Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite

Das 5. H. Von der Geschickligkeit
wehnet/ daß man die Wahrheit/ und folg-
lich auch die Jrrthüm[e]r erst erkennen müs-
se/ ehe man einen
Syllogismum machen
kan/
und daß also die Kunst Syllogismos zu ma-
chen mit nichten vor ein Mittel könne gehalten
werden/ einige unerkandte Wahrheit zu erfin-
den.

28. Wolte man nun gleich vorgeben/ daß
zwar derjenige/ der die Jrrthümer widerlegen
wolte/ den Jrrthum ehe erkennen müste/ ehe er
einen Syllogismum machte/ gleichwohl aber der
ander/ den man widerlegen wolte/ am füg-
lichsten
zu gleicher Erkentniß seines Jrrthums
durch Syllogismos gebracht werden könte; So
fället doch diese Ausflucht deßhalben ver-
dächtig/ weil man solcher gestalt ohne Noth
einen Unterscheid zwischen denen Menschen
macht/ da doch alle Menschen eine Natur ha-
ben/ und durch einerley Wege die Wahrheit
und Jrrthümer erkennen/ auch derjenige/ der
auff diese Weise seinen Jrrthum nicht erkennet/
nimmermehr durch die Syllogismos wird ge-
wonnen werden/ sondern vielmehr sich allezeit
wird angelegen seyn lassen/ durch allerhand
nichts bedeutende und dunckele Distin[c]tiones,
die er nach der Disputir-Kunst ja so förmlich/ als

der

Das 5. H. Von der Geſchickligkeit
wehnet/ daß man die Wahrheit/ und folg-
lich auch die Jrrthuͤm[e]r erſt erkennen muͤſ-
ſe/ ehe man einen
Syllogiſmum machen
kan/
und daß alſo die Kunſt Syllogiſmos zu ma-
chen mit nichten vor ein Mittel koͤnne gehalten
werden/ einige unerkandte Wahrheit zu erfin-
den.

28. Wolte man nun gleich vorgeben/ daß
zwar derjenige/ der die Jrrthuͤmer widerlegen
wolte/ den Jrrthum ehe erkennen muͤſte/ ehe er
einen Syllogiſmum machte/ gleichwohl aber der
ander/ den man widerlegen wolte/ am fuͤg-
lichſten
zu gleicher Erkentniß ſeines Jrrthums
durch Syllogiſmos gebracht werden koͤnte; So
faͤllet doch dieſe Ausflucht deßhalben ver-
daͤchtig/ weil man ſolcher geſtalt ohne Noth
einen Unterſcheid zwiſchen denen Menſchen
macht/ da doch alle Menſchen eine Natur ha-
ben/ und durch einerley Wege die Wahrheit
und Jrrthuͤmer erkennen/ auch derjenige/ der
auff dieſe Weiſe ſeinen Jrꝛthum nicht erkennet/
nimmermehr durch die Syllogiſmos wird ge-
wonnen werden/ ſondern vielmehr ſich allezeit
wird angelegen ſeyn laſſen/ durch allerhand
nichts bedeutende und dunckele Diſtin[c]tiones,
die er nach der Diſputir-Kunſt ja ſo foͤrmlich/ als

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0304" n="278"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 5. H. Von der Ge&#x017F;chickligkeit</hi></fw><lb/>
wehnet/ <hi rendition="#fr">daß man die Wahrheit/ und folg-<lb/>
lich auch die Jrrthu&#x0364;m<supplied>e</supplied>r er&#x017F;t erkennen mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e/ ehe man einen</hi> <hi rendition="#aq">Syllogi&#x017F;mum</hi> <hi rendition="#fr">machen<lb/>
kan/</hi> und daß al&#x017F;o die Kun&#x017F;t <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Syllogi&#x017F;mos</hi></hi> zu ma-<lb/>
chen mit nichten vor ein Mittel ko&#x0364;nne gehalten<lb/>
werden/ einige unerkandte Wahrheit zu erfin-<lb/>
den.</p><lb/>
        <p>28. Wolte man nun gleich vorgeben/ daß<lb/>
zwar derjenige/ der die Jrrthu&#x0364;mer widerlegen<lb/>
wolte/ den Jrrthum ehe erkennen mu&#x0364;&#x017F;te/ ehe er<lb/>
einen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Syllogi&#x017F;mum</hi></hi> machte/ gleichwohl aber <hi rendition="#fr">der<lb/>
ander/ den man widerlegen wolte/ am fu&#x0364;g-<lb/>
lich&#x017F;ten</hi> zu gleicher Erkentniß &#x017F;eines Jrrthums<lb/>
durch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Syllogi&#x017F;mos</hi></hi> gebracht werden ko&#x0364;nte; So<lb/>
fa&#x0364;llet doch die&#x017F;e Ausflucht deßhalben ver-<lb/>
da&#x0364;chtig/ weil man &#x017F;olcher ge&#x017F;talt ohne Noth<lb/>
einen Unter&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen denen Men&#x017F;chen<lb/>
macht/ da doch alle Men&#x017F;chen eine Natur ha-<lb/>
ben/ und durch einerley Wege die Wahrheit<lb/>
und Jrrthu&#x0364;mer erkennen/ auch derjenige/ der<lb/>
auff die&#x017F;e Wei&#x017F;e &#x017F;einen Jr&#xA75B;thum nicht erkennet/<lb/>
nimmermehr durch die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Syllogi&#x017F;mos</hi></hi> wird ge-<lb/>
wonnen werden/ &#x017F;ondern vielmehr &#x017F;ich allezeit<lb/>
wird angelegen &#x017F;eyn la&#x017F;&#x017F;en/ durch allerhand<lb/>
nichts bedeutende und dunckele <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Di&#x017F;tin<supplied>c</supplied>tiones,</hi></hi><lb/>
die er nach der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Di&#x017F;putir-</hi></hi>Kun&#x017F;t ja &#x017F;o fo&#x0364;rmlich/ als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0304] Das 5. H. Von der Geſchickligkeit wehnet/ daß man die Wahrheit/ und folg- lich auch die Jrrthuͤmer erſt erkennen muͤſ- ſe/ ehe man einen Syllogiſmum machen kan/ und daß alſo die Kunſt Syllogiſmos zu ma- chen mit nichten vor ein Mittel koͤnne gehalten werden/ einige unerkandte Wahrheit zu erfin- den. 28. Wolte man nun gleich vorgeben/ daß zwar derjenige/ der die Jrrthuͤmer widerlegen wolte/ den Jrrthum ehe erkennen muͤſte/ ehe er einen Syllogiſmum machte/ gleichwohl aber der ander/ den man widerlegen wolte/ am fuͤg- lichſten zu gleicher Erkentniß ſeines Jrrthums durch Syllogiſmos gebracht werden koͤnte; So faͤllet doch dieſe Ausflucht deßhalben ver- daͤchtig/ weil man ſolcher geſtalt ohne Noth einen Unterſcheid zwiſchen denen Menſchen macht/ da doch alle Menſchen eine Natur ha- ben/ und durch einerley Wege die Wahrheit und Jrrthuͤmer erkennen/ auch derjenige/ der auff dieſe Weiſe ſeinen Jrꝛthum nicht erkennet/ nimmermehr durch die Syllogiſmos wird ge- wonnen werden/ ſondern vielmehr ſich allezeit wird angelegen ſeyn laſſen/ durch allerhand nichts bedeutende und dunckele Diſtinctiones, die er nach der Diſputir-Kunſt ja ſo foͤrmlich/ als der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/304
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/304>, abgerufen am 24.11.2024.