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Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].

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Durchhechelungen und Schmäh-Worte gegen gantze Nationen
darzu gehören/ so wenig/ als die offenbahre und handgreifliche
Schmeicheley/ so er von der Frantzösischen Nation macht. Man
leugnet nicht/ daß bey denen Frantzosen Leute von schönen Ver-
stande in grosser Menge anzutreffen; daß er aber so viel Wesens
mit seinen Marquis macht/ zweiffele ich sehr/ ob es ihm Moliere
würde haben gut seyn lassen/ wenn er noch länger am Leben blie-
ben/ als welcher/ wie bekandt/ mit denen Herren Marquis sich
öffters lustig gemacht. Und meynet denn der ehrliche Mann/
das in Franckreich alles von schönen Geistern so gar unmäßig ü-
berley ist/ daß man keine Pedanten unter ihnen antreffen solte.
Wie wenn wir mit wenigen einen herfürzögen/ der sich nichts ge-
ringes zu seyn düncket/ und dem Bouhours die Oberstelle unter
denen beaux esprits wohl streitig machen solte. Monsieur
l' abbe de Gerard
ist warhafftig auch keine Katze. Wer den
Titel seines Buches la Philosophie des gens de Cour
und dessen Vorrede/ wie auch den kurtzen Jnhalt derer daselbst be-
findlichen Gespräche lieset/ und bald auff dem Titel siehet/ daß die-
ses Werckgen zum dritten mal auffgeleget worden sey/ der solte
drauff schwehren/ der Autor habe den rechten Weg getroffen/ wie
man die Leute zu warhafftig Gelehrten und beaux esprits mit
kurtzer Arbeit machen solle/ zumal da er in der Vorrede nicht al-
lein auf die barbarischen Wörter und unnöthigen abstractiones
derer gemeinen Philosophen, sondern auch auff die allzu subtilen
mathematischen Erfindungen und wunderliche Neuerungen de-
rer Cartesianer stichelt/ und ohne diese Mängel alles das jenige/
was am curiösesten in der Physic und am gegründesten in der
Sitten-Lehre ist/ auff so eine leichte/ natürliche und für die Leute
am Hofe geschickteste Art zu weisen verspricht/ daß man sie versi-
chern könne/ sie würden nicht weniger Vergnügung in Begreif-
fung dieser Philosophie antreffen/ als wenn sie einen Roman
oder Comoedie läsen. Wenn man aber das Werck selbst in die

Hand

Durchhechelungen und Schmaͤh-Worte gegen gantze Nationen
darzu gehoͤren/ ſo wenig/ als die offenbahre und handgreifliche
Schmeicheley/ ſo er von der Frantzoͤſiſchen Nation macht. Man
leugnet nicht/ daß bey denen Frantzoſen Leute von ſchoͤnen Ver-
ſtande in groſſer Menge anzutreffen; daß er aber ſo viel Weſens
mit ſeinen Marquis macht/ zweiffele ich ſehr/ ob es ihm Moliere
wuͤrde haben gut ſeyn laſſen/ wenn er noch laͤnger am Leben blie-
ben/ als welcher/ wie bekandt/ mit denen Herren Marquis ſich
oͤffters luſtig gemacht. Und meynet denn der ehrliche Mann/
das in Franckreich alles von ſchoͤnen Geiſtern ſo gar unmaͤßig uͤ-
berley iſt/ daß man keine Pedanten unter ihnen antreffen ſolte.
Wie wenn wir mit wenigen einen herfuͤrzoͤgen/ der ſich nichts ge-
ringes zu ſeyn duͤncket/ und dem Bouhours die Oberſtelle unter
denen beaux esprits wohl ſtreitig machen ſolte. Monſieur
l’ abbé de Gerard
iſt warhafftig auch keine Katze. Wer den
Titel ſeines Buches la Philoſophie des gens de Cour
und deſſen Vorrede/ wie auch den kurtzen Jnhalt derer daſelbſt be-
findlichen Geſpraͤche lieſet/ und bald auff dem Titel ſiehet/ daß die-
ſes Werckgen zum dritten mal auffgeleget worden ſey/ der ſolte
drauff ſchwehren/ der Autor habe den rechten Weg getroffen/ wie
man die Leute zu warhafftig Gelehrten und beaux esprits mit
kurtzer Arbeit machen ſolle/ zumal da er in der Vorrede nicht al-
lein auf die barbariſchen Woͤrter und unnoͤthigen abſtractiones
derer gemeinen Philoſophen, ſondern auch auff die allzu ſubtilen
mathematiſchen Erfindungen und wunderliche Neuerungen de-
rer Carteſianer ſtichelt/ und ohne dieſe Maͤngel alles das jenige/
was am curioͤſeſten in der Phyſic und am gegruͤndeſten in der
Sitten-Lehre iſt/ auff ſo eine leichte/ natuͤrliche und fuͤr die Leute
am Hofe geſchickteſte Art zu weiſen verſpricht/ daß man ſie verſi-
chern koͤnne/ ſie wuͤrden nicht weniger Vergnuͤgung in Begreif-
fung dieſer Philoſophie antreffen/ als wenn ſie einen Roman
oder Comœdie laͤſen. Wenn man aber das Werck ſelbſt in die

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[31/0033] Durchhechelungen und Schmaͤh-Worte gegen gantze Nationen darzu gehoͤren/ ſo wenig/ als die offenbahre und handgreifliche Schmeicheley/ ſo er von der Frantzoͤſiſchen Nation macht. Man leugnet nicht/ daß bey denen Frantzoſen Leute von ſchoͤnen Ver- ſtande in groſſer Menge anzutreffen; daß er aber ſo viel Weſens mit ſeinen Marquis macht/ zweiffele ich ſehr/ ob es ihm Moliere wuͤrde haben gut ſeyn laſſen/ wenn er noch laͤnger am Leben blie- ben/ als welcher/ wie bekandt/ mit denen Herren Marquis ſich oͤffters luſtig gemacht. Und meynet denn der ehrliche Mann/ das in Franckreich alles von ſchoͤnen Geiſtern ſo gar unmaͤßig uͤ- berley iſt/ daß man keine Pedanten unter ihnen antreffen ſolte. Wie wenn wir mit wenigen einen herfuͤrzoͤgen/ der ſich nichts ge- ringes zu ſeyn duͤncket/ und dem Bouhours die Oberſtelle unter denen beaux esprits wohl ſtreitig machen ſolte. Monſieur l’ abbé de Gerard iſt warhafftig auch keine Katze. Wer den Titel ſeines Buches la Philoſophie des gens de Cour und deſſen Vorrede/ wie auch den kurtzen Jnhalt derer daſelbſt be- findlichen Geſpraͤche lieſet/ und bald auff dem Titel ſiehet/ daß die- ſes Werckgen zum dritten mal auffgeleget worden ſey/ der ſolte drauff ſchwehren/ der Autor habe den rechten Weg getroffen/ wie man die Leute zu warhafftig Gelehrten und beaux esprits mit kurtzer Arbeit machen ſolle/ zumal da er in der Vorrede nicht al- lein auf die barbariſchen Woͤrter und unnoͤthigen abſtractiones derer gemeinen Philoſophen, ſondern auch auff die allzu ſubtilen mathematiſchen Erfindungen und wunderliche Neuerungen de- rer Carteſianer ſtichelt/ und ohne dieſe Maͤngel alles das jenige/ was am curioͤſeſten in der Phyſic und am gegruͤndeſten in der Sitten-Lehre iſt/ auff ſo eine leichte/ natuͤrliche und fuͤr die Leute am Hofe geſchickteſte Art zu weiſen verſpricht/ daß man ſie verſi- chern koͤnne/ ſie wuͤrden nicht weniger Vergnuͤgung in Begreif- fung dieſer Philoſophie antreffen/ als wenn ſie einen Roman oder Comœdie laͤſen. Wenn man aber das Werck ſelbſt in die Hand

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690], S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/33>, abgerufen am 21.11.2024.