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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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veneriret zu werden, als etwa noch vor 30. Jahren geschehen; aber nichts destoweniger sich noch eine grosse Menge von gelehrten Leuten unter uns befindet, die gar gerne entweder ein paar Leichen-Predigten umsonst halten, oder über die Institutiones gratis lesen, oder etliche Pfund Pillen verschencken solten, wenn sie es dahin bringen könten; daß die Evangelischen Landes-Herren ihnen vergönneten, wegen dieses zu Beybehaltung ihrer Infallibilität so nöthigen Glaubens-Artickels vom Hexen-Teuffel eine Zusammenkunfft (es möchte nun wieder in dem Closter zu Berge, oder sonst wo seyn) zu halten, und eine neue formulam concordiae zu schmieden, und diejenige, so dieselbe nicht unterschreiben wolten, aus dem Lande zu jagen. Zudem so ist der gegenwärtige Handel also beschaffen, daß auch nach der gemeinen Lehre der Catholischen in demselben kein tüchtig indicium von der Hexerey anzutreffen, und also bey dieser tummen Conduite des Amtmanns hauptsächlich gar nicht darauf zu sehen war, daß die Sache einen Hexen-Handel betraff, sondern er vermuthlich auch in andern Fällen genug Proben von seiner Alberkeit werde gegeben haben: Aber auch hieran ware die Catholische Religion nicht schuld; denn wir finden auch unter denen Evangelischen Gerichts-Beamten noch täglich dergleichen Exempel; massen nicht leichte ein Monath vorbeygehet, da nicht ein dergleichen Exempel solte in denen Collegiis Juridicis vorkommen. Die hauptsächliche Ursache dieser Alberkeit kan ich auch nicht wohl des Mannes Unfleisse auf Universitäten oder sonst seinen bösen Begierden oder lasterhafften inclinationen zuschreiben: denn allem Anschen nach mag er wohl auf den Universitäten seinen cursum Juris, wie er auf Universitäten damahl getrieben wurde, wohl inne gehabt haben; ja ich finde in den gesamten Acten mehr indicia eines Fleisses und einer Ehrlichkeit, als Faulheit und lasterhafftiger Affecten. Und ich glaube, der Leser wird mit mir dißfalls einig seyn, wenn er den allhier exhibirten Extract der Acten wird gelesen haben. Also bleibet nun wohl nichts übrig, als ein natürlicher defectus judicii, den er doch auch mit vielen von der Evangelischen Religion abermahls gemein hat.

§. II. Ob nun wohl bey dieser Beschaffenheit der Nutzen diesesAnmuthigkeit dieses Handels. Relation der ersten Handels fürnehmlich nicht dahin zielet, die absurdität der Lehre vom Hexen-Teuffel daraus zu erläutern, so wird doch der Umbstand, daß sich der gute Mann eingebildet, die ihm verdächtigen Leute wären wahrhafftig Hexen, dem Leser diesen Handel nicht verdrießlich machen, sondern um desto angenehmer seyn, wenn er siehet, was abergläubische Lehren bey Leu

veneriret zu werden, als etwa noch vor 30. Jahren geschehen; aber nichts destoweniger sich noch eine grosse Menge von gelehrten Leuten unter uns befindet, die gar gerne entweder ein paar Leichen-Predigten umsonst halten, oder über die Institutiones gratis lesen, oder etliche Pfund Pillen verschencken solten, wenn sie es dahin bringen könten; daß die Evangelischen Landes-Herren ihnen vergönneten, wegen dieses zu Beybehaltung ihrer Infallibilität so nöthigen Glaubens-Artickels vom Hexen-Teuffel eine Zusammenkunfft (es möchte nun wieder in dem Closter zu Berge, oder sonst wo seyn) zu halten, und eine neue formulam concordiae zu schmieden, und diejenige, so dieselbe nicht unterschreiben wolten, aus dem Lande zu jagen. Zudem so ist der gegenwärtige Handel also beschaffen, daß auch nach der gemeinen Lehre der Catholischen in demselben kein tüchtig indicium von der Hexerey anzutreffen, und also bey dieser tummen Conduite des Amtmanns hauptsächlich gar nicht darauf zu sehen war, daß die Sache einen Hexen-Handel betraff, sondern er vermuthlich auch in andern Fällen genug Proben von seiner Alberkeit werde gegeben haben: Aber auch hieran ware die Catholische Religion nicht schuld; denn wir finden auch unter denen Evangelischen Gerichts-Beamten noch täglich dergleichen Exempel; massen nicht leichte ein Monath vorbeygehet, da nicht ein dergleichen Exempel solte in denen Collegiis Juridicis vorkommen. Die hauptsächliche Ursache dieser Alberkeit kan ich auch nicht wohl des Mannes Unfleisse auf Universitäten oder sonst seinen bösen Begierden oder lasterhafften inclinationen zuschreiben: denn allem Anschen nach mag er wohl auf den Universitäten seinen cursum Juris, wie er auf Universitäten damahl getrieben wurde, wohl inne gehabt haben; ja ich finde in den gesamten Acten mehr indicia eines Fleisses und einer Ehrlichkeit, als Faulheit und lasterhafftiger Affecten. Und ich glaube, der Leser wird mit mir dißfalls einig seyn, wenn er den allhier exhibirten Extract der Acten wird gelesen haben. Also bleibet nun wohl nichts übrig, als ein natürlicher defectus judicii, den er doch auch mit vielen von der Evangelischen Religion abermahls gemein hat.

§. II. Ob nun wohl bey dieser Beschaffenheit der Nutzen diesesAnmuthigkeit dieses Handels. Relation der ersten Handels fürnehmlich nicht dahin zielet, die absurdität der Lehre vom Hexen-Teuffel daraus zu erläutern, so wird doch der Umbstand, daß sich der gute Mann eingebildet, die ihm verdächtigen Leute wären wahrhafftig Hexen, dem Leser diesen Handel nicht verdrießlich machen, sondern um desto angenehmer seyn, wenn er siehet, was abergläubische Lehren bey Leu

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[301/0309] veneriret zu werden, als etwa noch vor 30. Jahren geschehen; aber nichts destoweniger sich noch eine grosse Menge von gelehrten Leuten unter uns befindet, die gar gerne entweder ein paar Leichen-Predigten umsonst halten, oder über die Institutiones gratis lesen, oder etliche Pfund Pillen verschencken solten, wenn sie es dahin bringen könten; daß die Evangelischen Landes-Herren ihnen vergönneten, wegen dieses zu Beybehaltung ihrer Infallibilität so nöthigen Glaubens-Artickels vom Hexen-Teuffel eine Zusammenkunfft (es möchte nun wieder in dem Closter zu Berge, oder sonst wo seyn) zu halten, und eine neue formulam concordiae zu schmieden, und diejenige, so dieselbe nicht unterschreiben wolten, aus dem Lande zu jagen. Zudem so ist der gegenwärtige Handel also beschaffen, daß auch nach der gemeinen Lehre der Catholischen in demselben kein tüchtig indicium von der Hexerey anzutreffen, und also bey dieser tummen Conduite des Amtmanns hauptsächlich gar nicht darauf zu sehen war, daß die Sache einen Hexen-Handel betraff, sondern er vermuthlich auch in andern Fällen genug Proben von seiner Alberkeit werde gegeben haben: Aber auch hieran ware die Catholische Religion nicht schuld; denn wir finden auch unter denen Evangelischen Gerichts-Beamten noch täglich dergleichen Exempel; massen nicht leichte ein Monath vorbeygehet, da nicht ein dergleichen Exempel solte in denen Collegiis Juridicis vorkommen. Die hauptsächliche Ursache dieser Alberkeit kan ich auch nicht wohl des Mannes Unfleisse auf Universitäten oder sonst seinen bösen Begierden oder lasterhafften inclinationen zuschreiben: denn allem Anschen nach mag er wohl auf den Universitäten seinen cursum Juris, wie er auf Universitäten damahl getrieben wurde, wohl inne gehabt haben; ja ich finde in den gesamten Acten mehr indicia eines Fleisses und einer Ehrlichkeit, als Faulheit und lasterhafftiger Affecten. Und ich glaube, der Leser wird mit mir dißfalls einig seyn, wenn er den allhier exhibirten Extract der Acten wird gelesen haben. Also bleibet nun wohl nichts übrig, als ein natürlicher defectus judicii, den er doch auch mit vielen von der Evangelischen Religion abermahls gemein hat. §. II. Ob nun wohl bey dieser Beschaffenheit der Nutzen dieses Handels fürnehmlich nicht dahin zielet, die absurdität der Lehre vom Hexen-Teuffel daraus zu erläutern, so wird doch der Umbstand, daß sich der gute Mann eingebildet, die ihm verdächtigen Leute wären wahrhafftig Hexen, dem Leser diesen Handel nicht verdrießlich machen, sondern um desto angenehmer seyn, wenn er siehet, was abergläubische Lehren bey Leu Anmuthigkeit dieses Handels. Relation der ersten

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/309>, abgerufen am 21.11.2024.