Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.hiervon insgesamt anderswo mit mehrern gehandelt habe, so halte ich vor unnöthig, mich dabey vorjetzo länger aufzuhalten. §. IX. Doch alles dieses ist nicht genug zur Klugheit zu rathen, ob man es gleich als nöthige Dinge zum Grunde setzet. Sondern es ist vonnöthen, die Lehre der Klugheit selbst wohl zu begreiffen. Denn wie kan ein Unverständiger Consilia geben? Wie wird er zur Klugheit kommen ohne klare und deutliche Lehren? Wie wird er die Jurisprudenz, als einen absonderlichen Theil der Klugheit, fassen, wenn ihm die gemeinen und absonderlichen Grundsätze der Klugheit unbekannt bleiben? wenn er nicht eigentlich weiß, wie die Richterliche Klugheit von der Klugheit eines Rathgebers, und wie die politische oder die Klugheit, Gesetze zu geben, von denen vorigen beyden unterschieden sey. Dieses alles solte die Politic lehren, auch eben diese disciplin solte auf Universitäten die öberste und vornehmste seyn. Denn was hilfft es dem Fürsten und der Republique, daß auf allen Universitäten so viel Lehrer mit nicht geringen Kosten gehalten werden, wenn sie zwar der Jugend andere Künste und Wissenschafften beybringen, die Klugheit aber vergessen. Da zumahl die Narrheit dem gemeinen Wesen desto unerträglicher und schädlicher ist, wenn sie mit einer solchen Gelehrsamkeit nach der gemeinen Manier verknüpfft worden. Allein das sind Dinge, die geschehen solten. Nun hat man aber auf Academien schon von vielen Jahren her gelehret, man könne von der Klugheit und absonderlich von der Klugheit zu rathen, als welche mit zukünfftigen Dingen zu thun habe, keine gewissen Grundsätze geben, die Klugheit der Läyen sey sehr verdorben, sie müsse ihre Reguln aus der heiligen Schrifft, und zwar nach der alleinigen Erklährung der Papistischen oder Papenzenden Clerisey, hernehmen, die Studiosi aber müsten zu Erfindung dergleichen principiorum vornehmlich zwey Tugenden besitzen, nemlich die Leichtgläubigkeit und einen blinden Gehorsam u. s. w. Und wiewohl man auf denen Academien derer protestirenden Fürsten dergleichen dumme Lehren nicht mehr vorbringet, so ist doch biß anhero der Mangel der wahren Lehre von der Klugheit nicht ersetzet worden, biß letzlich der berühmte s) Tractatu de civili prudentia.Medicus zu Helmstädt Hermannus Conringius dem die Klugheit und Jurisprudenz viel zu dancken, anfienge, die Philosophen von ihrem Schlafzu ermuntern und selbst ein wenig durchzubrechen, s) nachhero aber, und t) vide prud. Consult. & in spec. Jurispt. Judic. c. 3. med. 4.da die Philosophen noch immer stille schwiegen und ein so nützlich und nöthig Werck vollends zu stande zu bringen vieler Ursachen wegen verweileten, einige Juristen t) nicht unbillig die ersten Grundsätze der Klugheit überhaupt und denn der zum Rathgeben u. Richten gehörigen Klugheit inson hiervon insgesamt anderswo mit mehrern gehandelt habe, so halte ich vor unnöthig, mich dabey vorjetzo länger aufzuhalten. §. IX. Doch alles dieses ist nicht genug zur Klugheit zu rathen, ob man es gleich als nöthige Dinge zum Grunde setzet. Sondern es ist vonnöthen, die Lehre der Klugheit selbst wohl zu begreiffen. Denn wie kan ein Unverständiger Consilia geben? Wie wird er zur Klugheit kommen ohne klare und deutliche Lehren? Wie wird er die Jurisprudenz, als einen absonderlichen Theil der Klugheit, fassen, wenn ihm die gemeinen und absonderlichen Grundsätze der Klugheit unbekannt bleiben? wenn er nicht eigentlich weiß, wie die Richterliche Klugheit von der Klugheit eines Rathgebers, und wie die politische oder die Klugheit, Gesetze zu geben, von denen vorigen beyden unterschieden sey. Dieses alles solte die Politic lehren, auch eben diese disciplin solte auf Universitäten die öberste und vornehmste seyn. Denn was hilfft es dem Fürsten und der Republique, daß auf allen Universitäten so viel Lehrer mit nicht geringen Kosten gehalten werden, wenn sie zwar der Jugend andere Künste und Wissenschafften beybringen, die Klugheit aber vergessen. Da zumahl die Narrheit dem gemeinen Wesen desto unerträglicher und schädlicher ist, wenn sie mit einer solchen Gelehrsamkeit nach der gemeinen Manier verknüpfft worden. Allein das sind Dinge, die geschehen solten. Nun hat man aber auf Academien schon von vielen Jahren her gelehret, man könne von der Klugheit und absonderlich von der Klugheit zu rathen, als welche mit zukünfftigen Dingen zu thun habe, keine gewissen Grundsätze geben, die Klugheit der Läyen sey sehr verdorben, sie müsse ihre Reguln aus der heiligen Schrifft, und zwar nach der alleinigen Erklährung der Papistischen oder Papenzenden Clerisey, hernehmen, die Studiosi aber müsten zu Erfindung dergleichen principiorum vornehmlich zwey Tugenden besitzen, nemlich die Leichtgläubigkeit und einen blinden Gehorsam u. s. w. Und wiewohl man auf denen Academien derer protestirenden Fürsten dergleichen dumme Lehren nicht mehr vorbringet, so ist doch biß anhero der Mangel der wahren Lehre von der Klugheit nicht ersetzet worden, biß letzlich der berühmte s) Tractatu de civili prudentia.Medicus zu Helmstädt Hermannus Conringius dem die Klugheit und Jurisprudenz viel zu dancken, anfienge, die Philosophẽ von ihrem Schlafzu ermuntern und selbst ein wenig durchzubrechen, s) nachhero aber, und t) vide prud. Consult. & in spec. Jurispt. Judic. c. 3. med. 4.da die Philosophen noch immer stille schwiegen und ein so nützlich und nöthig Werck vollends zu stande zu bringen vieler Ursachen wegen verweileten, einige Juristen t) nicht unbillig die ersten Grundsätze der Klugheit überhaupt und denn der zum Rathgeben u. Richten gehörigen Klugheit inson <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0180" n="172"/> hiervon insgesamt anderswo mit mehrern gehandelt habe, so halte ich vor unnöthig, mich dabey vorjetzo länger aufzuhalten.</p> <note place="left">6) Ferner / die gemeinesten Grnndlehren der Klugheit sich und andern wohl zu rathen.</note> <p>§. IX. Doch alles dieses ist nicht genug zur Klugheit zu rathen, ob man es gleich als nöthige Dinge zum Grunde setzet. Sondern es ist vonnöthen, die Lehre der Klugheit selbst wohl zu begreiffen. Denn wie kan ein Unverständiger Consilia geben? Wie wird er zur Klugheit kommen ohne klare und deutliche Lehren? Wie wird er die Jurisprudenz, als einen absonderlichen Theil der Klugheit, fassen, wenn ihm die gemeinen und absonderlichen Grundsätze der Klugheit unbekannt bleiben? wenn er nicht eigentlich weiß, wie die Richterliche Klugheit von der Klugheit eines Rathgebers, und wie die politische oder die Klugheit, Gesetze zu geben, von denen vorigen beyden unterschieden sey. Dieses alles solte die Politic lehren, auch eben diese disciplin solte auf Universitäten die öberste und vornehmste seyn. Denn was hilfft es dem Fürsten und der Republique, daß auf allen Universitäten so viel Lehrer mit nicht geringen Kosten gehalten werden, wenn sie zwar der Jugend andere Künste und Wissenschafften beybringen, die Klugheit aber vergessen. Da zumahl die Narrheit dem gemeinen Wesen desto unerträglicher und schädlicher ist, wenn sie mit einer solchen Gelehrsamkeit nach der gemeinen Manier verknüpfft worden. Allein das sind Dinge, die geschehen solten. Nun hat man aber auf Academien schon von vielen Jahren her gelehret, man könne von der Klugheit und absonderlich von der Klugheit zu rathen, als welche mit zukünfftigen Dingen zu thun habe, keine gewissen Grundsätze geben, die Klugheit der Läyen sey sehr verdorben, sie müsse ihre Reguln aus der heiligen Schrifft, und zwar nach der alleinigen Erklährung der Papistischen oder Papenzenden Clerisey, hernehmen, die Studiosi aber müsten zu Erfindung dergleichen principiorum vornehmlich zwey Tugenden besitzen, nemlich die Leichtgläubigkeit und einen blinden Gehorsam u. s. w. Und wiewohl man auf denen Academien derer protestirenden Fürsten dergleichen dumme Lehren nicht mehr vorbringet, so ist doch biß anhero der Mangel der wahren Lehre von der Klugheit nicht ersetzet worden, biß letzlich der berühmte <note place="left">s) Tractatu de civili prudentia.</note>Medicus zu Helmstädt Hermannus Conringius dem die Klugheit und Jurisprudenz viel zu dancken, anfienge, die Philosophẽ von ihrem Schlafzu ermuntern und selbst ein wenig durchzubrechen, s) nachhero aber, und <note place="left">t) vide prud. Consult. & in spec. Jurispt. Judic. c. 3. med. 4.</note>da die Philosophen noch immer stille schwiegen und ein so nützlich und nöthig Werck vollends zu stande zu bringen vieler Ursachen wegen verweileten, einige Juristen t) nicht unbillig die ersten Grundsätze der Klugheit überhaupt und denn der zum Rathgeben u. Richten gehörigen Klugheit inson </p> </div> </body> </text> </TEI> [172/0180]
hiervon insgesamt anderswo mit mehrern gehandelt habe, so halte ich vor unnöthig, mich dabey vorjetzo länger aufzuhalten.
§. IX. Doch alles dieses ist nicht genug zur Klugheit zu rathen, ob man es gleich als nöthige Dinge zum Grunde setzet. Sondern es ist vonnöthen, die Lehre der Klugheit selbst wohl zu begreiffen. Denn wie kan ein Unverständiger Consilia geben? Wie wird er zur Klugheit kommen ohne klare und deutliche Lehren? Wie wird er die Jurisprudenz, als einen absonderlichen Theil der Klugheit, fassen, wenn ihm die gemeinen und absonderlichen Grundsätze der Klugheit unbekannt bleiben? wenn er nicht eigentlich weiß, wie die Richterliche Klugheit von der Klugheit eines Rathgebers, und wie die politische oder die Klugheit, Gesetze zu geben, von denen vorigen beyden unterschieden sey. Dieses alles solte die Politic lehren, auch eben diese disciplin solte auf Universitäten die öberste und vornehmste seyn. Denn was hilfft es dem Fürsten und der Republique, daß auf allen Universitäten so viel Lehrer mit nicht geringen Kosten gehalten werden, wenn sie zwar der Jugend andere Künste und Wissenschafften beybringen, die Klugheit aber vergessen. Da zumahl die Narrheit dem gemeinen Wesen desto unerträglicher und schädlicher ist, wenn sie mit einer solchen Gelehrsamkeit nach der gemeinen Manier verknüpfft worden. Allein das sind Dinge, die geschehen solten. Nun hat man aber auf Academien schon von vielen Jahren her gelehret, man könne von der Klugheit und absonderlich von der Klugheit zu rathen, als welche mit zukünfftigen Dingen zu thun habe, keine gewissen Grundsätze geben, die Klugheit der Läyen sey sehr verdorben, sie müsse ihre Reguln aus der heiligen Schrifft, und zwar nach der alleinigen Erklährung der Papistischen oder Papenzenden Clerisey, hernehmen, die Studiosi aber müsten zu Erfindung dergleichen principiorum vornehmlich zwey Tugenden besitzen, nemlich die Leichtgläubigkeit und einen blinden Gehorsam u. s. w. Und wiewohl man auf denen Academien derer protestirenden Fürsten dergleichen dumme Lehren nicht mehr vorbringet, so ist doch biß anhero der Mangel der wahren Lehre von der Klugheit nicht ersetzet worden, biß letzlich der berühmte Medicus zu Helmstädt Hermannus Conringius dem die Klugheit und Jurisprudenz viel zu dancken, anfienge, die Philosophẽ von ihrem Schlafzu ermuntern und selbst ein wenig durchzubrechen, s) nachhero aber, und da die Philosophen noch immer stille schwiegen und ein so nützlich und nöthig Werck vollends zu stande zu bringen vieler Ursachen wegen verweileten, einige Juristen t) nicht unbillig die ersten Grundsätze der Klugheit überhaupt und denn der zum Rathgeben u. Richten gehörigen Klugheit inson
s) Tractatu de civili prudentia.
t) vide prud. Consult. & in spec. Jurispt. Judic. c. 3. med. 4.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI.
(2013-02-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss. Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription.
(2013-02-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |