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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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sie sich bemühen, die Verbesserung derer Processe, den Rathschlägen ihrer Vorfahren und dem Alterthum ohne Schaden, zu Stande zu bringen, so schaden sie dadurch mehr, als daß sie helffen solten. Nun sind die lebhaftigen und muntern Köpffe noch übrig, welche, wenn sie von Natur einige Beständigkeit und Vorsicht haben, die geheimen Ursachen eines Ubels eher ergründen, als die andern, auch ohne tieffe und langweilige Untersuchung dasjenige, so ein Rathschlag nach sich ziehen dürffte, vorher sehen, und also sowohl zu Heilung des Leibes, als zu denen Rathschlägen von Verbesserung des Gemüths, Hauswesens und Regiments, in geistlichen und weltlichen, besondern und öffentlichen, bürgerlichen und peinlichen Handlungen am geschicktesten sind.

§. V. Die Betrachtung von dem Verstande giebt uns nun auch2 Eine fröliche Gemüths-Neigung doch die niemand schadet. die Frage an die Hand, was einer, in Ansehung des Willens, von Natur vor eine Gemüths-Neigung haben müsse, wenn er heilsame Rathschläge mit Nutzen beytragen soll. Warum die langsamen Köpffe hierzu nicht taugen, ist schon erwiesen worden: Die Langsamkeit ist ein Merckmahl des Geitzes und der Melancholie, obgleich darunter etwas vom Zorn und Ehrgeitz mit ist. Bey dergleichen Leuten ist dieses Ubel, welches wir heben wollen, jung worden, und durch selbige hat es immer weiter um sich gegriffen, dahero man sich von ihnen so leicht keiner Verbesserung zu getrösten, ob sie wohl vielleicht, wenn sie erst einmahl zu Stande gebracht wäre, zu deren Erhaltung nicht untüchtig seyn würden. Die fertigen, aber dabey flüchtigen ingenia zeigen zwar ein lustiges und von Melancholie an sich selbst freyes Temperament an, allein wenn die Ehr-Begierde solches nicht mäßiget, sonderlich aber wenn es mit Geld-Geitz vermischt ist, ist es unbeständig, und folglich sowohl einen gescheiden Rath zu geben, als ins Werck zu richten, höchst unfähig, (es sey dann, daß sie aus Furcht für andern zum guten einiger massen angetrieben werden.) Und das sind fürnemlich diejenigen, welche, da sie wegen derer abwechselnden Bewegung der Frölichkeit und Melancholie eine grosse Unbeständigkeit haben, bald freygebig sind, und denen alles hingeben, denen sie nicht geben solten, bald wiederum sich als die kärgsten Filtze aufführen, wenn sie gleich die Erbarkeit, Barmhertzigkeit und Gerechtigkeit zu geben antreiben solte. Es bringet diese Mixtur einen solchen Unverstand zuwege, daß die Menschen ihre Ungerechtigkeit nicht verbergen, noch sich vor der daraus erwachsenden Schande fürchten, sondern wohl gar, wenn sie nur Geld zusammen scharren, oder wenigstens ersparen können, auch ihre Eltern, Kinder und Vaterland verrathen solten. Hier siehet man zugleich,

sie sich bemühen, die Verbesserung derer Processe, den Rathschlägen ihrer Vorfahren und dem Alterthum ohne Schaden, zu Stande zu bringen, so schaden sie dadurch mehr, als daß sie helffen solten. Nun sind die lebhaftigen und muntern Köpffe noch übrig, welche, wenn sie von Natur einige Beständigkeit und Vorsicht haben, die geheimen Ursachen eines Ubels eher ergründen, als die andern, auch ohne tieffe und langweilige Untersuchung dasjenige, so ein Rathschlag nach sich ziehen dürffte, vorher sehen, und also sowohl zu Heilung des Leibes, als zu denen Rathschlägen von Verbesserung des Gemüths, Hauswesens und Regiments, in geistlichen und weltlichen, besondern und öffentlichen, bürgerlichen und peinlichen Handlungen am geschicktesten sind.

§. V. Die Betrachtung von dem Verstande giebt uns nun auch2 Eine fröliche Gemüths-Neigung doch die niemand schadet. die Frage an die Hand, was einer, in Ansehung des Willens, von Natur vor eine Gemüths-Neigung haben müsse, wenn er heilsame Rathschläge mit Nutzen beytragen soll. Warum die langsamen Köpffe hierzu nicht taugen, ist schon erwiesen worden: Die Langsamkeit ist ein Merckmahl des Geitzes und der Melancholie, obgleich darunter etwas vom Zorn und Ehrgeitz mit ist. Bey dergleichen Leuten ist dieses Ubel, welches wir heben wollen, jung worden, und durch selbige hat es immer weiter um sich gegriffen, dahero man sich von ihnen so leicht keiner Verbesserung zu getrösten, ob sie wohl vielleicht, wenn sie erst einmahl zu Stande gebracht wäre, zu deren Erhaltung nicht untüchtig seyn würden. Die fertigen, aber dabey flüchtigen ingenia zeigen zwar ein lustiges und von Melancholie an sich selbst freyes Temperament an, allein wenn die Ehr-Begierde solches nicht mäßiget, sonderlich aber wenn es mit Geld-Geitz vermischt ist, ist es unbeständig, und folglich sowohl einen gescheiden Rath zu geben, als ins Werck zu richten, höchst unfähig, (es sey dann, daß sie aus Furcht für andern zum guten einiger massen angetrieben werden.) Und das sind fürnemlich diejenigen, welche, da sie wegen derer abwechselnden Bewegung der Frölichkeit und Melancholie eine grosse Unbeständigkeit haben, bald freygebig sind, und denen alles hingeben, denen sie nicht geben solten, bald wiederum sich als die kärgsten Filtze aufführen, wenn sie gleich die Erbarkeit, Barmhertzigkeit und Gerechtigkeit zu geben antreiben solte. Es bringet diese Mixtur einen solchen Unverstand zuwege, daß die Menschen ihre Ungerechtigkeit nicht verbergen, noch sich vor der daraus erwachsenden Schande fürchten, sondern wohl gar, wenn sie nur Geld zusammen scharren, oder wenigstens ersparen können, auch ihre Eltern, Kinder und Vaterland verrathen solten. Hier siehet man zugleich,

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[167/0175] sie sich bemühen, die Verbesserung derer Processe, den Rathschlägen ihrer Vorfahren und dem Alterthum ohne Schaden, zu Stande zu bringen, so schaden sie dadurch mehr, als daß sie helffen solten. Nun sind die lebhaftigen und muntern Köpffe noch übrig, welche, wenn sie von Natur einige Beständigkeit und Vorsicht haben, die geheimen Ursachen eines Ubels eher ergründen, als die andern, auch ohne tieffe und langweilige Untersuchung dasjenige, so ein Rathschlag nach sich ziehen dürffte, vorher sehen, und also sowohl zu Heilung des Leibes, als zu denen Rathschlägen von Verbesserung des Gemüths, Hauswesens und Regiments, in geistlichen und weltlichen, besondern und öffentlichen, bürgerlichen und peinlichen Handlungen am geschicktesten sind. §. V. Die Betrachtung von dem Verstande giebt uns nun auch die Frage an die Hand, was einer, in Ansehung des Willens, von Natur vor eine Gemüths-Neigung haben müsse, wenn er heilsame Rathschläge mit Nutzen beytragen soll. Warum die langsamen Köpffe hierzu nicht taugen, ist schon erwiesen worden: Die Langsamkeit ist ein Merckmahl des Geitzes und der Melancholie, obgleich darunter etwas vom Zorn und Ehrgeitz mit ist. Bey dergleichen Leuten ist dieses Ubel, welches wir heben wollen, jung worden, und durch selbige hat es immer weiter um sich gegriffen, dahero man sich von ihnen so leicht keiner Verbesserung zu getrösten, ob sie wohl vielleicht, wenn sie erst einmahl zu Stande gebracht wäre, zu deren Erhaltung nicht untüchtig seyn würden. Die fertigen, aber dabey flüchtigen ingenia zeigen zwar ein lustiges und von Melancholie an sich selbst freyes Temperament an, allein wenn die Ehr-Begierde solches nicht mäßiget, sonderlich aber wenn es mit Geld-Geitz vermischt ist, ist es unbeständig, und folglich sowohl einen gescheiden Rath zu geben, als ins Werck zu richten, höchst unfähig, (es sey dann, daß sie aus Furcht für andern zum guten einiger massen angetrieben werden.) Und das sind fürnemlich diejenigen, welche, da sie wegen derer abwechselnden Bewegung der Frölichkeit und Melancholie eine grosse Unbeständigkeit haben, bald freygebig sind, und denen alles hingeben, denen sie nicht geben solten, bald wiederum sich als die kärgsten Filtze aufführen, wenn sie gleich die Erbarkeit, Barmhertzigkeit und Gerechtigkeit zu geben antreiben solte. Es bringet diese Mixtur einen solchen Unverstand zuwege, daß die Menschen ihre Ungerechtigkeit nicht verbergen, noch sich vor der daraus erwachsenden Schande fürchten, sondern wohl gar, wenn sie nur Geld zusammen scharren, oder wenigstens ersparen können, auch ihre Eltern, Kinder und Vaterland verrathen solten. Hier siehet man zugleich, 2 Eine fröliche Gemüths-Neigung doch die niemand schadet.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/175>, abgerufen am 21.11.2024.