar keine Bedeutung ha-
ben. Wiewohl bey diesen beyden Arten von
denen Gelehrten sehr wenig pfleget angestos-
sen zu werden/ in dem sie sich von selbst verste-
hen.

128. 3. Wenn die Worte zweyerley oder
mehrerern Auslegungen
unterworffen sind/
die einander zu wieder sind/ oder da man

aus
O 4

andere zu verſtehen.
nichts unvernuͤnfftiger iſt/ als nach unmoͤg-
lichen Dingen
trachten/ oder unmoͤgliche
Dinge/ derer Unmoͤgligkeit ieder vernuͤnffti-
ger Menſch begreiffet/ vor moͤglich halten;
Als muſt du dich um ſo viel mehr fuͤr dieſen
groſſen Fehler huͤten/ ie mehr du ſieheſt/ daß
ſonſt gelehrte und vortreffliche Leute/ bloß aus
Veranlaſſung des præjudicii autoritatis dar-
ein gefallen.

126. Damit du dich aber deſto beſſer dafuͤr
huͤten koͤnneſt/ ſo will ich dir die vornehmſte
Arten
zeigen/ dadurch es zugeſchehen pfleget/
daß eine Schrifft nicht ausgeleget wer-
den kan.
Nehmlich 1. Wenn man das ge-
ſchriebene gar nicht leſen/ und mit keiner
Muthmaſſung erreichen kan/ wie die Worte
heiſſen ſollen.

127. 2. Wenn die geſch[ri]ebene oder ge-
druckten Worte gar keine Bedeutung ha-
ben. Wiewohl bey dieſen beyden Arten von
denen Gelehrten ſehr wenig pfleget angeſtoſ-
ſen zu werden/ in dem ſie ſich von ſelbſt verſte-
hen.

128. 3. Wenn die Worte zweyerley oder
mehrerern Auslegungen
unterworffen ſind/
die einander zu wieder ſind/ oder da man

aus
O 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0241" n="215"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">andere zu ver&#x017F;tehen.</hi></fw><lb/>
nichts unvernu&#x0364;nfftiger i&#x017F;t/ als <hi rendition="#fr">nach unmo&#x0364;g-<lb/>
lichen Dingen</hi> trachten/ oder unmo&#x0364;gliche<lb/>
Dinge/ derer Unmo&#x0364;gligkeit ieder vernu&#x0364;nffti-<lb/>
ger Men&#x017F;ch begreiffet/ <hi rendition="#fr">vor mo&#x0364;glich</hi> halten;<lb/>
Als mu&#x017F;t du dich um &#x017F;o viel mehr fu&#x0364;r die&#x017F;en<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Fehler hu&#x0364;ten/ ie mehr du &#x017F;iehe&#x017F;t/ daß<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t gelehrte und vortreffliche Leute/ bloß aus<lb/>
Veranla&#x017F;&#x017F;ung des <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">præjudicii autoritatis</hi></hi> dar-<lb/>
ein gefallen.</p><lb/>
        <p>126. Damit du dich aber de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er dafu&#x0364;r<lb/>
hu&#x0364;ten ko&#x0364;nne&#x017F;t/ &#x017F;o will ich dir die <hi rendition="#fr">vornehm&#x017F;te<lb/>
Arten</hi> zeigen/ dadurch es zuge&#x017F;chehen pfleget/<lb/><hi rendition="#fr">daß eine Schrifft nicht ausgeleget wer-<lb/>
den kan.</hi> Nehmlich 1. Wenn man das ge-<lb/>
&#x017F;chriebene <hi rendition="#fr">gar nicht le&#x017F;en/</hi> und mit keiner<lb/>
Muthma&#x017F;&#x017F;ung erreichen kan/ wie die Worte<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen.</p><lb/>
        <p>127. 2. Wenn die ge&#x017F;ch<supplied>ri</supplied>ebene oder ge-<lb/>
druckten Worte <hi rendition="#fr">gar keine Bedeutung</hi> ha-<lb/>
ben. Wiewohl bey die&#x017F;en beyden Arten von<lb/>
denen Gelehrten &#x017F;ehr wenig pfleget ange&#x017F;to&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en zu werden/ in dem &#x017F;ie &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;te-<lb/>
hen.</p><lb/>
        <p>128. 3. Wenn die Worte <hi rendition="#fr">zweyerley oder<lb/>
mehrerern Auslegungen</hi> unterworffen &#x017F;ind/<lb/>
die <hi rendition="#fr">einander zu wieder</hi> &#x017F;ind/ oder da man<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">O</hi> 4</fw><fw place="bottom" type="catch">aus</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0241] andere zu verſtehen. nichts unvernuͤnfftiger iſt/ als nach unmoͤg- lichen Dingen trachten/ oder unmoͤgliche Dinge/ derer Unmoͤgligkeit ieder vernuͤnffti- ger Menſch begreiffet/ vor moͤglich halten; Als muſt du dich um ſo viel mehr fuͤr dieſen groſſen Fehler huͤten/ ie mehr du ſieheſt/ daß ſonſt gelehrte und vortreffliche Leute/ bloß aus Veranlaſſung des præjudicii autoritatis dar- ein gefallen. 126. Damit du dich aber deſto beſſer dafuͤr huͤten koͤnneſt/ ſo will ich dir die vornehmſte Arten zeigen/ dadurch es zugeſchehen pfleget/ daß eine Schrifft nicht ausgeleget wer- den kan. Nehmlich 1. Wenn man das ge- ſchriebene gar nicht leſen/ und mit keiner Muthmaſſung erreichen kan/ wie die Worte heiſſen ſollen. 127. 2. Wenn die geſchriebene oder ge- druckten Worte gar keine Bedeutung ha- ben. Wiewohl bey dieſen beyden Arten von denen Gelehrten ſehr wenig pfleget angeſtoſ- ſen zu werden/ in dem ſie ſich von ſelbſt verſte- hen. 128. 3. Wenn die Worte zweyerley oder mehrerern Auslegungen unterworffen ſind/ die einander zu wieder ſind/ oder da man aus O 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/241
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/241>, abgerufen am 21.11.2024.