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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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daß er endlich kurtz vor seinem Tode gar von Wittenberg weggienge, und kaum durch des Churfürsten bewegliches Schreiben bewogen werden kunte, wieder dahin sich zu begeben. Die Umstände dieses Verdrusses bestehen darinnen. Anno 1544. ließ der Churfürst ein rescript an D. Pomeranum, Pontanum und Melanchthonem ergehen, dessen Inhalt war, daß die Juristen sich über Lutherum beschwehret hätten, wie er ihnen gedrohet, daß er ein eigen Buch wieder sie schreiben und sie refutiren wolte, weßhalb der Churfürst jenen befahl, daß sie denen Juristen sagen solten, daß, wenn sie was wieder GOttes Wort und die Augspurgische Confession gelehret hätten / sie davon abstehen solten, wegen der streitigen und zweiffelhafften Fälle aber, sonderlich in Ehe-Sachen, solten die Juristen und Theologi freundlich mit einander conferiren, und ohne Nachtheil der Christlichen durch Lutherum vorgetragenen Lehre sich mit einander, mit Beyseitsetzung der Päpstischen Rechte vergleichen: daferne sie aber sich nicht vergleichen könten, solte man in diesen streitigen Händeln nach der Theologorum u. der Juristen, die es mit ihnen hielten, Meynung sprechen: Andern Theils solten sie auch Luthero andeuten, daß er von seinem Vorhaben abstünde, wieder die Juristen zu schreiben. Kurtz nach diesem Befehl schriebe Lutherus weitläufftig an den Churfürsten, und beklagte sich, daß die heimlichen Verlöbnüsse einrissen, und daß, wenn darauf solte gesprochen werden, dadurch ein grosser Schade entstehen dürffe, indem viel junge Leute zu Wittenberg wären, und daß die Mägdgen so unverschämt würden, und sich zu ihnen von freyen Stücken auf ihre Stuben begäben, und ihnen ihre Liebe anböthen. Weßhalb die Rede gienge, daß viele Eltern willens wären, ihre Söhne von der Universität abzufordern, aus Furcht, daß man sie nicht zu denen Heyrathen zwänge. Er hätte zwar gemeinet, daß durch ein Churfürstlich rescript wäre verbothen worden, solche Verlöbnüsse zu approbiren, aber es wäre vor weniger Zeit im Consistorio auf ein solch heimlich Verlöbnüß eines jungen Studiosi gesprochen, und dieser zu dessen Vollziehung angehalten worden: worüber er sehr erschrocken und bewogen worden, am nächsten Sonntage in der Predigt ernstliche Erinnerung zu thun, daß man auf der Heerstrasse bleiben, und denen Eltern ihr Recht ihre Kinder zu verloben, nicht nehmen, sondern dergleichen heimliche Verlöbnüsse verwerffen solte, als welche nichts, als gottlose Wercke des Papstthums, die von dem Teuffel herrühreten, wären. Es würde auch die Vertheydigung dergleichen Verlöbnüsse traurige Suiten nach sich ziehen, indem ohnlängst es nicht viel gefehlet hätte, daß nicht auch Melanchthonis sein Sohn mit grossem Verdruß und Be

daß er endlich kurtz vor seinem Tode gar von Wittenberg weggienge, und kaum durch des Churfürsten bewegliches Schreiben bewogen werden kunte, wieder dahin sich zu begeben. Die Umstände dieses Verdrusses bestehen darinnen. Anno 1544. ließ der Churfürst ein rescript an D. Pomeranum, Pontanum und Melanchthonem ergehen, dessen Inhalt war, daß die Juristen sich über Lutherum beschwehret hätten, wie er ihnen gedrohet, daß er ein eigen Buch wieder sie schreiben und sie refutiren wolte, weßhalb der Churfürst jenen befahl, daß sie denen Juristen sagen solten, daß, wenn sie was wieder GOttes Wort und die Augspurgische Confession gelehret hätten / sie davon abstehen solten, wegen der streitigen und zweiffelhafften Fälle aber, sonderlich in Ehe-Sachen, solten die Juristen und Theologi freundlich mit einander conferiren, und ohne Nachtheil der Christlichen durch Lutherum vorgetragenen Lehre sich mit einander, mit Beyseitsetzung der Päpstischen Rechte vergleichen: daferne sie aber sich nicht vergleichen könten, solte man in diesen streitigen Händeln nach der Theologorum u. der Juristen, die es mit ihnen hielten, Meynung sprechen: Andern Theils solten sie auch Luthero andeuten, daß er von seinem Vorhaben abstünde, wieder die Juristen zu schreiben. Kurtz nach diesem Befehl schriebe Lutherus weitläufftig an den Churfürsten, und beklagte sich, daß die heimlichen Verlöbnüsse einrissen, und daß, wenn darauf solte gesprochen werden, dadurch ein grosser Schade entstehen dürffe, indem viel junge Leute zu Wittenberg wären, und daß die Mägdgen so unverschämt würden, und sich zu ihnen von freyen Stücken auf ihre Stuben begäben, und ihnen ihre Liebe anböthen. Weßhalb die Rede gienge, daß viele Eltern willens wären, ihre Söhne von der Universität abzufordern, aus Furcht, daß man sie nicht zu denen Heyrathen zwänge. Er hätte zwar gemeinet, daß durch ein Churfürstlich rescript wäre verbothen worden, solche Verlöbnüsse zu approbiren, aber es wäre vor weniger Zeit im Consistorio auf ein solch heimlich Verlöbnüß eines jungen Studiosi gesprochen, und dieser zu dessen Vollziehung angehalten worden: worüber er sehr erschrocken und bewogen worden, am nächsten Sonntage in der Predigt ernstliche Erinnerung zu thun, daß man auf der Heerstrasse bleiben, und denen Eltern ihr Recht ihre Kinder zu verloben, nicht nehmen, sondern dergleichen heimliche Verlöbnüsse verwerffen solte, als welche nichts, als gottlose Wercke des Papstthums, die von dem Teuffel herrühreten, wären. Es würde auch die Vertheydigung dergleichen Verlöbnüsse traurige Suiten nach sich ziehen, indem ohnlängst es nicht viel gefehlet hätte, daß nicht auch Melanchthonis sein Sohn mit grossem Verdruß und Be

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[260/0268] daß er endlich kurtz vor seinem Tode gar von Wittenberg weggienge, und kaum durch des Churfürsten bewegliches Schreiben bewogen werden kunte, wieder dahin sich zu begeben. Die Umstände dieses Verdrusses bestehen darinnen. Anno 1544. ließ der Churfürst ein rescript an D. Pomeranum, Pontanum und Melanchthonem ergehen, dessen Inhalt war, daß die Juristen sich über Lutherum beschwehret hätten, wie er ihnen gedrohet, daß er ein eigen Buch wieder sie schreiben und sie refutiren wolte, weßhalb der Churfürst jenen befahl, daß sie denen Juristen sagen solten, daß, wenn sie was wieder GOttes Wort und die Augspurgische Confession gelehret hätten / sie davon abstehen solten, wegen der streitigen und zweiffelhafften Fälle aber, sonderlich in Ehe-Sachen, solten die Juristen und Theologi freundlich mit einander conferiren, und ohne Nachtheil der Christlichen durch Lutherum vorgetragenen Lehre sich mit einander, mit Beyseitsetzung der Päpstischen Rechte vergleichen: daferne sie aber sich nicht vergleichen könten, solte man in diesen streitigen Händeln nach der Theologorum u. der Juristen, die es mit ihnen hielten, Meynung sprechen: Andern Theils solten sie auch Luthero andeuten, daß er von seinem Vorhaben abstünde, wieder die Juristen zu schreiben. Kurtz nach diesem Befehl schriebe Lutherus weitläufftig an den Churfürsten, und beklagte sich, daß die heimlichen Verlöbnüsse einrissen, und daß, wenn darauf solte gesprochen werden, dadurch ein grosser Schade entstehen dürffe, indem viel junge Leute zu Wittenberg wären, und daß die Mägdgen so unverschämt würden, und sich zu ihnen von freyen Stücken auf ihre Stuben begäben, und ihnen ihre Liebe anböthen. Weßhalb die Rede gienge, daß viele Eltern willens wären, ihre Söhne von der Universität abzufordern, aus Furcht, daß man sie nicht zu denen Heyrathen zwänge. Er hätte zwar gemeinet, daß durch ein Churfürstlich rescript wäre verbothen worden, solche Verlöbnüsse zu approbiren, aber es wäre vor weniger Zeit im Consistorio auf ein solch heimlich Verlöbnüß eines jungen Studiosi gesprochen, und dieser zu dessen Vollziehung angehalten worden: worüber er sehr erschrocken und bewogen worden, am nächsten Sonntage in der Predigt ernstliche Erinnerung zu thun, daß man auf der Heerstrasse bleiben, und denen Eltern ihr Recht ihre Kinder zu verloben, nicht nehmen, sondern dergleichen heimliche Verlöbnüsse verwerffen solte, als welche nichts, als gottlose Wercke des Papstthums, die von dem Teuffel herrühreten, wären. Es würde auch die Vertheydigung dergleichen Verlöbnüsse traurige Suiten nach sich ziehen, indem ohnlängst es nicht viel gefehlet hätte, daß nicht auch Melanchthonis sein Sohn mit grossem Verdruß und Be

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/268>, abgerufen am 24.11.2024.