Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.falsche Meynungen verwickelt. Die Juristen solten sich schämen, daß nach dem Conring schon in der 1647. gehaltenen dissertation de judiciis reipublicae Germanicae die Bahne gebrochen, sie dennoch in 70. Jahren den Schlaff noch nicht aus denen Augen gewischet und an statt dem gemeinen Wesen schädlicher oder wenigstens unnützer Lehren, eine so nützliche und heilsame Arbeit nicht fortgesetzet, und die Mängel der angeführten dissertation nicht ersetzet. Denn er beschreibet nur die Rechts-Sachen, x) wie er selbst bekennet §. 2.x) die in denen teutschen Gerichten vorgekommen, auch die Richter selbst; aber von der Art und Weise, auf welche sie abgehandelt worden, schweigt er gantz stille, nur daß er mit wenigen gedencket, wie y) §. 17.sie eine sehr kurtze Art zu richten gehabt y). Daß aber die Juristen bisher viel nichtige und falsche Begriffe von denen teutschen Gerichten, zumahl in älteren Zeiten / und von der Proceß-Ordnung, als wahre vorgetragen und aufs hefftigste vertheidiget, solches habe ich in einigen disputationen (als de jurisdictione & magistratuum differentia secundum mores Germanorum, de origine processus inquisitorii, de origine processus inquisitorii contra sagas, de origine natura, progressu & interitu judiciorum Westphalicorum occultorum, de occasione, conceptione & intentione Constitutionis Criminalis Carolinae) gewiesen. §. XIV. Da ferner heute zu Tage unstreitig ist / daß so wohl die Scabini in denen Schöppen-Stühlen, als auch die Professores in denen Juristen-Facultäten fast allerwegen die Doctor-Würde beyder Rechten haben, und ohne ihre Schuld in einer allgemeinen Unwissenheit der alten teutschen Rechte und Processe stecken, so ist auch gewiß, daß die Schöppen-Stühle und Juristen-Facultäten noch ietzo in vielen Stücken nicht einig sind; allein solche Uneinigkeit ist gewiß nicht geringer zwischen Schöppen-Stuhl und Schöppen-Stuhl, ingleichen zwischen Facultäten und Facultäten. Vor diesem aber war es nicht so; alleine, da die Professores und Doctores Juris ihre Vaterlands-Rechte als gemeine, einfältige und der Canaille bekannte Dinge verachteten, und an deren statt die Römische Rechte, sowohl das Justinianeische als Canonische, einführen wolten, so wiedersetzten sich ihnen die Schöppen und Rathsherren tapfer, vornemlich in denen Reichs-Städten, ja auch im Chur-Fürstenthum Sachsen und anderwärts, wo Academien waren. Da war auf beyden Seiten ein schrecklich Gezäncke, und gebrauchten sich beyde derer listigsten und gewaltsamsten Rathschläge wieder einander. Indessen, da die Doctores endlich die Scabinos unterdruckten, und sich selbst in die Schöp falsche Meynungen verwickelt. Die Juristen solten sich schämen, daß nach dem Conring schon in der 1647. gehaltenen dissertation de judiciis reipublicae Germanicae die Bahne gebrochen, sie dennoch in 70. Jahren den Schlaff noch nicht aus denen Augen gewischet und an statt dem gemeinen Wesen schädlicher oder wenigstens unnützer Lehren, eine so nützliche und heilsame Arbeit nicht fortgesetzet, und die Mängel der angeführten dissertation nicht ersetzet. Denn er beschreibet nur die Rechts-Sachen, x) wie er selbst bekennet §. 2.x) die in denen teutschen Gerichten vorgekommen, auch die Richter selbst; aber von der Art und Weise, auf welche sie abgehandelt worden, schweigt er gantz stille, nur daß er mit wenigen gedencket, wie y) §. 17.sie eine sehr kurtze Art zu richten gehabt y). Daß aber die Juristen bisher viel nichtige und falsche Begriffe von denen teutschen Gerichten, zumahl in älteren Zeiten / und von der Proceß-Ordnung, als wahre vorgetragen und aufs hefftigste vertheidiget, solches habe ich in einigen disputationen (als de jurisdictione & magistratuum differentia secundum mores Germanorum, de origine processus inquisitorii, de origine processus inquisitorii contra sagas, de origine natura, progressu & interitu judiciorum Westphalicorum occultorum, de occasione, conceptione & intentione Constitutionis Criminalis Carolinae) gewiesen. §. XIV. Da ferner heute zu Tage unstreitig ist / daß so wohl die Scabini in denen Schöppen-Stühlen, als auch die Professores in denen Juristen-Facultäten fast allerwegen die Doctor-Würde beyder Rechten haben, und ohne ihre Schuld in einer allgemeinen Unwissenheit der alten teutschen Rechte und Processe stecken, so ist auch gewiß, daß die Schöppen-Stühle und Juristen-Facultäten noch ietzo in vielen Stücken nicht einig sind; allein solche Uneinigkeit ist gewiß nicht geringer zwischen Schöppen-Stuhl und Schöppen-Stuhl, ingleichen zwischen Facultäten und Facultäten. Vor diesem aber war es nicht so; alleine, da die Professores und Doctores Juris ihre Vaterlands-Rechte als gemeine, einfältige und der Canaille bekannte Dinge verachteten, und an deren statt die Römische Rechte, sowohl das Justinianeische als Canonische, einführen wolten, so wiedersetzten sich ihnen die Schöppen und Rathsherren tapfer, vornemlich in denen Reichs-Städten, ja auch im Chur-Fürstenthum Sachsen und anderwärts, wo Academien waren. Da war auf beyden Seiten ein schrecklich Gezäncke, und gebrauchten sich beyde derer listigsten und gewaltsamsten Rathschläge wieder einander. Indessen, da die Doctores endlich die Scabinos unterdruckten, und sich selbst in die Schöp <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0186" n="178"/> falsche Meynungen verwickelt. Die Juristen solten sich schämen, daß nach dem Conring schon in der 1647. gehaltenen dissertation de judiciis reipublicae Germanicae die Bahne gebrochen, sie dennoch in 70. Jahren den Schlaff noch nicht aus denen Augen gewischet und an statt dem gemeinen Wesen schädlicher oder wenigstens unnützer Lehren, eine so nützliche und heilsame Arbeit nicht fortgesetzet, und die Mängel der angeführten dissertation nicht ersetzet. Denn er beschreibet nur die Rechts-Sachen, <note place="left">x) wie er selbst bekennet §. 2.</note>x) die in denen teutschen Gerichten vorgekommen, auch die Richter selbst; aber von der Art und Weise, auf welche sie abgehandelt worden, schweigt er gantz stille, nur daß er mit wenigen gedencket, wie <note place="left">y) §. 17.</note>sie eine sehr kurtze Art zu richten gehabt y). Daß aber die Juristen bisher viel nichtige und falsche Begriffe von denen teutschen Gerichten, zumahl in älteren Zeiten / und von der Proceß-Ordnung, als wahre vorgetragen und aufs hefftigste vertheidiget, solches habe ich in einigen disputationen (als de jurisdictione & magistratuum differentia secundum mores Germanorum, de origine processus inquisitorii, de origine processus inquisitorii contra sagas, de origine natura, progressu & interitu judiciorum Westphalicorum occultorum, de occasione, conceptione & intentione Constitutionis Criminalis Carolinae) gewiesen.</p> <note place="left">Die Historie der Uneinigkeit zwischen denen <hi rendition="#i">Professoribus Juris</hi> und <hi rendition="#i">Scabinis</hi> in Teutschland / und hauptsächlich in Sachsen.</note> <p>§. XIV. Da ferner heute zu Tage unstreitig ist / daß so wohl die Scabini in denen Schöppen-Stühlen, als auch die Professores in denen Juristen-Facultäten fast allerwegen die Doctor-Würde beyder Rechten haben, und ohne ihre Schuld in einer allgemeinen Unwissenheit der alten teutschen Rechte und Processe stecken, so ist auch gewiß, daß die Schöppen-Stühle und Juristen-Facultäten noch ietzo in vielen Stücken nicht einig sind; allein solche Uneinigkeit ist gewiß nicht geringer zwischen Schöppen-Stuhl und Schöppen-Stuhl, ingleichen zwischen Facultäten und Facultäten. Vor diesem aber war es nicht so; alleine, da die Professores und Doctores Juris ihre Vaterlands-Rechte als gemeine, einfältige und der Canaille bekannte Dinge verachteten, und an deren statt die Römische Rechte, sowohl das Justinianeische als Canonische, einführen wolten, so wiedersetzten sich ihnen die Schöppen und Rathsherren tapfer, vornemlich in denen Reichs-Städten, ja auch im Chur-Fürstenthum Sachsen und anderwärts, wo Academien waren. Da war auf beyden Seiten ein schrecklich Gezäncke, und gebrauchten sich beyde derer listigsten und gewaltsamsten Rathschläge wieder einander. Indessen, da die Doctores endlich die Scabinos unterdruckten, und sich selbst in die Schöp </p> </div> </body> </text> </TEI> [178/0186]
falsche Meynungen verwickelt. Die Juristen solten sich schämen, daß nach dem Conring schon in der 1647. gehaltenen dissertation de judiciis reipublicae Germanicae die Bahne gebrochen, sie dennoch in 70. Jahren den Schlaff noch nicht aus denen Augen gewischet und an statt dem gemeinen Wesen schädlicher oder wenigstens unnützer Lehren, eine so nützliche und heilsame Arbeit nicht fortgesetzet, und die Mängel der angeführten dissertation nicht ersetzet. Denn er beschreibet nur die Rechts-Sachen, x) die in denen teutschen Gerichten vorgekommen, auch die Richter selbst; aber von der Art und Weise, auf welche sie abgehandelt worden, schweigt er gantz stille, nur daß er mit wenigen gedencket, wie sie eine sehr kurtze Art zu richten gehabt y). Daß aber die Juristen bisher viel nichtige und falsche Begriffe von denen teutschen Gerichten, zumahl in älteren Zeiten / und von der Proceß-Ordnung, als wahre vorgetragen und aufs hefftigste vertheidiget, solches habe ich in einigen disputationen (als de jurisdictione & magistratuum differentia secundum mores Germanorum, de origine processus inquisitorii, de origine processus inquisitorii contra sagas, de origine natura, progressu & interitu judiciorum Westphalicorum occultorum, de occasione, conceptione & intentione Constitutionis Criminalis Carolinae) gewiesen.
x) wie er selbst bekennet §. 2.
y) §. 17. §. XIV. Da ferner heute zu Tage unstreitig ist / daß so wohl die Scabini in denen Schöppen-Stühlen, als auch die Professores in denen Juristen-Facultäten fast allerwegen die Doctor-Würde beyder Rechten haben, und ohne ihre Schuld in einer allgemeinen Unwissenheit der alten teutschen Rechte und Processe stecken, so ist auch gewiß, daß die Schöppen-Stühle und Juristen-Facultäten noch ietzo in vielen Stücken nicht einig sind; allein solche Uneinigkeit ist gewiß nicht geringer zwischen Schöppen-Stuhl und Schöppen-Stuhl, ingleichen zwischen Facultäten und Facultäten. Vor diesem aber war es nicht so; alleine, da die Professores und Doctores Juris ihre Vaterlands-Rechte als gemeine, einfältige und der Canaille bekannte Dinge verachteten, und an deren statt die Römische Rechte, sowohl das Justinianeische als Canonische, einführen wolten, so wiedersetzten sich ihnen die Schöppen und Rathsherren tapfer, vornemlich in denen Reichs-Städten, ja auch im Chur-Fürstenthum Sachsen und anderwärts, wo Academien waren. Da war auf beyden Seiten ein schrecklich Gezäncke, und gebrauchten sich beyde derer listigsten und gewaltsamsten Rathschläge wieder einander. Indessen, da die Doctores endlich die Scabinos unterdruckten, und sich selbst in die Schöp
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/186>, abgerufen am 16.07.2024. |