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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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wendeten vor, daß die Gegen-Parthey zwar von denen Kirchen. tradttionibus viel Geschrey machten, aber in der That dieselbe verachteten, und sich nur darauf berieffen, wenn selbige ihrer Parthey favorisirte, im Gegentheil selbige verwürffen, wenn sie nach ihrer Lehre nicht übereinstimmeten. Indessen sey es doch wahr, daß wenn man der gemeinen Meynung der Väter und Kirchen-Lehrer wiederspräche, und die neuern und sonderlichen Auslegungen der Schrifft vertheydigen wolte, daß dadurch allen Neuerungen und Ketzereyen Thür und Thor würden aufgethan werden. Als auch endlich der König des Papsts Kirchen-Gerichte beyseit setzte, und durch seine eigene Räthe und Bischöffe seine Ehe für null und nichtig erklähren liesse, so nahm der Papst diesen Eingriff in sein geistliches Amt höchst übel auf, und erklährete sich ohne Scheu, daß zwar der König den Kirchen-Bann verdienet hätte, aber daß er ihm doch aus Barmhertzigkeit hierzu etliche Monat Aufschub geben wolte, wenn er aber diese Zeit vorbeystreichen liesse, und nicht alles wieder in vorigen Stand setzen würde, daß alsdann der Kirchen-Bann unfehlbar erfolgen solte.

Politische Geheimnüsse / die unter der Lehre vom Sacrament des Ehestandes verborgen liegen.

§. X. Es ist auch nicht zu vergessen, daß unter der Lehre von dem Sacrament der Ehe / und denen daraus fliessenden übrigen Sätzen, allerhand Politische Geheimnüsse verdeckt liegen, daran dem gemeinen Wesen viel gelegen, daß selbige entdeckt werden. Die ehelichen Gesellschafften sind die Haupt-Stützen des gemeinen Wesens. Die Macht, selbige nach Gefallen anzuordnen, indem dergleichen Gesetze und Ordnungen, wo nicht alle, doch fast alle, angehen, ist eines von denen allervornehmsten Kennzeichen der höchsten Gewalt und Majestät, das nimmermehr einem oder mehrern andern, die der Majestät nicht theilhafftig sind, sie mögen nun in eben derselben bürgerlichen Gesellschafft seyn oder nicht, überlassen, oder nur mit selbigen getheilet werden kan, wenn anders Einigkeit, ingleichen Fried und Ruhe in der Republicke beybehalten werden soll. Daraus folget nothwendig, daß derjenige, er sey nun von den Unterthanen, oder ausserhalb ein Fremder, der die Macht bekommen, nach seinem Gutachten die Ehen anzuordnen, und dieselben zuzulassen oder zu verbieten, das vornehmste Kennzeichen der Majestät besitze, und in Ansehen desselben auch die Könige und Fürsten selbst in seiner Gewalt habe, und entweder nach Gefallen ihren Willen zu beugen und zu brechen, oder doch unter Hoffnung, die Ehen begehrter massen zuzulassen, oder zu scheiden, greuliche Summen Geldes von ihnen zu erpressen, vielfältige Gelegenheit überkomme; zumahlen da gemeiniglich die Menschen, sie mögen nun tugendhafft

wendeten vor, daß die Gegen-Parthey zwar von denen Kirchen. tradttionibus viel Geschrey machten, aber in der That dieselbe verachteten, und sich nur darauf berieffen, wenn selbige ihrer Parthey favorisirte, im Gegentheil selbige verwürffen, wenn sie nach ihrer Lehre nicht übereinstimmeten. Indessen sey es doch wahr, daß wenn man der gemeinen Meynung der Väter und Kirchen-Lehrer wiederspräche, und die neuern und sonderlichen Auslegungen der Schrifft vertheydigen wolte, daß dadurch allen Neuerungen und Ketzereyen Thür und Thor würden aufgethan werden. Als auch endlich der König des Papsts Kirchen-Gerichte beyseit setzte, und durch seine eigene Räthe und Bischöffe seine Ehe für null und nichtig erklähren liesse, so nahm der Papst diesen Eingriff in sein geistliches Amt höchst übel auf, und erklährete sich ohne Scheu, daß zwar der König den Kirchen-Bann verdienet hätte, aber daß er ihm doch aus Barmhertzigkeit hierzu etliche Monat Aufschub geben wolte, wenn er aber diese Zeit vorbeystreichen liesse, und nicht alles wieder in vorigen Stand setzen würde, daß alsdann der Kirchen-Bann unfehlbar erfolgen solte.

Politische Geheimnüsse / die unter der Lehre vom Sacrament des Ehestandes verborgen liegen.

§. X. Es ist auch nicht zu vergessen, daß unter der Lehre von dem Sacrament der Ehe / und denen daraus fliessenden übrigen Sätzen, allerhand Politische Geheimnüsse verdeckt liegen, daran dem gemeinen Wesen viel gelegen, daß selbige entdeckt werden. Die ehelichen Gesellschafften sind die Haupt-Stützen des gemeinen Wesens. Die Macht, selbige nach Gefallen anzuordnen, indem dergleichen Gesetze und Ordnungen, wo nicht alle, doch fast alle, angehen, ist eines von denen allervornehmsten Kennzeichen der höchsten Gewalt und Majestät, das nimmermehr einem oder mehrern andern, die der Majestät nicht theilhafftig sind, sie mögen nun in eben derselben bürgerlichen Gesellschafft seyn oder nicht, überlassen, oder nur mit selbigen getheilet werden kan, wenn anders Einigkeit, ingleichen Fried und Ruhe in der Republicke beybehalten werden soll. Daraus folget nothwendig, daß derjenige, er sey nun von den Unterthanen, oder ausserhalb ein Fremder, der die Macht bekommen, nach seinem Gutachten die Ehen anzuordnen, und dieselben zuzulassen oder zu verbieten, das vornehmste Kennzeichen der Majestät besitze, und in Ansehen desselben auch die Könige und Fürsten selbst in seiner Gewalt habe, und entweder nach Gefallen ihren Willen zu beugen und zu brechen, oder doch unter Hoffnung, die Ehen begehrter massen zuzulassen, oder zu scheiden, greuliche Summen Geldes von ihnen zu erpressen, vielfältige Gelegenheit überkomme; zumahlen da gemeiniglich die Menschen, sie mögen nun tugendhafft

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[272/0280] wendeten vor, daß die Gegen-Parthey zwar von denen Kirchen. tradttionibus viel Geschrey machten, aber in der That dieselbe verachteten, und sich nur darauf berieffen, wenn selbige ihrer Parthey favorisirte, im Gegentheil selbige verwürffen, wenn sie nach ihrer Lehre nicht übereinstimmeten. Indessen sey es doch wahr, daß wenn man der gemeinen Meynung der Väter und Kirchen-Lehrer wiederspräche, und die neuern und sonderlichen Auslegungen der Schrifft vertheydigen wolte, daß dadurch allen Neuerungen und Ketzereyen Thür und Thor würden aufgethan werden. Als auch endlich der König des Papsts Kirchen-Gerichte beyseit setzte, und durch seine eigene Räthe und Bischöffe seine Ehe für null und nichtig erklähren liesse, so nahm der Papst diesen Eingriff in sein geistliches Amt höchst übel auf, und erklährete sich ohne Scheu, daß zwar der König den Kirchen-Bann verdienet hätte, aber daß er ihm doch aus Barmhertzigkeit hierzu etliche Monat Aufschub geben wolte, wenn er aber diese Zeit vorbeystreichen liesse, und nicht alles wieder in vorigen Stand setzen würde, daß alsdann der Kirchen-Bann unfehlbar erfolgen solte. §. X. Es ist auch nicht zu vergessen, daß unter der Lehre von dem Sacrament der Ehe / und denen daraus fliessenden übrigen Sätzen, allerhand Politische Geheimnüsse verdeckt liegen, daran dem gemeinen Wesen viel gelegen, daß selbige entdeckt werden. Die ehelichen Gesellschafften sind die Haupt-Stützen des gemeinen Wesens. Die Macht, selbige nach Gefallen anzuordnen, indem dergleichen Gesetze und Ordnungen, wo nicht alle, doch fast alle, angehen, ist eines von denen allervornehmsten Kennzeichen der höchsten Gewalt und Majestät, das nimmermehr einem oder mehrern andern, die der Majestät nicht theilhafftig sind, sie mögen nun in eben derselben bürgerlichen Gesellschafft seyn oder nicht, überlassen, oder nur mit selbigen getheilet werden kan, wenn anders Einigkeit, ingleichen Fried und Ruhe in der Republicke beybehalten werden soll. Daraus folget nothwendig, daß derjenige, er sey nun von den Unterthanen, oder ausserhalb ein Fremder, der die Macht bekommen, nach seinem Gutachten die Ehen anzuordnen, und dieselben zuzulassen oder zu verbieten, das vornehmste Kennzeichen der Majestät besitze, und in Ansehen desselben auch die Könige und Fürsten selbst in seiner Gewalt habe, und entweder nach Gefallen ihren Willen zu beugen und zu brechen, oder doch unter Hoffnung, die Ehen begehrter massen zuzulassen, oder zu scheiden, greuliche Summen Geldes von ihnen zu erpressen, vielfältige Gelegenheit überkomme; zumahlen da gemeiniglich die Menschen, sie mögen nun tugendhafft

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/280>, abgerufen am 24.11.2024.