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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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ersten und unbeweißlichen Warh.
losophos wacker darum zancken lassen/ und
unsers Orts ohne Anstoß fortgehen. Es kan
nicht fehlen/ das primum principium muß
ein Begriff aller Warheiten seyn.

18. So muß ich demnach solches nothwen-
dig aus der definition der Warheit herneh-
men/ denn wenn diese nicht alle Warheiten
begreiffe/ wäre es keine definition.

19. So pfleget man auch in Mathematicis
aus denen definitionibus rerum alle axio-
mata
herzuleiten.

20. Solchergestalt aber heist dieses pri-
mum principium
so: Was mit des Men-
schen Vernunfft übereinstimmet/ das ist
wahr/ und was des Menschen Vernunfft
zu wieder ist/ das ist falsch.

21. Ja sprichst du/ das habe ich längst ge-
wust/ aber ich wolte gerne wissen/ worinnen
denn diese Ubereinstimmung bestünde/ und al-
so ist dieses primum principium für mich
viel zu dunckel/ weil ich noch nicht weiß/ ob das
wahre dasjenige sey/ das mit denen Sinnen/
oder das/ welches mit denen ideis des Ver-
standes übereinkommet.

22. Mein lieber Freund/ du bist an dieser
Dunckelheit selbst schuld/ weil du die Sinnen

und

erſten und unbeweißlichen Warh.
loſophos wacker darum zancken laſſen/ und
unſers Orts ohne Anſtoß fortgehen. Es kan
nicht fehlen/ das primum principium muß
ein Begriff aller Warheiten ſeyn.

18. So muß ich demnach ſolches nothwen-
dig aus der definition der Warheit herneh-
men/ denn wenn dieſe nicht alle Warheiten
begreiffe/ waͤre es keine definition.

19. So pfleget man auch in Mathematicis
aus denen definitionibus rerum alle axio-
mata
herzuleiten.

20. Solchergeſtalt aber heiſt dieſes pri-
mum principium
ſo: Was mit des Men-
ſchen Vernunfft uͤbereinſtimmet/ das iſt
wahr/ und was des Menſchen Vernunfft
zu wieder iſt/ das iſt falſch.

21. Ja ſprichſt du/ das habe ich laͤngſt ge-
wuſt/ aber ich wolte gerne wiſſen/ worinnen
denn dieſe Ubereinſtimmung beſtuͤnde/ und al-
ſo iſt dieſes primum principium fuͤr mich
viel zu dunckel/ weil ich noch nicht weiß/ ob das
wahre dasjenige ſey/ das mit denen Sinnen/
oder das/ welches mit denen ideis des Ver-
ſtandes uͤbereinkommet.

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und
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[155/0173] erſten und unbeweißlichen Warh. loſophos wacker darum zancken laſſen/ und unſers Orts ohne Anſtoß fortgehen. Es kan nicht fehlen/ das primum principium muß ein Begriff aller Warheiten ſeyn. 18. So muß ich demnach ſolches nothwen- dig aus der definition der Warheit herneh- men/ denn wenn dieſe nicht alle Warheiten begreiffe/ waͤre es keine definition. 19. So pfleget man auch in Mathematicis aus denen definitionibus rerum alle axio- mata herzuleiten. 20. Solchergeſtalt aber heiſt dieſes pri- mum principium ſo: Was mit des Men- ſchen Vernunfft uͤbereinſtimmet/ das iſt wahr/ und was des Menſchen Vernunfft zu wieder iſt/ das iſt falſch. 21. Ja ſprichſt du/ das habe ich laͤngſt ge- wuſt/ aber ich wolte gerne wiſſen/ worinnen denn dieſe Ubereinſtimmung beſtuͤnde/ und al- ſo iſt dieſes primum principium fuͤr mich viel zu dunckel/ weil ich noch nicht weiß/ ob das wahre dasjenige ſey/ das mit denen Sinnen/ oder das/ welches mit denen ideis des Ver- ſtandes uͤbereinkommet. 22. Mein lieber Freund/ du biſt an dieſer Dunckelheit ſelbſt ſchuld/ weil du die Sinnen und

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/173>, abgerufen am 19.05.2024.