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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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und unwahrscheinlichen Dingen.
terscheid machen/ so schickt sich doch auch dieses
sehr übel für die Vernunfft-Lehre.

36. Denn es können auch Fürsten sich selbst
und andere betrügen/ und gleichwie die ar-
chiva
einander öffters zu wieder sind/ also schi-
cken sie sich zur Richtschnur der Wahrschein-
ligkeit und Unwahrscheinligkeit hier gar nicht.

37. Jch weiß ja wohl/ daß die archive völ-
lig beweises/ die Gesetze der Richtschnur der
Unterthanen seyn/ in zweyer oder dreyer
Zeugen
Munde die Warheit bestehe/ u. s. w.

38. Aber ich weiß auch/ daß die Gesetze
nicht die Richtschnur des Verstandes/ sondern
des Willens sind/ und daß ein grosser Unter-
scheid inter verosimile Logicum & Politicum,
oder deutlicher zureden/ unter wahrscheinlich
seyn/ und für wahrscheinlich müssen gehal-
ten werden/
müsse gemacht werden.

39. Und also wird man hierinnen das mei-
ste eines jeden seiner Klugheit anheim stellen
müssen/ die aus Erkäntnüß anderer Men-
schen
entstehet/ denn daraus kan er leichte ab-
nehmen/ ob von denen testantibus, es mögen
nun derer wenig oder viel seyn/ das Vermö-
gen und Willen wahr zu sagen starck oder we-
nig zu praesumiren seyn.

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und unwahrſcheinlichen Dingen.
terſcheid machen/ ſo ſchickt ſich doch auch dieſes
ſehr uͤbel fuͤr die Vernunfft-Lehre.

36. Denn es koͤnnen auch Fuͤrſten ſich ſelbſt
und andere betruͤgen/ und gleichwie die ar-
chiva
einander oͤffters zu wieder ſind/ alſo ſchi-
cken ſie ſich zur Richtſchnur der Wahrſchein-
ligkeit und Unwahrſcheinligkeit hier gar nicht.

37. Jch weiß ja wohl/ daß die archive voͤl-
lig beweiſes/ die Geſetze der Richtſchnur der
Unterthanen ſeyn/ in zweyer oder dreyer
Zeugen
Munde die Warheit beſtehe/ u. ſ. w.

38. Aber ich weiß auch/ daß die Geſetze
nicht die Richtſchnur des Verſtandes/ ſondern
des Willens ſind/ und daß ein groſſer Unter-
ſcheid inter veroſimile Logicum & Politicum,
oder deutlicher zureden/ unter wahrſcheinlich
ſeyn/ und fuͤr wahrſcheinlich muͤſſen gehal-
ten werden/
muͤſſe gemacht werden.

39. Und alſo wird man hierinnen das mei-
ſte eines jeden ſeiner Klugheit anheim ſtellen
muͤſſen/ die aus Erkaͤntnuͤß anderer Men-
ſchen
entſtehet/ denn daraus kan er leichte ab-
nehmen/ ob von denen teſtantibus, es moͤgen
nun derer wenig oder viel ſeyn/ das Vermoͤ-
gen und Willen wahr zu ſagen ſtarck oder we-
nig zu præſumiren ſeyn.

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[229/0247] und unwahrſcheinlichen Dingen. terſcheid machen/ ſo ſchickt ſich doch auch dieſes ſehr uͤbel fuͤr die Vernunfft-Lehre. 36. Denn es koͤnnen auch Fuͤrſten ſich ſelbſt und andere betruͤgen/ und gleichwie die ar- chiva einander oͤffters zu wieder ſind/ alſo ſchi- cken ſie ſich zur Richtſchnur der Wahrſchein- ligkeit und Unwahrſcheinligkeit hier gar nicht. 37. Jch weiß ja wohl/ daß die archive voͤl- lig beweiſes/ die Geſetze der Richtſchnur der Unterthanen ſeyn/ in zweyer oder dreyer Zeugen Munde die Warheit beſtehe/ u. ſ. w. 38. Aber ich weiß auch/ daß die Geſetze nicht die Richtſchnur des Verſtandes/ ſondern des Willens ſind/ und daß ein groſſer Unter- ſcheid inter veroſimile Logicum & Politicum, oder deutlicher zureden/ unter wahrſcheinlich ſeyn/ und fuͤr wahrſcheinlich muͤſſen gehal- ten werden/ muͤſſe gemacht werden. 39. Und alſo wird man hierinnen das mei- ſte eines jeden ſeiner Klugheit anheim ſtellen muͤſſen/ die aus Erkaͤntnuͤß anderer Men- ſchen entſtehet/ denn daraus kan er leichte ab- nehmen/ ob von denen teſtantibus, es moͤgen nun derer wenig oder viel ſeyn/ das Vermoͤ- gen und Willen wahr zu ſagen ſtarck oder we- nig zu præſumiren ſeyn. 40. A- P 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/247>, abgerufen am 19.05.2024.