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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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ersten und unbeweißlichen Warh.
griffen werden können/ dem Menschen aber
mehr als einen Sinn dieselbigen zu begreif-
fen mitgetheilet/ so folget nothwendig/ daß in
dijudicirung einer substantz von der ande-
ren er Mensch nicht mit einen Sinn allei-
ne zuplumpen müsse/ sondern alle Sinne/
durch welche er dieselbige zuvor begriffen/
brauchen müsse/ weil er sonst gar leichte einen
Jrrthum begehen kan.

58. Jedoch kan man auch hierinnen keine
gewisse Regul in puncto geben/ sondern man
muß es eines jeden eigener Erfahrung an-
heim stellen. Denn gleich wie sich der Men-
sche offte betrüget/ wenn er eine substantz nur
vermittelst eines einigen Sinnes erkennen
will/ also werden zu allen nicht eben alle fünff
Sinne
erfordert/ sondern manchmahl sind
zwey genung/ manchmahl werden mehr er-
fordert.

59. Ja nach Unterscheid der substantzen
giebt ein Sinn für dem andern bald mehre-
re/ bald weniger Erkäntnüß. Bey den
Steinen und Metallen thut das Gesicht und
Gefühl
das meiste/ bey denen Pflantzen der
Geruch/ bey denen Früchten der Geschmack/
bey denen Thieren das Gehör/ und die

Men-
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erſten und unbeweißlichen Warh.
griffen werden koͤnnen/ dem Menſchen aber
mehr als einen Sinn dieſelbigen zu begreif-
fen mitgetheilet/ ſo folget nothwendig/ daß in
dijudicirung einer ſubſtantz von der ande-
ren er Menſch nicht mit einen Sinn allei-
ne zuplumpen muͤſſe/ ſondern alle Sinne/
durch welche er dieſelbige zuvor begriffen/
brauchen muͤſſe/ weil er ſonſt gar leichte einen
Jrrthum begehen kan.

58. Jedoch kan man auch hierinnen keine
gewiſſe Regul in puncto geben/ ſondern man
muß es eines jeden eigener Erfahrung an-
heim ſtellen. Denn gleich wie ſich der Men-
ſche offte betruͤget/ wenn er eine ſubſtantz nur
vermittelſt eines einigen Sinnes erkennen
will/ alſo werden zu allen nicht eben alle fuͤnff
Sinne
erfordert/ ſondern manchmahl ſind
zwey genung/ manchmahl werden mehr er-
fordert.

59. Ja nach Unterſcheid der ſubſtantzen
giebt ein Sinn fuͤr dem andern bald mehre-
re/ bald weniger Erkaͤntnuͤß. Bey den
Steinen und Metallen thut das Geſicht und
Gefuͤhl
das meiſte/ bey denen Pflantzen der
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Men-
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[165/0183] erſten und unbeweißlichen Warh. griffen werden koͤnnen/ dem Menſchen aber mehr als einen Sinn dieſelbigen zu begreif- fen mitgetheilet/ ſo folget nothwendig/ daß in dijudicirung einer ſubſtantz von der ande- ren er Menſch nicht mit einen Sinn allei- ne zuplumpen muͤſſe/ ſondern alle Sinne/ durch welche er dieſelbige zuvor begriffen/ brauchen muͤſſe/ weil er ſonſt gar leichte einen Jrrthum begehen kan. 58. Jedoch kan man auch hierinnen keine gewiſſe Regul in puncto geben/ ſondern man muß es eines jeden eigener Erfahrung an- heim ſtellen. Denn gleich wie ſich der Men- ſche offte betruͤget/ wenn er eine ſubſtantz nur vermittelſt eines einigen Sinnes erkennen will/ alſo werden zu allen nicht eben alle fuͤnff Sinne erfordert/ ſondern manchmahl ſind zwey genung/ manchmahl werden mehr er- fordert. 59. Ja nach Unterſcheid der ſubſtantzen giebt ein Sinn fuͤr dem andern bald mehre- re/ bald weniger Erkaͤntnuͤß. Bey den Steinen und Metallen thut das Geſicht und Gefuͤhl das meiſte/ bey denen Pflantzen der Geruch/ bey denen Fruͤchten der Geſchmack/ bey denen Thieren das Gehoͤr/ und die Men- L 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/183>, abgerufen am 21.11.2024.