Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].von anderer Meinungen zu urtheilen. Menschen gemeinen Verstandes und der äu-serlichen Dinge bestehet/ kan folglich auch von allen Menschen/ waserley Geschlecht sie auch seyen/ erkandt/ und folglich auch wieder anderen beygebracht werden. Alleine was das weib- liche Geschlecht betrifft/ so hält sie das gemeine Vorurtheil wider alle Vernunfft entweder hierzu vor gantz ungeschickt/ und betrachtet ihre Bücher als Jrrthumbs volle Schrifften/ oder aber/ wenn man ja in diesem Praejudicio uneinig ist/ so admiriret man als was sonderliches und sehr gutes/ wenn eine Weibs-Persohn in Sa- chen die die Sprachen/ die Historie/ und etwan Liebes-Geschichten betreffen/ sich vor andern ih- res Geschlechts hervor thut/ und fällt blind- lings auff ein ungemeines und irraisonables Lob dergleichen Schrifften/ ehe man sie noch ge- lesen; Hingegentheil aber pflegt man gemei- niglich die nützlichen Schrifften frommer und Tugendhaffter Weibes-Personen/ die der wah- ren Weißheit und höchst nützlichen Wahrheit viel näher kommen/ auch ohne Lesung derselben alsobald für phantastisch und gefährlich aus zu- schreyen/ wodurch man auff beyderley Weise/ andere vielfältige Inconvenientien zu geschwei- gen/ die dem weiblichen Geschlecht auch von der Na- Q 5
von anderer Meinungen zu urtheilen. Menſchen gemeinen Verſtandes und der aͤu-ſerlichen Dinge beſtehet/ kan folglich auch von allen Menſchen/ waſerley Geſchlecht ſie auch ſeyen/ erkandt/ und folglich auch wieder anderen beygebracht werden. Alleine was das weib- liche Geſchlecht betrifft/ ſo haͤlt ſie das gemeine Vorurtheil wider alle Vernunfft entweder hierzu vor gantz ungeſchickt/ und betrachtet ihre Buͤcher als Jrrthumbs volle Schrifften/ oder aber/ wenn man ja in dieſem Præjudicio uneinig iſt/ ſo admiriret man als was ſonderliches und ſehr gutes/ wenn eine Weibs-Perſohn in Sa- chen die die Sprachen/ die Hiſtorie/ und etwan Liebes-Geſchichten betreffen/ ſich vor andern ih- res Geſchlechts hervor thut/ und faͤllt blind- lings auff ein ungemeines und irraiſonables Lob dergleichen Schrifften/ ehe man ſie noch ge- leſen; Hingegentheil aber pflegt man gemei- niglich die nuͤtzlichen Schrifften frommer und Tugendhaffter Weibes-Perſonen/ die der wah- ren Weißheit und hoͤchſt nuͤtzlichen Wahrheit viel naͤher kommen/ auch ohne Leſung derſelben alſobald fuͤr phantaſtiſch und gefaͤhrlich aus zu- ſchreyen/ wodurch man auff beyderley Weiſe/ andere vielfaͤltige Inconvenientien zu geſchwei- gen/ die dem weiblichen Geſchlecht auch von der Na- Q 5
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von anderer Meinungen zu urtheilen.
Menſchen gemeinen Verſtandes und der aͤu-
ſerlichen Dinge beſtehet/ kan folglich auch von
allen Menſchen/ waſerley Geſchlecht ſie auch
ſeyen/ erkandt/ und folglich auch wieder anderen
beygebracht werden. Alleine was das weib-
liche Geſchlecht betrifft/ ſo haͤlt ſie das gemeine
Vorurtheil wider alle Vernunfft entweder
hierzu vor gantz ungeſchickt/ und betrachtet ihre
Buͤcher als Jrrthumbs volle Schrifften/ oder
aber/ wenn man ja in dieſem Præjudicio uneinig
iſt/ ſo admiriret man als was ſonderliches und
ſehr gutes/ wenn eine Weibs-Perſohn in Sa-
chen die die Sprachen/ die Hiſtorie/ und etwan
Liebes-Geſchichten betreffen/ ſich vor andern ih-
res Geſchlechts hervor thut/ und faͤllt blind-
lings auff ein ungemeines und irraiſonables
Lob dergleichen Schrifften/ ehe man ſie noch ge-
leſen; Hingegentheil aber pflegt man gemei-
niglich die nuͤtzlichen Schrifften frommer und
Tugendhaffter Weibes-Perſonen/ die der wah-
ren Weißheit und hoͤchſt nuͤtzlichen Wahrheit
viel naͤher kommen/ auch ohne Leſung derſelben
alſobald fuͤr phantaſtiſch und gefaͤhrlich aus zu-
ſchreyen/ wodurch man auff beyderley Weiſe/
andere vielfaͤltige Inconvenientien zu geſchwei-
gen/ die dem weiblichen Geſchlecht auch von der
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