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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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oder von Ehrgeitz, Geldgeitz und Wollust beherrschet seyn, auch so zu reden in den sauersten Apffel zu beissen, und die verdrießlichsten Dinge zu leiden pflegen, wenn sie nur entweder die von ihnen verlangte Ehen vollziehen dörffen, oder wegen entstandener und festgewurtzelter Feindschafft und Eckel oder Abscheu die beschwerlichen Ehen loß und davon erlöset werden können. Dannenhero kömmt es mir nicht anders vor, als daß, nach dem Kirchen-Bann / die Kirchen Gewalt in Ehe Sache das allervornehmste Mittel gewesen sey, dessen sich die Päpstische Clerisey Anfangs bedienet, sich vorerst der weltlichen Obrigkeit und deren Bothmäßigkeit zu entziehen; hernach aber den Läyen insgemein ihre Hälse mit unerträglichen Jochen zu beschwehren, und sonderlich über Könige und Fürsten die gröste Tyranney auszuüben; und zwar dieses alles unter dem Pharisäischen Schein sonderbahrer Frömmigkeit, Gottseeligkeit und Beförderung der Ehre GOttes. Absonderlich aber hat dieses Geheimnüß der weltlichen Obrigkeit nebst allen Layen desto mehr Sclaverey und Unterdrückung zu wege gebracht, weil der Papst der Clerisey alles Heyrathen verbothen und hingegen alle Geilheit verstattet, oder doch zum wenigsten ihr deßhalb durch die Finger gesehen. Denn wenn solches nicht geschehen wäre, so würden die von denen Obern in Ehe-Sachen gedruckte Geistliche sich mit denen unter eben diesem Joch seuffzenden Layen vereinigt, und also mit gesamter Hand sich dessen entlediget haben; da aber der gesamten Clerisey der Ehestand verbothen war, schmachteten also die Layen alleine unter diesem Joch, und wurden durch die gesamte Clerisey in der Klemme gehalten.

§. XI. Die Kurtz vorher angeführte Ehescheidung König HeinrichsDie abermahls durch voriges Exempel ererläutert werden. des IIX. von Engeland kan auch dieses erläutern, wie verwirrt die Lehre von Kirchen-Sachen auch unter den Canonisten selbst sey, dergestalt daß die Päpste allezeit nach ihrem guten Belieben in zweiffelhafften Fällen eine Mennung, welche sie wollen, wehlen, und doch hernach die Läyen, daß solche recht sey, bereden können; ingleichen, wie gar viel dem Papst daran gelegen seyn müsse, daß er von seiner praetendirten Gewalt in Ehe-Sachen nicht das allergeringste nachgebe, wenn auch diese Hartnäckigkeit mit augenscheinlicher Gefahr eines grossen zu befürchtenden Schadens vergesellschafftet wäre. Was das erste betrifft, weiset Burnet am besagten Orte, was für argumenta von beyden Theilen aus dem Päpstischen Rechte und der Scho astischen Theologie vorgebracht worden, dergestalt, daß es dem Papst ein leichtes gewesen, wenn sonst andere geheime Politische rationes ihn nicht abgehalten hätten, sich zu determiniren

oder von Ehrgeitz, Geldgeitz und Wollust beherrschet seyn, auch so zu reden in den sauersten Apffel zu beissen, und die verdrießlichsten Dinge zu leiden pflegen, wenn sie nur entweder die von ihnen verlangte Ehen vollziehen dörffen, oder wegen entstandener und festgewurtzelter Feindschafft und Eckel oder Abscheu die beschwerlichen Ehen loß und davon erlöset werden können. Dannenhero kömmt es mir nicht anders vor, als daß, nach dem Kirchen-Bann / die Kirchen Gewalt in Ehe Sache das allervornehmste Mittel gewesen sey, dessen sich die Päpstische Clerisey Anfangs bedienet, sich vorerst der weltlichen Obrigkeit und deren Bothmäßigkeit zu entziehen; hernach aber den Läyen insgemein ihre Hälse mit unerträglichen Jochen zu beschwehren, und sonderlich über Könige und Fürsten die gröste Tyranney auszuüben; und zwar dieses alles unter dem Pharisäischen Schein sonderbahrer Frömmigkeit, Gottseeligkeit und Beförderung der Ehre GOttes. Absonderlich aber hat dieses Geheimnüß der weltlichen Obrigkeit nebst allen Layen desto mehr Sclaverey und Unterdrückung zu wege gebracht, weil der Papst der Clerisey alles Heyrathen verbothen und hingegen alle Geilheit verstattet, oder doch zum wenigsten ihr deßhalb durch die Finger gesehen. Denn wenn solches nicht geschehen wäre, so würden die von denen Obern in Ehe-Sachen gedruckte Geistliche sich mit denen unter eben diesem Joch seuffzenden Layen vereinigt, und also mit gesamter Hand sich dessen entlediget haben; da aber der gesamten Clerisey der Ehestand verbothen war, schmachteten also die Layen alleine unter diesem Joch, und wurden durch die gesamte Clerisey in der Klemme gehalten.

§. XI. Die Kurtz vorher angeführte Ehescheidung König HeinrichsDie abermahls durch voriges Exempel ererläutert werden. des IIX. von Engeland kan auch dieses erläutern, wie verwirrt die Lehre von Kirchen-Sachen auch unter den Canonisten selbst sey, dergestalt daß die Päpste allezeit nach ihrem guten Belieben in zweiffelhafften Fällen eine Mennung, welche sie wollen, wehlen, und doch hernach die Läyen, daß solche recht sey, bereden können; ingleichen, wie gar viel dem Papst daran gelegen seyn müsse, daß er von seiner praetendirten Gewalt in Ehe-Sachen nicht das allergeringste nachgebe, wenn auch diese Hartnäckigkeit mit augenscheinlicher Gefahr eines grossen zu befürchtenden Schadens vergesellschafftet wäre. Was das erste betrifft, weiset Burnet am besagten Orte, was für argumenta von beyden Theilen aus dem Päpstischen Rechte und der Scho astischen Theologie vorgebracht worden, dergestalt, daß es dem Papst ein leichtes gewesen, wenn sonst andere geheime Politische rationes ihn nicht abgehalten hätten, sich zu determiniren

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[273/0281] oder von Ehrgeitz, Geldgeitz und Wollust beherrschet seyn, auch so zu reden in den sauersten Apffel zu beissen, und die verdrießlichsten Dinge zu leiden pflegen, wenn sie nur entweder die von ihnen verlangte Ehen vollziehen dörffen, oder wegen entstandener und festgewurtzelter Feindschafft und Eckel oder Abscheu die beschwerlichen Ehen loß und davon erlöset werden können. Dannenhero kömmt es mir nicht anders vor, als daß, nach dem Kirchen-Bann / die Kirchen Gewalt in Ehe Sache das allervornehmste Mittel gewesen sey, dessen sich die Päpstische Clerisey Anfangs bedienet, sich vorerst der weltlichen Obrigkeit und deren Bothmäßigkeit zu entziehen; hernach aber den Läyen insgemein ihre Hälse mit unerträglichen Jochen zu beschwehren, und sonderlich über Könige und Fürsten die gröste Tyranney auszuüben; und zwar dieses alles unter dem Pharisäischen Schein sonderbahrer Frömmigkeit, Gottseeligkeit und Beförderung der Ehre GOttes. Absonderlich aber hat dieses Geheimnüß der weltlichen Obrigkeit nebst allen Layen desto mehr Sclaverey und Unterdrückung zu wege gebracht, weil der Papst der Clerisey alles Heyrathen verbothen und hingegen alle Geilheit verstattet, oder doch zum wenigsten ihr deßhalb durch die Finger gesehen. Denn wenn solches nicht geschehen wäre, so würden die von denen Obern in Ehe-Sachen gedruckte Geistliche sich mit denen unter eben diesem Joch seuffzenden Layen vereinigt, und also mit gesamter Hand sich dessen entlediget haben; da aber der gesamten Clerisey der Ehestand verbothen war, schmachteten also die Layen alleine unter diesem Joch, und wurden durch die gesamte Clerisey in der Klemme gehalten. §. XI. Die Kurtz vorher angeführte Ehescheidung König Heinrichs des IIX. von Engeland kan auch dieses erläutern, wie verwirrt die Lehre von Kirchen-Sachen auch unter den Canonisten selbst sey, dergestalt daß die Päpste allezeit nach ihrem guten Belieben in zweiffelhafften Fällen eine Mennung, welche sie wollen, wehlen, und doch hernach die Läyen, daß solche recht sey, bereden können; ingleichen, wie gar viel dem Papst daran gelegen seyn müsse, daß er von seiner praetendirten Gewalt in Ehe-Sachen nicht das allergeringste nachgebe, wenn auch diese Hartnäckigkeit mit augenscheinlicher Gefahr eines grossen zu befürchtenden Schadens vergesellschafftet wäre. Was das erste betrifft, weiset Burnet am besagten Orte, was für argumenta von beyden Theilen aus dem Päpstischen Rechte und der Scho astischen Theologie vorgebracht worden, dergestalt, daß es dem Papst ein leichtes gewesen, wenn sonst andere geheime Politische rationes ihn nicht abgehalten hätten, sich zu determiniren Die abermahls durch voriges Exempel ererläutert werden.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/281>, abgerufen am 24.11.2024.