Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.
wer er wolle) Der ander zeucht ferner ein. Der dritte saget, sie haben in vielen Recht, und darinne müsse man sie auch Recht lassen. Kömmts zum vierdten auf ihre Explication, ich halte auch beyderseits unpassionirte scripta gegen einander, so finde ich, wenn der passus ubiquitatis (wie Lutherus selbsten gewollt) ausgesetzt würde, daß sie, wo nicht gar, jedoch gantz auf ein genaues zusammen gekommen. Dieses halte ich Theologice von ihnen, und bekenne darneben, daß ichs mit der ubiquität nicht halten könne, glaube auch, daß es weder E. F. G. oder Capitulum und dessen Membra damit nicht halten. 32) Politice achte ich sie für ehrliche und redliche Leute, und halte es mit der observanz, Krafft welcher Chur-Pfaltz über 40 Jahr das directorium in Religions-Rathe auf der Evangelischen Seite geführet, und daß sie also in Religions-Frieden gehören, inmassen dann auch an hohen Catholischen Orten also statuiret wird: Und wäre zu wünschen, daß viel Leute, welche distractiones so sehr urgiren oder foviren, offt für Augen hätten, was D. Saccus in Herrn Levini von der Schulenburg gewesenen Dom-Dechents seeligen Leich-Predigt gedencket, nehmlich, wie man anno 66 auf dem Reichs-Tage gesucht / Pfaltzgraff Friederich Churfürsten aus dem Religions-Frieden zu cassiren, daß der hochlöbliche und mit Wahrheit hochverständige redliche Käyser Maximilian der II. gesagt, Ihr Herren, soll ich euch antworten, nescitis quid petatis, wolt ihr euch selber trennen? 33) Ich bekenne auch weiter ohne einige Scheu, daß ich mit vielen Catholischen und Calvinischen redlichen Leuten correspondire, und einen jeden redlichen Mann lieb und wehrt halte, nicht darum, daß er Lutherisch, Catholisch oder Calvinisch, sondern darum, daß er kein loser Laurer ist. 34) Von dem termino der Calvinischen Consilien halte ich soviel, daß ich der Meynung bin, daß diejenigen, welche ihn so offt gebrauchen, denselben nicht recht verstehen, denn solcher terminus ist an etlichen Catholischen Höffen, aber allein in nachfolgender massen in Ubung; Einmahl, wenn man von den unterschiedenen Bedencken, so von der Evangelischen Seiten aus- und fürkommen, judiciret, so heist man die subtilen Calvinisch, die aber etwas rauch er und unpolirter, Flacianisch. Fürs 2. wenn Catholisch und Evangelische auf die Fxtremisten kommen, so nennt man auf Catholischer Seiten selbige Calvinische, auf der anderen aber Jesuitische. 35) Dieses ist in allen die in Reichs Sachen ein wenig wissen, wohl bekannt: Und glaube ich, wenn man sonsten die Calvinischen Consilia demonstriren solte, man würde nicht wissen, was und wo sie wären. Contrarium aber, und das Lutherische und Calvinische einerley Consilia führen, und mainteniren, giebet der notorische Unions und Correspondenz-Verlauff. Dann, wenn man ansiehet, ob die Calvinischen oder Lutherischen in derselben praeponderiren, so ist gewiß,
wer er wolle) Der ander zeucht ferner ein. Der dritte saget, sie haben in vielen Recht, und darinne müsse man sie auch Recht lassen. Kömmts zum vierdten auf ihre Explication, ich halte auch beyderseits unpassionirte scripta gegen einander, so finde ich, wenn der passus ubiquitatis (wie Lutherus selbsten gewollt) ausgesetzt würde, daß sie, wo nicht gar, jedoch gantz auf ein genaues zusammen gekommen. Dieses halte ich Theologice von ihnen, und bekenne darneben, daß ichs mit der ubiquität nicht halten könne, glaube auch, daß es weder E. F. G. oder Capitulum und dessen Membra damit nicht halten. 32) Politice achte ich sie für ehrliche und redliche Leute, und halte es mit der observanz, Krafft welcher Chur-Pfaltz über 40 Jahr das directorium in Religions-Rathe auf der Evangelischen Seite geführet, und daß sie also in Religions-Frieden gehören, inmassen dann auch an hohen Catholischen Orten also statuiret wird: Und wäre zu wünschen, daß viel Leute, welche distractiones so sehr urgiren oder foviren, offt für Augen hätten, was D. Saccus in Herrn Levini von der Schulenburg gewesenen Dom-Dechents seeligen Leich-Predigt gedencket, nehmlich, wie man anno 66 auf dem Reichs-Tage gesucht / Pfaltzgraff Friederich Churfürsten aus dem Religions-Frieden zu cassiren, daß der hochlöbliche und mit Wahrheit hochverständige redliche Käyser Maximilian der II. gesagt, Ihr Herren, soll ich euch antworten, nescitis quid petatis, wolt ihr euch selber trennen? 33) Ich bekenne auch weiter ohne einige Scheu, daß ich mit vielen Catholischen und Calvinischen redlichen Leuten correspondire, und einen jeden redlichen Mann lieb und wehrt halte, nicht darum, daß er Lutherisch, Catholisch oder Calvinisch, sondern darum, daß er kein loser Laurer ist. 34) Von dem termino der Calvinischen Consilien halte ich soviel, daß ich der Meynung bin, daß diejenigen, welche ihn so offt gebrauchen, denselben nicht recht verstehen, denn solcher terminus ist an etlichen Catholischen Höffen, aber allein in nachfolgender massen in Ubung; Einmahl, wenn man von den unterschiedenen Bedencken, so von der Evangelischen Seiten aus- und fürkommen, judiciret, so heist man die subtilen Calvinisch, die aber etwas rauch er und unpolirter, Flacianisch. Fürs 2. wenn Catholisch und Evangelische auf die Fxtremisten kommen, so nennt man auf Catholischer Seiten selbige Calvinische, auf der anderen aber Jesuitische. 35) Dieses ist in allen die in Reichs Sachen ein wenig wissen, wohl bekannt: Und glaube ich, wenn man sonsten die Calvinischen Consilia demonstriren solte, man würde nicht wissen, was und wo sie wären. Contrarium aber, und das Lutherische und Calvinische einerley Consilia führen, und mainteniren, giebet der notorische Unions und Correspondenz-Verlauff. Dann, wenn man ansiehet, ob die Calvinischen oder Lutherischen in derselben praeponderiren, so ist gewiß,
<TEI> <text> <body> <div> <l><pb facs="#f0217" n="209"/> wer er wolle) Der ander zeucht ferner ein. Der dritte saget, sie haben in vielen Recht, und darinne müsse man sie auch Recht lassen. Kömmts zum vierdten auf ihre Explication, ich halte auch beyderseits unpassionirte scripta gegen einander, so finde ich, wenn der passus ubiquitatis (wie Lutherus selbsten gewollt) ausgesetzt würde, daß sie, wo nicht gar, jedoch gantz auf ein genaues zusammen gekommen. Dieses halte ich Theologice von ihnen, und bekenne darneben, daß ichs mit der ubiquität nicht halten könne, glaube auch, daß es weder E. F. G. oder Capitulum und dessen Membra damit nicht halten.</l> <l>32) Politice achte ich sie für ehrliche und redliche Leute, und halte es mit der observanz, Krafft welcher Chur-Pfaltz über 40 Jahr das directorium in Religions-Rathe auf der Evangelischen Seite geführet, und daß sie also in Religions-Frieden gehören, inmassen dann auch an hohen Catholischen Orten also statuiret wird: Und wäre zu wünschen, daß viel Leute, welche distractiones so sehr urgiren oder foviren, offt für Augen hätten, was D. Saccus in Herrn Levini von der Schulenburg gewesenen Dom-Dechents seeligen Leich-Predigt gedencket, nehmlich, wie man anno 66 auf dem Reichs-Tage gesucht / Pfaltzgraff Friederich Churfürsten aus dem Religions-Frieden zu cassiren, daß der hochlöbliche und mit Wahrheit hochverständige redliche Käyser Maximilian der II. gesagt, Ihr Herren, soll ich euch antworten, nescitis quid petatis, wolt ihr euch selber trennen?</l> <l>33) Ich bekenne auch weiter ohne einige Scheu, daß ich mit vielen Catholischen und Calvinischen redlichen Leuten correspondire, und einen jeden redlichen Mann lieb und wehrt halte, nicht darum, daß er Lutherisch, Catholisch oder Calvinisch, sondern darum, daß er kein loser Laurer ist.</l> <l>34) Von dem termino der Calvinischen Consilien halte ich soviel, daß ich der Meynung bin, daß diejenigen, welche ihn so offt gebrauchen, denselben nicht recht verstehen, denn solcher terminus ist an etlichen Catholischen Höffen, aber allein in nachfolgender massen in Ubung; Einmahl, wenn man von den unterschiedenen Bedencken, so von der Evangelischen Seiten aus- und fürkommen, judiciret, so heist man die subtilen Calvinisch, die aber etwas rauch er und unpolirter, Flacianisch. Fürs 2. wenn Catholisch und Evangelische auf die Fxtremisten kommen, so nennt man auf Catholischer Seiten selbige Calvinische, auf der anderen aber Jesuitische.</l> <l>35) Dieses ist in allen die in Reichs Sachen ein wenig wissen, wohl bekannt: Und glaube ich, wenn man sonsten die Calvinischen Consilia demonstriren solte, man würde nicht wissen, was und wo sie wären. Contrarium aber, und das Lutherische und Calvinische einerley Consilia führen, und mainteniren, giebet der notorische Unions und Correspondenz-Verlauff. Dann, wenn man ansiehet, ob die Calvinischen oder Lutherischen in derselben praeponderiren, so ist gewiß, </l> </div> </body> </text> </TEI> [209/0217]
wer er wolle) Der ander zeucht ferner ein. Der dritte saget, sie haben in vielen Recht, und darinne müsse man sie auch Recht lassen. Kömmts zum vierdten auf ihre Explication, ich halte auch beyderseits unpassionirte scripta gegen einander, so finde ich, wenn der passus ubiquitatis (wie Lutherus selbsten gewollt) ausgesetzt würde, daß sie, wo nicht gar, jedoch gantz auf ein genaues zusammen gekommen. Dieses halte ich Theologice von ihnen, und bekenne darneben, daß ichs mit der ubiquität nicht halten könne, glaube auch, daß es weder E. F. G. oder Capitulum und dessen Membra damit nicht halten. 32) Politice achte ich sie für ehrliche und redliche Leute, und halte es mit der observanz, Krafft welcher Chur-Pfaltz über 40 Jahr das directorium in Religions-Rathe auf der Evangelischen Seite geführet, und daß sie also in Religions-Frieden gehören, inmassen dann auch an hohen Catholischen Orten also statuiret wird: Und wäre zu wünschen, daß viel Leute, welche distractiones so sehr urgiren oder foviren, offt für Augen hätten, was D. Saccus in Herrn Levini von der Schulenburg gewesenen Dom-Dechents seeligen Leich-Predigt gedencket, nehmlich, wie man anno 66 auf dem Reichs-Tage gesucht / Pfaltzgraff Friederich Churfürsten aus dem Religions-Frieden zu cassiren, daß der hochlöbliche und mit Wahrheit hochverständige redliche Käyser Maximilian der II. gesagt, Ihr Herren, soll ich euch antworten, nescitis quid petatis, wolt ihr euch selber trennen? 33) Ich bekenne auch weiter ohne einige Scheu, daß ich mit vielen Catholischen und Calvinischen redlichen Leuten correspondire, und einen jeden redlichen Mann lieb und wehrt halte, nicht darum, daß er Lutherisch, Catholisch oder Calvinisch, sondern darum, daß er kein loser Laurer ist. 34) Von dem termino der Calvinischen Consilien halte ich soviel, daß ich der Meynung bin, daß diejenigen, welche ihn so offt gebrauchen, denselben nicht recht verstehen, denn solcher terminus ist an etlichen Catholischen Höffen, aber allein in nachfolgender massen in Ubung; Einmahl, wenn man von den unterschiedenen Bedencken, so von der Evangelischen Seiten aus- und fürkommen, judiciret, so heist man die subtilen Calvinisch, die aber etwas rauch er und unpolirter, Flacianisch. Fürs 2. wenn Catholisch und Evangelische auf die Fxtremisten kommen, so nennt man auf Catholischer Seiten selbige Calvinische, auf der anderen aber Jesuitische. 35) Dieses ist in allen die in Reichs Sachen ein wenig wissen, wohl bekannt: Und glaube ich, wenn man sonsten die Calvinischen Consilia demonstriren solte, man würde nicht wissen, was und wo sie wären. Contrarium aber, und das Lutherische und Calvinische einerley Consilia führen, und mainteniren, giebet der notorische Unions und Correspondenz-Verlauff. Dann, wenn man ansiehet, ob die Calvinischen oder Lutherischen in derselben praeponderiren, so ist gewiß,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/217 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/217>, abgerufen am 16.07.2024. |