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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Das 12. Hauptstück
jenen Kerl/ der sich verschwure/ er wolte nicht
eher ins Wasser kommen/ biß er schwimmen
könte? Also verschweren sich viel Gelehrte/
sie wolten nicht eher die disciplin, welche de
primis principiis
handelt/ ansehen/ biß sie ver-
mittelst der Syllogistica hätten gelernet neue
Warheiten erfinden.

19. Jst es nicht wahr/ es mag ein Syllo-
gismus Categoricus
oder Hypotheticus,
oder eine Inductio oder ein Sorites u. s. w.
in forma noch so richtig seyn/ so können doch
alle propositiones desselbigen in Grunde
falsch seyn.

20. Und wiederum kan ein Syllogismus
in forma
gantz nichts taugen/ und doch alle
drey propositiones desselbigen wahr seyn.

21. Mache mir doch einen Syllogismum,
wenn du nicht drey terminos oder eine pro-
position
und dererselben ration hast. Also
siehest du/ daß du die Warheit eher haben
must/ eher du einen Syllogismum machen kanst/
und daß der Syllogismus kein Mittel zu Er-
findung der Warheit/ sondern nur eine Mode
sey/ die erfundene Warheit in Ordnung zu-
bringen oder zu zieren.

22. Und zwar eine solche Mode/ die mehr

in

Das 12. Hauptſtuͤck
jenen Kerl/ der ſich verſchwure/ er wolte nicht
eher ins Waſſer kommen/ biß er ſchwimmen
koͤnte? Alſo verſchweren ſich viel Gelehrte/
ſie wolten nicht eher die diſciplin, welche de
primis principiis
handelt/ anſehen/ biß ſie ver-
mittelſt der Syllogiſtica haͤtten gelernet neue
Warheiten erfinden.

19. Jſt es nicht wahr/ es mag ein Syllo-
giſmus Categoricus
oder Hypotheticus,
oder eine Inductio oder ein Sorites u. ſ. w.
in forma noch ſo richtig ſeyn/ ſo koͤnnen doch
alle propoſitiones deſſelbigen in Grunde
falſch ſeyn.

20. Und wiederum kan ein Syllogiſmus
in forma
gantz nichts taugen/ und doch alle
drey propoſitiones deſſelbigen wahr ſeyn.

21. Mache mir doch einen Syllogiſmum,
wenn du nicht drey terminos oder eine pro-
poſition
und dererſelben ration haſt. Alſo
ſieheſt du/ daß du die Warheit eher haben
muſt/ eher du einen Syllogiſmum machen kanſt/
und daß der Syllogiſmus kein Mittel zu Er-
findung der Warheit/ ſondern nur eine Mode
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bringen oder zu zieren.

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[270/0288] Das 12. Hauptſtuͤck jenen Kerl/ der ſich verſchwure/ er wolte nicht eher ins Waſſer kommen/ biß er ſchwimmen koͤnte? Alſo verſchweren ſich viel Gelehrte/ ſie wolten nicht eher die diſciplin, welche de primis principiis handelt/ anſehen/ biß ſie ver- mittelſt der Syllogiſtica haͤtten gelernet neue Warheiten erfinden. 19. Jſt es nicht wahr/ es mag ein Syllo- giſmus Categoricus oder Hypotheticus, oder eine Inductio oder ein Sorites u. ſ. w. in forma noch ſo richtig ſeyn/ ſo koͤnnen doch alle propoſitiones deſſelbigen in Grunde falſch ſeyn. 20. Und wiederum kan ein Syllogiſmus in forma gantz nichts taugen/ und doch alle drey propoſitiones deſſelbigen wahr ſeyn. 21. Mache mir doch einen Syllogiſmum, wenn du nicht drey terminos oder eine pro- poſition und dererſelben ration haſt. Alſo ſieheſt du/ daß du die Warheit eher haben muſt/ eher du einen Syllogiſmum machen kanſt/ und daß der Syllogiſmus kein Mittel zu Er- findung der Warheit/ ſondern nur eine Mode ſey/ die erfundene Warheit in Ordnung zu- bringen oder zu zieren. 22. Und zwar eine ſolche Mode/ die mehr in

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/288>, abgerufen am 28.11.2024.