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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Das 6. Hauptstück von denen
(nach unserer Beschreibung) betrifft/ müssen
wir zuförderst die Bildungen oder schema-
ta
mit denen Sachen selbst/ davon sie for-
mi
ret werden/ nicht vermischen:

46. Die Bildungen/ das ist die Bewe-
gungen oder Eindrückungen in unser Gehir-
ne trügen uns niemahlen. Also ist z. e. es
warhafftig wahr/ daß uns etwas in denen Oh-
ren klinget/ daß ein viereckter Thurm von fer-
ne rund scheinet/ daß der im Wasser steckende
gerade Stecken krum scheinet/ daß ein zärtli-
cher Mensch durch eine kleine harte Berüh-
rung grosse Schmertzen empfindet/ daß ein
Stein oder eine von Wachs zubereitete Frucht
wie eine natürliche scheinen u. s. w.

47. Aber was die Sachen selbst anlan-
get/ geschiehet es zuweilen/ daß diese Bildun-
gen sich nicht in der That an ihnen verhalten/
wie wir es uns einbilden/ oder nicht von ver
Ursachen herrühren/ die wir uns bereden/ wie
aus denen itzo angeführten Exempeln gar
leichte kan abgenommen werden.

48. Jedoch muß man deßwegen die Schuld
nicht denen Sinnen geben/ sondern sie liegt

viel-

Das 6. Hauptſtuͤck von denen
(nach unſerer Beſchreibung) betrifft/ muͤſſen
wir zufoͤrderſt die Bildungen oder ſchema-
ta
mit denen Sachen ſelbſt/ davon ſie for-
mi
ret werden/ nicht vermiſchen:

46. Die Bildungen/ das iſt die Bewe-
gungen oder Eindruͤckungen in unſer Gehir-
ne truͤgen uns niemahlen. Alſo iſt z. e. es
warhafftig wahr/ daß uns etwas in denen Oh-
ren klinget/ daß ein viereckter Thurm von fer-
ne rund ſcheinet/ daß der im Waſſer ſteckende
gerade Stecken krum ſcheinet/ daß ein zaͤrtli-
cher Menſch durch eine kleine harte Beruͤh-
rung groſſe Schmertzen empfindet/ daß ein
Stein oder eine von Wachs zubereitete Frucht
wie eine natuͤrliche ſcheinen u. ſ. w.

47. Aber was die Sachen ſelbſt anlan-
get/ geſchiehet es zuweilen/ daß dieſe Bildun-
gen ſich nicht in der That an ihnen verhalten/
wie wir es uns einbilden/ oder nicht von ver
Urſachen herruͤhren/ die wir uns bereden/ wie
aus denen itzo angefuͤhrten Exempeln gar
leichte kan abgenommen werden.

48. Jedoch muß man deßwegen die Schuld
nicht denen Sinnen geben/ ſondern ſie liegt

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[162/0180] Das 6. Hauptſtuͤck von denen (nach unſerer Beſchreibung) betrifft/ muͤſſen wir zufoͤrderſt die Bildungen oder ſchema- ta mit denen Sachen ſelbſt/ davon ſie for- miret werden/ nicht vermiſchen: 46. Die Bildungen/ das iſt die Bewe- gungen oder Eindruͤckungen in unſer Gehir- ne truͤgen uns niemahlen. Alſo iſt z. e. es warhafftig wahr/ daß uns etwas in denen Oh- ren klinget/ daß ein viereckter Thurm von fer- ne rund ſcheinet/ daß der im Waſſer ſteckende gerade Stecken krum ſcheinet/ daß ein zaͤrtli- cher Menſch durch eine kleine harte Beruͤh- rung groſſe Schmertzen empfindet/ daß ein Stein oder eine von Wachs zubereitete Frucht wie eine natuͤrliche ſcheinen u. ſ. w. 47. Aber was die Sachen ſelbſt anlan- get/ geſchiehet es zuweilen/ daß dieſe Bildun- gen ſich nicht in der That an ihnen verhalten/ wie wir es uns einbilden/ oder nicht von ver Urſachen herruͤhren/ die wir uns bereden/ wie aus denen itzo angefuͤhrten Exempeln gar leichte kan abgenommen werden. 48. Jedoch muß man deßwegen die Schuld nicht denen Sinnen geben/ ſondern ſie liegt viel-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/180>, abgerufen am 21.11.2024.