Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Liebe anderer Menschen überhaupt. 57. Ferner/ ob du schon befindest/ daß du thun/ M 5
Liebe anderer Menſchen uͤberhaupt. 57. Ferner/ ob du ſchon befindeſt/ daß du thun/ M 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0217" n="185"/> <fw place="top" type="header">Liebe anderer Menſchen uͤberhaupt.</fw><lb/> <div n="3"> <head>57.</head> <p>Ferner/ ob du ſchon befindeſt/ daß du<lb/> erſt nach der Vereinigung der Seelen getrach-<lb/> tet/ auch bey der geliebten Perſon ſelbſt ein Ver-<lb/> langen zu dieſer letzten Liebes-Bezeugung ſpuͤreſt/<lb/> und dieſelbe ſelbſt als ein Zeichen eines voll-<lb/> kommenen Vertrauens begehreſt; unterſuche<lb/> ja noch weiter: Ob dir denn dieſe Liebes-Pro-<lb/> be von dieſer Perſon zubegehren nicht etwa<lb/><hi rendition="#fr">durch ein vernuͤnfftiges Geſetz verboten<lb/> ſey.</hi> Denn wir haben dieſelbe oben nur in ſo<lb/> weit fuͤr vernuͤnfftig ausgegeben/ weil die wah-<lb/> re Liebe trachte der geliebten Perſon alles er-<lb/> denckliche Vergnuͤgen/ daß der Vernunfft nicht<lb/> zuwieder ſey/ zu geben. Nun iſt aber dasjeni-<lb/> ge/ was den Geſetzen zuwieder iſt unvernuͤnff-<lb/> tig und ſo wenig eine Liebe vor vernuͤnfftig zu-<lb/> halten iſt/ wenn die andeꝛe Perſon ihr Vergnuͤgen<lb/> darinnen ſuchte/ daß ich einen andern Menſchen<lb/> uͤmbraͤchte/ oder andere <hi rendition="#aq">irraiſonable</hi> Thaten be-<lb/> ginge; ſo wenig kan man auch dieſe vor ver-<lb/> nuͤnfftig ausgeben/ die die Leibes-Vermiſchung<lb/><hi rendition="#fr">wieder die Geſetze</hi> als eine <hi rendition="#fr">Liebes Probe</hi> ver-<lb/> langet. So haben wir auch erwehnet/ daß man<lb/> die <hi rendition="#fr">Schwachheiten</hi> nicht mit <hi rendition="#fr">unvernuͤnfftigen<lb/> Dingen</hi> vermiſchen ſolle. Wenn die Geſetze<lb/> es verbieten/ ſo wird dir kein Geheimniß einer<lb/> allgemeinen menſchlichen Schwachheit/ ſondern<lb/> eines Schelm-Stuͤckes anvertrauet/ ja du gar<lb/> zu einẽ Mit-<hi rendition="#aq">Conſort</hi>en deßelbigen gemacht; Und<lb/> eine vernuͤnfftige Liebe kan ſo dann nichts mehr<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M 5</fw><fw place="bottom" type="catch">thun/</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [185/0217]
Liebe anderer Menſchen uͤberhaupt.
57. Ferner/ ob du ſchon befindeſt/ daß du
erſt nach der Vereinigung der Seelen getrach-
tet/ auch bey der geliebten Perſon ſelbſt ein Ver-
langen zu dieſer letzten Liebes-Bezeugung ſpuͤreſt/
und dieſelbe ſelbſt als ein Zeichen eines voll-
kommenen Vertrauens begehreſt; unterſuche
ja noch weiter: Ob dir denn dieſe Liebes-Pro-
be von dieſer Perſon zubegehren nicht etwa
durch ein vernuͤnfftiges Geſetz verboten
ſey. Denn wir haben dieſelbe oben nur in ſo
weit fuͤr vernuͤnfftig ausgegeben/ weil die wah-
re Liebe trachte der geliebten Perſon alles er-
denckliche Vergnuͤgen/ daß der Vernunfft nicht
zuwieder ſey/ zu geben. Nun iſt aber dasjeni-
ge/ was den Geſetzen zuwieder iſt unvernuͤnff-
tig und ſo wenig eine Liebe vor vernuͤnfftig zu-
halten iſt/ wenn die andeꝛe Perſon ihr Vergnuͤgen
darinnen ſuchte/ daß ich einen andern Menſchen
uͤmbraͤchte/ oder andere irraiſonable Thaten be-
ginge; ſo wenig kan man auch dieſe vor ver-
nuͤnfftig ausgeben/ die die Leibes-Vermiſchung
wieder die Geſetze als eine Liebes Probe ver-
langet. So haben wir auch erwehnet/ daß man
die Schwachheiten nicht mit unvernuͤnfftigen
Dingen vermiſchen ſolle. Wenn die Geſetze
es verbieten/ ſo wird dir kein Geheimniß einer
allgemeinen menſchlichen Schwachheit/ ſondern
eines Schelm-Stuͤckes anvertrauet/ ja du gar
zu einẽ Mit-Conſorten deßelbigen gemacht; Und
eine vernuͤnfftige Liebe kan ſo dann nichts mehr
thun/
M 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |