Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.trübnüß seiner Eltern auf eine solche Art wäre gefangen worden, dergleichen Exempel führete er noch mehr an, und berichtete, mit was fur Worten er in der Predigt wieder solche heimliche Verlöbnüsse geeyffert, und selbige gleichsam in die unterste Hölle relegiret hätte. Er bate dannenhero den Churfürsten um GOttes und der Seelen Seeligkeit willen, er möchte doch noch vor seiner Abreise auf den Reichs-Tag das Urtheil des Consistorii, von welchem nach Hoffe wäre appelliret worden, wieder umstossen, und durch ein Rescript, diese gottlose Antichristische Erfindung aus denen Kirchen seiner Lande ausjagen. Er verwarff auch die von denen Juristen approbirte exception oder limitation, daß die Verlöbnüsse als denn bündig wären, wenn sie mit dem Beding, so die Eltern darein consentiren würden, geschähen; denn es blieben doch auch in diesem Fall heimliche Verlöbnüsse, und würden hernach die Eltern durch allerhand Beredungen bedränget und überredet, wie dann der junge Studiosus, so appelliret, sich beklaget hätte, daß man seine Worte verdrehet, und ein Versprechen daraus machen wollen. Da nun dieses bey Lutheri Leben so zugegangen, kan man sich leicht einbilden, daß es nach seinem Todte nicht besser worden; wie denn der Herr Geh. Rath Böhmer in seinem Jure Ecclesiastico Protestantium über den andern Titul des ersten Buchs §. 58. biß 69. pag. 121. biß 135. weilläufftiger ausgeführet, und deutlich gewiesen, daß nicht alleine die übrigen und folgenden Juristen zu Wittenberg Melchior Klinge, Johannes Schneidewein, Matthaeus Wesenbecius, Joachimus von Beust, Eberhardusa Weyhe, Johannes Zanger, sondern auch die Juristen auf andern Universitäten, als zu Jena, Rostock, Leipzig, Giessen, Marburg, Tübingen, Grypswalde und Altdorff in dem 16den Seculo das Jus Canonicum vertheydiget, und sonderlich in Ehesachen als eine Richtschnur beybehalten hätten. §. III. Man muß aber dem unerachtet nicht flugs zu plumpen,Gegründete Entschuldigungen der Juristen und die Juristen, so solches gethan und Luthero sich wiedersetzt, stracks als gottlose Leute verdammen, sondern bemühet seyn, nachzudencken, was sie für Ursachen etwa für sich anführen können. Dieses war nun wohl die fürnehmste drunter; Sie waren nach ihren Universitäts-Ordnungen auf das Jus Civile & Canonicum gewiesen; und zwar war die öberste profession in der Juristen Facultät, wie noch heut zu Tage, professio decretalium. In Ehe. Sachen hatte man bißhero allezeit das Jus Canonicum dem Juri Civili vorgezogen; kein einiger Churfürst hatte nach der Reformation das gantze Seculum durch das Jus Canonicum abgeschafft und ihnen in Ehe-Sachen eine andere norm vorgeschrieben: trübnüß seiner Eltern auf eine solche Art wäre gefangen worden, dergleichen Exempel führete er noch mehr an, und berichtete, mit was fur Worten er in der Predigt wieder solche heimliche Verlöbnüsse geeyffert, und selbige gleichsam in die unterste Hölle relegiret hätte. Er bate dannenhero den Churfürsten um GOttes und der Seelen Seeligkeit willen, er möchte doch noch vor seiner Abreise auf den Reichs-Tag das Urtheil des Consistorii, von welchem nach Hoffe wäre appelliret worden, wieder umstossen, und durch ein Rescript, diese gottlose Antichristische Erfindung aus denen Kirchen seiner Lande ausjagen. Er verwarff auch die von denen Juristen approbirte exception oder limitation, daß die Verlöbnüsse als denn bündig wären, wenn sie mit dem Beding, so die Eltern darein consentiren würden, geschähen; denn es blieben doch auch in diesem Fall heimliche Verlöbnüsse, und würden hernach die Eltern durch allerhand Beredungen bedränget und überredet, wie dann der junge Studiosus, so appelliret, sich beklaget hätte, daß man seine Worte verdrehet, und ein Versprechen daraus machen wollen. Da nun dieses bey Lutheri Leben so zugegangen, kan man sich leicht einbilden, daß es nach seinem Todte nicht besser worden; wie denn der Herr Geh. Rath Böhmer in seinem Jure Ecclesiastico Protestantium über den andern Titul des ersten Buchs §. 58. biß 69. pag. 121. biß 135. weilläufftiger ausgeführet, und deutlich gewiesen, daß nicht alleine die übrigen und folgenden Juristen zu Wittenberg Melchior Klinge, Johannes Schneidewein, Matthaeus Wesenbecius, Joachimus von Beust, Eberhardusa Weyhe, Johannes Zanger, sondern auch die Juristen auf andern Universitäten, als zu Jena, Rostock, Leipzig, Giessen, Marburg, Tübingen, Grypswalde und Altdorff in dem 16den Seculo das Jus Canonicum vertheydiget, und sonderlich in Ehesachen als eine Richtschnur beybehalten hätten. §. III. Man muß aber dem unerachtet nicht flugs zu plumpen,Gegründete Entschuldigungen der Juristen und die Juristen, so solches gethan und Luthero sich wiedersetzt, stracks als gottlose Leute verdammen, sondern bemühet seyn, nachzudencken, was sie für Ursachen etwa für sich anführen können. Dieses war nun wohl die fürnehmste drunter; Sie waren nach ihren Universitäts-Ordnungen auf das Jus Civile & Canonicum gewiesen; und zwar war die öberste profession in der Juristen Facultät, wie noch heut zu Tage, professio decretalium. In Ehe. Sachen hatte man bißhero allezeit das Jus Canonicum dem Juri Civili vorgezogen; kein einiger Churfürst hatte nach der Reformation das gantze Seculum durch das Jus Canonicum abgeschafft und ihnen in Ehe-Sachen eine andere norm vorgeschrieben: <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0269" n="261"/> trübnüß seiner Eltern auf eine solche Art wäre gefangen worden, dergleichen Exempel führete er noch mehr an, und berichtete, mit was fur Worten er in der Predigt wieder solche heimliche Verlöbnüsse geeyffert, und selbige gleichsam in die unterste Hölle relegiret hätte. Er bate dannenhero den Churfürsten um GOttes und der Seelen Seeligkeit willen, er möchte doch noch vor seiner Abreise auf den Reichs-Tag das Urtheil des Consistorii, von welchem nach Hoffe wäre appelliret worden, wieder umstossen, und durch ein Rescript, diese gottlose Antichristische Erfindung aus denen Kirchen seiner Lande ausjagen. Er verwarff auch die von denen Juristen approbirte exception oder limitation, daß die Verlöbnüsse als denn bündig wären, wenn sie mit dem Beding, so die Eltern darein consentiren würden, geschähen; denn es blieben doch auch in diesem Fall heimliche Verlöbnüsse, und würden hernach die Eltern durch allerhand Beredungen bedränget und überredet, wie dann der junge Studiosus, so appelliret, sich beklaget hätte, daß man seine Worte verdrehet, und ein Versprechen daraus machen wollen. Da nun dieses bey Lutheri Leben so zugegangen, kan man sich leicht einbilden, daß es nach seinem Todte nicht besser worden; wie denn der Herr Geh. Rath Böhmer in seinem Jure Ecclesiastico Protestantium über den andern Titul des ersten Buchs §. 58. biß 69. pag. 121. biß 135. weilläufftiger ausgeführet, und deutlich gewiesen, daß nicht alleine die übrigen und folgenden Juristen zu Wittenberg Melchior Klinge, Johannes Schneidewein, Matthaeus Wesenbecius, Joachimus von Beust, Eberhardusa Weyhe, Johannes Zanger, sondern auch die Juristen auf andern Universitäten, als zu Jena, Rostock, Leipzig, Giessen, Marburg, Tübingen, Grypswalde und Altdorff in dem 16den Seculo das Jus Canonicum vertheydiget, und sonderlich in Ehesachen als eine Richtschnur beybehalten hätten.</p> <p>§. III. Man muß aber dem unerachtet nicht flugs zu plumpen,<note place="right">Gegründete Entschuldigungen der Juristen</note> und die Juristen, so solches gethan und Luthero sich wiedersetzt, stracks als gottlose Leute verdammen, sondern bemühet seyn, nachzudencken, was sie für Ursachen etwa für sich anführen können. Dieses war nun wohl die fürnehmste drunter; Sie waren nach ihren Universitäts-Ordnungen auf das Jus Civile & Canonicum gewiesen; und zwar war die öberste profession in der Juristen Facultät, wie noch heut zu Tage, professio decretalium. In Ehe. Sachen hatte man bißhero allezeit das Jus Canonicum dem Juri Civili vorgezogen; kein einiger Churfürst hatte nach der Reformation das gantze Seculum durch das Jus Canonicum abgeschafft und ihnen in Ehe-Sachen eine andere norm vorgeschrieben: </p> </div> </body> </text> </TEI> [261/0269]
trübnüß seiner Eltern auf eine solche Art wäre gefangen worden, dergleichen Exempel führete er noch mehr an, und berichtete, mit was fur Worten er in der Predigt wieder solche heimliche Verlöbnüsse geeyffert, und selbige gleichsam in die unterste Hölle relegiret hätte. Er bate dannenhero den Churfürsten um GOttes und der Seelen Seeligkeit willen, er möchte doch noch vor seiner Abreise auf den Reichs-Tag das Urtheil des Consistorii, von welchem nach Hoffe wäre appelliret worden, wieder umstossen, und durch ein Rescript, diese gottlose Antichristische Erfindung aus denen Kirchen seiner Lande ausjagen. Er verwarff auch die von denen Juristen approbirte exception oder limitation, daß die Verlöbnüsse als denn bündig wären, wenn sie mit dem Beding, so die Eltern darein consentiren würden, geschähen; denn es blieben doch auch in diesem Fall heimliche Verlöbnüsse, und würden hernach die Eltern durch allerhand Beredungen bedränget und überredet, wie dann der junge Studiosus, so appelliret, sich beklaget hätte, daß man seine Worte verdrehet, und ein Versprechen daraus machen wollen. Da nun dieses bey Lutheri Leben so zugegangen, kan man sich leicht einbilden, daß es nach seinem Todte nicht besser worden; wie denn der Herr Geh. Rath Böhmer in seinem Jure Ecclesiastico Protestantium über den andern Titul des ersten Buchs §. 58. biß 69. pag. 121. biß 135. weilläufftiger ausgeführet, und deutlich gewiesen, daß nicht alleine die übrigen und folgenden Juristen zu Wittenberg Melchior Klinge, Johannes Schneidewein, Matthaeus Wesenbecius, Joachimus von Beust, Eberhardusa Weyhe, Johannes Zanger, sondern auch die Juristen auf andern Universitäten, als zu Jena, Rostock, Leipzig, Giessen, Marburg, Tübingen, Grypswalde und Altdorff in dem 16den Seculo das Jus Canonicum vertheydiget, und sonderlich in Ehesachen als eine Richtschnur beybehalten hätten.
§. III. Man muß aber dem unerachtet nicht flugs zu plumpen, und die Juristen, so solches gethan und Luthero sich wiedersetzt, stracks als gottlose Leute verdammen, sondern bemühet seyn, nachzudencken, was sie für Ursachen etwa für sich anführen können. Dieses war nun wohl die fürnehmste drunter; Sie waren nach ihren Universitäts-Ordnungen auf das Jus Civile & Canonicum gewiesen; und zwar war die öberste profession in der Juristen Facultät, wie noch heut zu Tage, professio decretalium. In Ehe. Sachen hatte man bißhero allezeit das Jus Canonicum dem Juri Civili vorgezogen; kein einiger Churfürst hatte nach der Reformation das gantze Seculum durch das Jus Canonicum abgeschafft und ihnen in Ehe-Sachen eine andere norm vorgeschrieben:
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/269>, abgerufen am 16.07.2024. |