Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

und unwahrscheinlichen Dingen.
hörenden (nehmlich in Sachen/ die mehr durch
das Gesicht als das Gehör erkant werden.)

44. Oder wenn man per testem auri-
tum
den verstehet/ der de auditu alieno depo-
nirt,
so ist kein Zweiffel/ daß auch die stärckste
Wahrscheinligkeit alleit sich immer mehr und
mehr verliere/ je durch mehr Mittels-Perso-
nen
das testimonium experientiae auf mich
gebracht worden.

45. Damit aber gleichwohl zum wenigsten
eine gute Regel von der aus Menschlichen
Zeugnüß herrührenden Wahrscheinligkeit an
die Hand gegeben werde/ so scheinet diese gantz
offenbahr zu seyn: Wenn zwey oder drey
Menschen von einer Sache/ die unmittel-
bar
ab experientia dependirt, zu gleicher
Zeit ein Zeugnüß ablegen/ und zu erwei-
sen ist/ daß sie miteinander keine Abrede
nehmen können/ so ist die Sache in dem
höchsten Grad warscheinlich/ und der War-
heit am nähesten.

46. Denn die Warheit ist nur eine/ die
Lügen aber vielfältig/ und ist dannenhero fast
nicht möglich/ daß zwey oder drey Leute über-
einstimmen/ und doch lügen solten.

47. De-
P 4

und unwahrſcheinlichen Dingen.
hoͤrenden (nehmlich in Sachen/ die mehr durch
das Geſicht als das Gehoͤr erkant werden.)

44. Oder wenn man per teſtem auri-
tum
den verſtehet/ der de auditu alieno depo-
nirt,
ſo iſt kein Zweiffel/ daß auch die ſtaͤrckſte
Wahrſcheinligkeit alleit ſich immer mehr und
mehr verliere/ je durch mehr Mittels-Perſo-
nen
das teſtimonium experientiæ auf mich
gebracht worden.

45. Damit aber gleichwohl zum wenigſten
eine gute Regel von der aus Menſchlichen
Zeugnuͤß herruͤhrenden Wahrſcheinligkeit an
die Hand gegeben werde/ ſo ſcheinet dieſe gantz
offenbahr zu ſeyn: Wenn zwey oder drey
Menſchen von einer Sache/ die unmittel-
bar
ab experientia dependirt, zu gleicher
Zeit ein Zeugnuͤß ablegen/ und zu erwei-
ſen iſt/ daß ſie miteinander keine Abrede
nehmen koͤnnen/ ſo iſt die Sache in dem
hoͤchſten Grad warſcheinlich/ und der War-
heit am naͤheſten.

46. Denn die Warheit iſt nur eine/ die
Luͤgen aber vielfaͤltig/ und iſt dannenhero faſt
nicht moͤglich/ daß zwey oder drey Leute uͤber-
einſtimmen/ und doch luͤgen ſolten.

47. De-
P 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0249" n="231"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und unwahr&#x017F;cheinlichen Dingen.</hi></fw><lb/>
ho&#x0364;renden (nehmlich in Sachen/ die mehr durch<lb/>
das Ge&#x017F;icht als das Geho&#x0364;r erkant werden.)</p><lb/>
        <p>44. Oder wenn man <hi rendition="#aq">per te&#x017F;tem auri-<lb/>
tum</hi> den ver&#x017F;tehet/ der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">de auditu alieno depo-<lb/>
nirt,</hi></hi> &#x017F;o i&#x017F;t kein Zweiffel/ daß auch die &#x017F;ta&#x0364;rck&#x017F;te<lb/>
Wahr&#x017F;cheinligkeit alleit &#x017F;ich immer mehr und<lb/>
mehr verliere/ je durch mehr <hi rendition="#fr">Mittels-Per&#x017F;o-<lb/>
nen</hi> das <hi rendition="#aq">te&#x017F;timonium experientiæ</hi> auf mich<lb/>
gebracht worden.</p><lb/>
        <p>45. Damit aber gleichwohl zum wenig&#x017F;ten<lb/>
eine gute Regel von der aus Men&#x017F;chlichen<lb/>
Zeugnu&#x0364;ß herru&#x0364;hrenden Wahr&#x017F;cheinligkeit an<lb/>
die Hand gegeben werde/ &#x017F;o &#x017F;cheinet die&#x017F;e gantz<lb/>
offenbahr zu &#x017F;eyn: <hi rendition="#fr">Wenn zwey oder drey<lb/>
Men&#x017F;chen von einer Sache/ die unmittel-<lb/>
bar</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ab experientia dependirt,</hi></hi> zu gleicher<lb/>
Zeit ein Zeugnu&#x0364;ß ablegen/ und zu erwei-<lb/>
&#x017F;en i&#x017F;t/ daß &#x017F;ie miteinander keine Abrede<lb/>
nehmen ko&#x0364;nnen/ &#x017F;o i&#x017F;t die Sache in dem<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad war&#x017F;cheinlich/ und der War-<lb/>
heit am na&#x0364;he&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>46. Denn die Warheit i&#x017F;t nur eine/ die<lb/>
Lu&#x0364;gen aber vielfa&#x0364;ltig/ und i&#x017F;t dannenhero fa&#x017F;t<lb/>
nicht mo&#x0364;glich/ daß zwey oder drey Leute u&#x0364;ber-<lb/>
ein&#x017F;timmen/ und doch lu&#x0364;gen &#x017F;olten.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">P 4</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">47. De-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0249] und unwahrſcheinlichen Dingen. hoͤrenden (nehmlich in Sachen/ die mehr durch das Geſicht als das Gehoͤr erkant werden.) 44. Oder wenn man per teſtem auri- tum den verſtehet/ der de auditu alieno depo- nirt, ſo iſt kein Zweiffel/ daß auch die ſtaͤrckſte Wahrſcheinligkeit alleit ſich immer mehr und mehr verliere/ je durch mehr Mittels-Perſo- nen das teſtimonium experientiæ auf mich gebracht worden. 45. Damit aber gleichwohl zum wenigſten eine gute Regel von der aus Menſchlichen Zeugnuͤß herruͤhrenden Wahrſcheinligkeit an die Hand gegeben werde/ ſo ſcheinet dieſe gantz offenbahr zu ſeyn: Wenn zwey oder drey Menſchen von einer Sache/ die unmittel- bar ab experientia dependirt, zu gleicher Zeit ein Zeugnuͤß ablegen/ und zu erwei- ſen iſt/ daß ſie miteinander keine Abrede nehmen koͤnnen/ ſo iſt die Sache in dem hoͤchſten Grad warſcheinlich/ und der War- heit am naͤheſten. 46. Denn die Warheit iſt nur eine/ die Luͤgen aber vielfaͤltig/ und iſt dannenhero faſt nicht moͤglich/ daß zwey oder drey Leute uͤber- einſtimmen/ und doch luͤgen ſolten. 47. De- P 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/249
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/249>, abgerufen am 19.05.2024.