Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 6. Hauptst. von der absonderlichen
ben begriffen sind/ gemein seyn könten. Ja die
äußerliche Gewalt zielet auch öffters mehr auf die
Freyheit des menschlichen Thun und Lassens/ des
so wohl Armen als Reichen gemein ist/ daß den-
noch in diesem Absehen das gemeine Wesen un-
ter denen Menschen/ die an statt vernünfftiger Lie-
be einander Haß erweisen/ seinen Nutzen haben/
und vonnöthen seyn würde/ wenn gleich kein Ei-
genthum wäre.

92.

Es ist wohl andem/ das Eigenthum hat
sich in alle Stände des gemeinen Wesens derge-
stalt eingeflochten/ daß man im ersten Anblick nicht
wohl begreiffen kan/ was für eine Gestalt dassel-
be immermehr haben könte/ wenn kein Eigenthum
seyn solte. Aber es hat uns diesen Scrupel zu
benehmen allbereit ein scharffsinniger Kopff die
Mühe ersparet/ indem er unter dem Schein/ als
ob er ein neu entdecktes Volck/ das er die Se-
varambes
nennet/ nach ihrer Regiments-Art
und Sitten Historischer weise beschreiben wolte/
die gestalt einer Republique, darinnen alle Güter
gemein wären/ so artig und geschickt beschrieben/
daß der geringste Zweiffel der Mögligkeit nicht
mehr zurücke bleidet/ wenn nur die Boßheit die
Hertzen der Menschen nicht so sehr eingenommen
hätte.

93.

Eben dieser Autor hat uns zugleich vielen
Nachdenckens überhoben/ wie der zuletzt oben
gemachte Einwurff aus dem Wege zu räumen
sey/ daß durch Einführung der Gemeinschafft aller

Gü-

Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen
ben begriffen ſind/ gemein ſeyn koͤnten. Ja die
aͤußerliche Gewalt zielet auch oͤffters mehr auf die
Freyheit des menſchlichen Thun und Laſſens/ des
ſo wohl Armen als Reichen gemein iſt/ daß den-
noch in dieſem Abſehen das gemeine Weſen un-
ter denen Menſchen/ die an ſtatt vernuͤnfftiger Lie-
be einander Haß erweiſen/ ſeinen Nutzen haben/
und vonnoͤthen ſeyn wuͤrde/ wenn gleich kein Ei-
genthum waͤre.

92.

Es iſt wohl andem/ das Eigenthum hat
ſich in alle Staͤnde des gemeinen Weſens derge-
ſtalt eingeflochten/ daß man im erſten Anblick nicht
wohl begreiffen kan/ was fuͤr eine Geſtalt daſſel-
be immermehr haben koͤnte/ wenn kein Eigenthum
ſeyn ſolte. Aber es hat uns dieſen Scrupel zu
benehmen allbereit ein ſcharffſinniger Kopff die
Muͤhe erſparet/ indem er unter dem Schein/ als
ob er ein neu entdecktes Volck/ das er die Se-
varambes
nennet/ nach ihrer Regiments-Art
und Sitten Hiſtoriſcher weiſe beſchreiben wolte/
die geſtalt einer Republique, darinnen alle Guͤter
gemein waͤren/ ſo artig und geſchickt beſchrieben/
daß der geringſte Zweiffel der Moͤgligkeit nicht
mehr zuruͤcke bleidet/ wenn nur die Boßheit die
Hertzen der Menſchen nicht ſo ſehr eingenommen
haͤtte.

93.

Eben dieſer Autor hat uns zugleich vielen
Nachdenckens uͤberhoben/ wie der zuletzt oben
gemachte Einwurff aus dem Wege zu raͤumen
ſey/ daß durch Einfuͤhrung der Gemeinſchafft aller

Guͤ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0334" n="306[302]"/><fw place="top" type="header">Das 6. Haupt&#x017F;t. von der ab&#x017F;onderlichen</fw><lb/>
ben begriffen &#x017F;ind/ gemein &#x017F;eyn ko&#x0364;nten. Ja die<lb/>
a&#x0364;ußerliche Gewalt zielet auch o&#x0364;ffters mehr auf die<lb/>
Freyheit des men&#x017F;chlichen Thun und La&#x017F;&#x017F;ens/ des<lb/>
&#x017F;o wohl Armen als Reichen gemein i&#x017F;t/ daß den-<lb/>
noch in die&#x017F;em Ab&#x017F;ehen das gemeine We&#x017F;en un-<lb/>
ter denen Men&#x017F;chen/ die an &#x017F;tatt vernu&#x0364;nfftiger Lie-<lb/>
be einander Haß erwei&#x017F;en/ &#x017F;einen Nutzen haben/<lb/>
und vonno&#x0364;then &#x017F;eyn wu&#x0364;rde/ wenn gleich kein Ei-<lb/>
genthum wa&#x0364;re.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>92.</head>
            <p>Es i&#x017F;t wohl andem/ das Eigenthum hat<lb/>
&#x017F;ich in alle Sta&#x0364;nde des gemeinen We&#x017F;ens derge-<lb/>
&#x017F;talt eingeflochten/ daß man im er&#x017F;ten Anblick nicht<lb/>
wohl begreiffen kan/ was fu&#x0364;r eine Ge&#x017F;talt da&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
be immermehr haben ko&#x0364;nte/ wenn kein Eigenthum<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;olte. Aber es hat uns die&#x017F;en Scrupel zu<lb/>
benehmen allbereit ein &#x017F;charff&#x017F;inniger Kopff die<lb/>
Mu&#x0364;he er&#x017F;paret/ indem er unter dem Schein/ als<lb/>
ob er ein <hi rendition="#fr">neu entdecktes Volck/ das er die</hi> <hi rendition="#aq">Se-<lb/>
varambes</hi> <hi rendition="#fr">nennet/</hi> nach ihrer Regiments-Art<lb/>
und Sitten Hi&#x017F;tori&#x017F;cher wei&#x017F;e be&#x017F;chreiben wolte/<lb/>
die ge&#x017F;talt einer <hi rendition="#aq">Republique,</hi> darinnen alle Gu&#x0364;ter<lb/>
gemein wa&#x0364;ren/ &#x017F;o artig und ge&#x017F;chickt be&#x017F;chrieben/<lb/>
daß der gering&#x017F;te Zweiffel der Mo&#x0364;gligkeit nicht<lb/>
mehr zuru&#x0364;cke bleidet/ wenn nur die Boßheit die<lb/>
Hertzen der Men&#x017F;chen nicht &#x017F;o &#x017F;ehr eingenommen<lb/>
ha&#x0364;tte.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>93.</head>
            <p>Eben die&#x017F;er <hi rendition="#aq">Autor</hi> hat uns zugleich vielen<lb/>
Nachdenckens u&#x0364;berhoben/ wie der zuletzt oben<lb/>
gemachte Einwurff aus dem Wege zu ra&#x0364;umen<lb/>
&#x017F;ey/ daß durch Einfu&#x0364;hrung der Gemein&#x017F;chafft aller<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Gu&#x0364;-</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306[302]/0334] Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen ben begriffen ſind/ gemein ſeyn koͤnten. Ja die aͤußerliche Gewalt zielet auch oͤffters mehr auf die Freyheit des menſchlichen Thun und Laſſens/ des ſo wohl Armen als Reichen gemein iſt/ daß den- noch in dieſem Abſehen das gemeine Weſen un- ter denen Menſchen/ die an ſtatt vernuͤnfftiger Lie- be einander Haß erweiſen/ ſeinen Nutzen haben/ und vonnoͤthen ſeyn wuͤrde/ wenn gleich kein Ei- genthum waͤre. 92. Es iſt wohl andem/ das Eigenthum hat ſich in alle Staͤnde des gemeinen Weſens derge- ſtalt eingeflochten/ daß man im erſten Anblick nicht wohl begreiffen kan/ was fuͤr eine Geſtalt daſſel- be immermehr haben koͤnte/ wenn kein Eigenthum ſeyn ſolte. Aber es hat uns dieſen Scrupel zu benehmen allbereit ein ſcharffſinniger Kopff die Muͤhe erſparet/ indem er unter dem Schein/ als ob er ein neu entdecktes Volck/ das er die Se- varambes nennet/ nach ihrer Regiments-Art und Sitten Hiſtoriſcher weiſe beſchreiben wolte/ die geſtalt einer Republique, darinnen alle Guͤter gemein waͤren/ ſo artig und geſchickt beſchrieben/ daß der geringſte Zweiffel der Moͤgligkeit nicht mehr zuruͤcke bleidet/ wenn nur die Boßheit die Hertzen der Menſchen nicht ſo ſehr eingenommen haͤtte. 93. Eben dieſer Autor hat uns zugleich vielen Nachdenckens uͤberhoben/ wie der zuletzt oben gemachte Einwurff aus dem Wege zu raͤumen ſey/ daß durch Einfuͤhrung der Gemeinſchafft aller Guͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/334
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 306[302]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/334>, abgerufen am 22.11.2024.