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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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Das 5. H. Von der Geschickligkeit
einander beyderseits ihre Meinungen mit ih-
ren Ursachen/ und wenn einer dem andern nicht
Beyfall geben will/ lassen sie beyderseits einan-
der für kluge und weise Leute passiren.

53. Vielweniger muß man über Dinge
disputiren/ die gar nicht zum wahren
und falschen gehören/
sondern eines jeden
Menschen eigener Gutachtung anheim ge-
stellet sind/ oder stetswehrend der Vernunfft
unerkant bleiben/ weil auch solchergestalt in
denenselbigen kein Jrrthum seyn kan/ sondern
entweder einjeder von beyden Theilen recht
hat/ wenn er von seiner Erkäntnüß oder seiner
Unwissenheit redet/ oder aber alle beyde irren/
(und also keiner dem andern was vorwerffen
darf) wenn sie von der allgemeinen Erkänt-
nüß reden/ oder an beyden Theilen ihre gelehr-
te Unwissenheit mit einer thörigten Wissen-
schafft beschauen wollen. z. e. Die meisten
Fragen von Geschmack/ von der Güte der
Dinge/ von der Sprache der Engel/ u. s. w.

54. Diese Regel und Anmerckung nim
wohl inacht/ damit dich die täglichen Exem-
pel
nicht verursachen darwieder anzustossen.

Denn

Das 5. H. Von der Geſchickligkeit
einander beyderſeits ihre Meinungen mit ih-
ren Urſachen/ und wenn einer dem andern nicht
Beyfall geben will/ laſſen ſie beyderſeits einan-
der fuͤr kluge und weiſe Leute paſſiren.

53. Vielweniger muß man uͤber Dinge
diſputiren/ die gar nicht zum wahren
und falſchen gehoͤren/
ſondern eines jeden
Menſchen eigener Gutachtung anheim ge-
ſtellet ſind/ oder ſtetswehrend der Vernunfft
unerkant bleiben/ weil auch ſolchergeſtalt in
denenſelbigen kein Jrrthum ſeyn kan/ ſondern
entweder einjeder von beyden Theilen recht
hat/ wenn er von ſeiner Erkaͤntnuͤß oder ſeiner
Unwiſſenheit redet/ oder aber alle beyde irren/
(und alſo keiner dem andern was vorwerffen
darf) wenn ſie von der allgemeinen Erkaͤnt-
nuͤß reden/ oder an beyden Theilen ihre gelehr-
te Unwiſſenheit mit einer thoͤrigten Wiſſen-
ſchafft beſchauen wollen. z. e. Die meiſten
Fragen von Geſchmack/ von der Guͤte der
Dinge/ von der Sprache der Engel/ u. ſ. w.

54. Dieſe Regel und Anmerckung nim
wohl inacht/ damit dich die taͤglichen Exem-
pel
nicht verurſachen darwieder anzuſtoſſen.

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[294/0320] Das 5. H. Von der Geſchickligkeit einander beyderſeits ihre Meinungen mit ih- ren Urſachen/ und wenn einer dem andern nicht Beyfall geben will/ laſſen ſie beyderſeits einan- der fuͤr kluge und weiſe Leute paſſiren. 53. Vielweniger muß man uͤber Dinge diſputiren/ die gar nicht zum wahren und falſchen gehoͤren/ ſondern eines jeden Menſchen eigener Gutachtung anheim ge- ſtellet ſind/ oder ſtetswehrend der Vernunfft unerkant bleiben/ weil auch ſolchergeſtalt in denenſelbigen kein Jrrthum ſeyn kan/ ſondern entweder einjeder von beyden Theilen recht hat/ wenn er von ſeiner Erkaͤntnuͤß oder ſeiner Unwiſſenheit redet/ oder aber alle beyde irren/ (und alſo keiner dem andern was vorwerffen darf) wenn ſie von der allgemeinen Erkaͤnt- nuͤß reden/ oder an beyden Theilen ihre gelehr- te Unwiſſenheit mit einer thoͤrigten Wiſſen- ſchafft beſchauen wollen. z. e. Die meiſten Fragen von Geſchmack/ von der Guͤte der Dinge/ von der Sprache der Engel/ u. ſ. w. 54. Dieſe Regel und Anmerckung nim wohl inacht/ damit dich die taͤglichen Exem- pel nicht verurſachen darwieder anzuſtoſſen. Denn

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/320>, abgerufen am 21.11.2024.