Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].oder der sich lieber an einer anmuthigen Laute oder wohlgestriche- nauer B 2
oder der ſich lieber an einer anmuthigen Laute oder wohlgeſtriche- nauer B 2
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oder der ſich lieber an einer anmuthigen Laute oder wohlgeſtriche-
ne Violine als an den beſten Brumeiſen oder der zierlichſten Sack-
pfeiffe delectiret; ſo viel den Verſtand anlanget/ der mehr
von Hoffmanns oder Caſpars Poëſie haͤlt/ als von Hanns Sach-
ſens Reimen oder andern Meiſter-Geſaͤngen/ der Ciceronem,
Cujacium, Grotium, Carteſium hoͤher achtet/ als die Schola-
ſticos, Gloſſatores, Ariſtotelis Ethic, und Petri Lombardi
libros ſententiarum; ſo viel den Willen angehet/ der eine ver-
gnuͤgliche und dem gemeinen weſen nuͤtzliche Lebens-Art einer
verdrießlichen und pedantiſchen vorziehet; ja ſo viel endlich die
Affecten und Gemuͤthsneigungen beruͤhret/ der zum Exempel
ein galantes und liebreitzendes Frauenzimmer fuͤr eine alberne
und naͤrriſche coquette ſich zur liebſten wehlet. Aber ad pro-
pos was iſt galant und ein galanter Menſch? dieſes duͤrffte uns
in Warheit mehr zuthun machen als alles vorige/ zumahlen da
dieſes Wort bey uns Teutſchen ſo gemein und ſo ſehr gemißbrau-
chet worden/ daß es von Hund und Katzen/ von Pantoffeln/ von
Tiſch und Baͤncken/ von Feder und Dinten/ und ich weiß endlich
nicht/ ob nicht auch von Aepffel und Birn zum oͤfftern geſagt
wird. So ſcheinet auch/ als wenn die Frantzoſen ſelbſt nicht einig
waͤren/ worinnen eigentlich die wahrhafftige galanterie beſtehe.
Mademoiſelle Scudery beſchreibet dieſelbige in einer abſonder-
lichen converſation de l’ Air galant, als wenn es eine verbor-
gen natuͤrliche Eigenſchafft waͤre/ durch welche man gleichſam
wieder Willen gezwungen wuͤrde einem Menſchen günſtig und
gewogen zu ſeyn/ bey welcher Beſchaffenheit dann die Galante-
rie, und das je ne Scay qvoy wo von obgemelter Pere Bou-
hours ein gantzes Geſpraͤch verfertiget/ einerley waͤren. Jch
aber halte meines beduͤnckens davor/ daß Monſ. Vaugelas und
Monſ. Coſtar die Eigenſchafft der Galanterie ein wenig ge-
nauer
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