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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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ren tollen Kopf aufzusetzen, die Lehren der Geistligkeit in Ehe-Sachen nicht zu attendiren, oder wieder die Kirchen-Verbote selbst zu heyrathen, so folget aus denen bißherigen Lehren von selbst, daß solche Könige und Fürsten als Ketzer und gottlose Menschen in Kirchen-Bann gethan, ihre Ehen vor null und nichtig erklähret, und die daraus erzeugete Kinder für Banckerte und Huren-Kinder, die unmöglich im Königreich oder Fürstenthum succediren könten, erklähret werden müsten.

§. IX. Alle jetzo erzehlte Lehren, gleichwie selbige samt undWird durch das Exempel der Ehescheidung Henrici IIX. zu Engeland erläutert. sonders annoch im Pabstthum herrschen, also können sie samt und sonders gar füglich aus dem Satze, daß die Ehe ein Sacrament sey, als nothwendige Folgerungen hergeleitet werden, u. müssen auch, wenn man läugnet, daß die Ehe ein Sacrament sey, (wenn nur diese Meynung ernstlich und vernünfftig ist) zugleich mit über den Hauffen fallen. Man kan hierbey Burnets Historie der Reformation in Engelland aufschlagen, und wie er im andern Buch des ersten Theils erzehlet, daß König Heinrich der IIX. nachdem er die Ehescheidung von seiner Gemahlin vom Papst gebeten hatte, von diesem aber mit einer langen Nase etliche Jahr war herumgeführet worden, sich endlich durch seine eigene Räthe habe scheiden lassen, so wird man daselbst, wo nicht alle aus der hypothesi, daß die Ehe ein Sacrament sey, fliessende bißher angemerckte conclusiones, doch die allermeisten davon angebracht und weiter ausgeführet finden. Ich will nur etwas weniges und das vornehmste daraus erzehlen. Als ein gewisser Staats Minister dem König riethe, er solte seine eigene Affairen dem Urtheil eines elenden, und zwar sowohl der Geburth als Tugend nach nichtswürdigen, und noch darzu fremden und ausländischen Pfaffen ja nicht unterwerffen, antwortete der König, daß er solches deßwegen thäte, weil er gläubete, daß die Geistlichen über geistliche oder Kirchen-Sachen richten müßten. Die Catholischen Theologi, die des Königs Parthey hielten, führeten unter andern an: das wäre kein Catholischer Christ, der sich unterstünde, zu läugnen, daß man in zweiffelhafften Ehe-Fragen sich nach dem alten Herkommen der Kirchen richten müsse Und wenn dannenhero gleich die Frage von der Ehe mit des Brudern Witbe zweiffelhafft wäre, so sey es doch schon genung, daß der Papst, die Coneilia und die alten Kirch-Väter dergleichen Ehen für unzuläßlich gehalten hätten. Daferne aber ihrer etliche wenige dieser Meynung zuwieder wären, unter dem Vorwand, daß sie die Schrift besser verstünden, als die jetzt gemeldete Kirche, so führten dieselben eine Ketzetey ein. Wiederum andre, die die Ehe-Scheidung mißbilligten,

ren tollen Kopf aufzusetzen, die Lehren der Geistligkeit in Ehe-Sachen nicht zu attendiren, oder wieder die Kirchen-Verbote selbst zu heyrathen, so folget aus denen bißherigen Lehren von selbst, daß solche Könige und Fürsten als Ketzer und gottlose Menschen in Kirchen-Bann gethan, ihre Ehen vor null und nichtig erklähret, und die daraus erzeugete Kinder für Banckerte und Huren-Kinder, die unmöglich im Königreich oder Fürstenthum succediren könten, erklähret werden müsten.

§. IX. Alle jetzo erzehlte Lehren, gleichwie selbige samt undWird durch das Exempel der Ehescheidung Henrici IIX. zu Engeland erläutert. sonders annoch im Pabstthum herrschen, also können sie samt und sonders gar füglich aus dem Satze, daß die Ehe ein Sacrament sey, als nothwendige Folgerungen hergeleitet werden, u. müssen auch, wenn man läugnet, daß die Ehe ein Sacrament sey, (wenn nur diese Meynung ernstlich und vernünfftig ist) zugleich mit über den Hauffen fallen. Man kan hierbey Burnets Historie der Reformation in Engelland aufschlagen, und wie er im andern Buch des ersten Theils erzehlet, daß König Heinrich der IIX. nachdem er die Ehescheidung von seiner Gemahlin vom Papst gebeten hatte, von diesem aber mit einer langen Nase etliche Jahr war herumgeführet worden, sich endlich durch seine eigene Räthe habe scheiden lassen, so wird man daselbst, wo nicht alle aus der hypothesi, daß die Ehe ein Sacrament sey, fliessende bißher angemerckte conclusiones, doch die allermeisten davon angebracht und weiter ausgeführet finden. Ich will nur etwas weniges und das vornehmste daraus erzehlen. Als ein gewisser Staats Minister dem König riethe, er solte seine eigene Affairen dem Urtheil eines elenden, und zwar sowohl der Geburth als Tugend nach nichtswürdigen, und noch darzu fremden und ausländischen Pfaffen ja nicht unterwerffen, antwortete der König, daß er solches deßwegen thäte, weil er gläubete, daß die Geistlichen über geistliche oder Kirchen-Sachen richten müßten. Die Catholischen Theologi, die des Königs Parthey hielten, führeten unter andern an: das wäre kein Catholischer Christ, der sich unterstünde, zu läugnen, daß man in zweiffelhafften Ehe-Fragen sich nach dem alten Herkommen der Kirchen richten müsse Und wenn dannenhero gleich die Frage von der Ehe mit des Brudern Witbe zweiffelhafft wäre, so sey es doch schon genung, daß der Papst, die Coneilia und die alten Kirch-Väter dergleichen Ehen für unzuläßlich gehalten hätten. Daferne aber ihrer etliche wenige dieser Meynung zuwieder wären, unter dem Vorwand, daß sie die Schrift besser verstünden, als die jetzt gemeldete Kirche, so führten dieselben eine Ketzetey ein. Wiederum andre, die die Ehe-Scheidung mißbilligten,

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[271/0279] ren tollen Kopf aufzusetzen, die Lehren der Geistligkeit in Ehe-Sachen nicht zu attendiren, oder wieder die Kirchen-Verbote selbst zu heyrathen, so folget aus denen bißherigen Lehren von selbst, daß solche Könige und Fürsten als Ketzer und gottlose Menschen in Kirchen-Bann gethan, ihre Ehen vor null und nichtig erklähret, und die daraus erzeugete Kinder für Banckerte und Huren-Kinder, die unmöglich im Königreich oder Fürstenthum succediren könten, erklähret werden müsten. §. IX. Alle jetzo erzehlte Lehren, gleichwie selbige samt und sonders annoch im Pabstthum herrschen, also können sie samt und sonders gar füglich aus dem Satze, daß die Ehe ein Sacrament sey, als nothwendige Folgerungen hergeleitet werden, u. müssen auch, wenn man läugnet, daß die Ehe ein Sacrament sey, (wenn nur diese Meynung ernstlich und vernünfftig ist) zugleich mit über den Hauffen fallen. Man kan hierbey Burnets Historie der Reformation in Engelland aufschlagen, und wie er im andern Buch des ersten Theils erzehlet, daß König Heinrich der IIX. nachdem er die Ehescheidung von seiner Gemahlin vom Papst gebeten hatte, von diesem aber mit einer langen Nase etliche Jahr war herumgeführet worden, sich endlich durch seine eigene Räthe habe scheiden lassen, so wird man daselbst, wo nicht alle aus der hypothesi, daß die Ehe ein Sacrament sey, fliessende bißher angemerckte conclusiones, doch die allermeisten davon angebracht und weiter ausgeführet finden. Ich will nur etwas weniges und das vornehmste daraus erzehlen. Als ein gewisser Staats Minister dem König riethe, er solte seine eigene Affairen dem Urtheil eines elenden, und zwar sowohl der Geburth als Tugend nach nichtswürdigen, und noch darzu fremden und ausländischen Pfaffen ja nicht unterwerffen, antwortete der König, daß er solches deßwegen thäte, weil er gläubete, daß die Geistlichen über geistliche oder Kirchen-Sachen richten müßten. Die Catholischen Theologi, die des Königs Parthey hielten, führeten unter andern an: das wäre kein Catholischer Christ, der sich unterstünde, zu läugnen, daß man in zweiffelhafften Ehe-Fragen sich nach dem alten Herkommen der Kirchen richten müsse Und wenn dannenhero gleich die Frage von der Ehe mit des Brudern Witbe zweiffelhafft wäre, so sey es doch schon genung, daß der Papst, die Coneilia und die alten Kirch-Väter dergleichen Ehen für unzuläßlich gehalten hätten. Daferne aber ihrer etliche wenige dieser Meynung zuwieder wären, unter dem Vorwand, daß sie die Schrift besser verstünden, als die jetzt gemeldete Kirche, so führten dieselben eine Ketzetey ein. Wiederum andre, die die Ehe-Scheidung mißbilligten, Wird durch das Exempel der Ehescheidung Henrici IIX. zu Engeland erläutert.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/279>, abgerufen am 24.11.2024.