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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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Tage etliche Stunden zu der Nonna, und wenn er mit delicaten Speisen gesättiget wurde, gieng er Abends wieder in das Castell, und legte sich zu Bette. Nach einiger Zeit nahmen der Nonna Kräfften ab, daß sie von hohem Alter beschweret, weder aus dem Hauß mehr gehen, noch stehen, noch lange sitzen kunte, sondern stets liegen muste, da sie denn in dem Bette ihren Rosen Crantz gebetet und andere Gebete zu GOtt vor sich und ihre Familie abgeschicket. Von denen wohlgerathenen Kindern wurde nichts unterlassen, so zu Trost und Erqvickung der Mutter dienete. Der Affe fande sich auch öffter, als er sonst pflegte, ein, und wiche fast nie von dem Schlaff-Gemach und Angesicht der Frauen; welche ihn dazumahl mit allerhand Schlecker Bißgen, absonderlich mit Honig und Zucker und andern delicatessen unterhielte. Endlich aber, als zu der vorigen Schwachheit ein Fieber geschlagen, starb die alte Frau. Inzwischen als alle Anstalt zu einem prächtigen Leichen-Conduct, ihrem Stande gemäß, gemachet wurde, wuschen sie zu Hause den Cörper der Verstorbenen, besprengten ihn mit wohlechenden Sachen, und nach angezogenen neuen Kleidern legten sie ihn in die Baare, ingleichen wurden die Kopff-Binden und der Schleyer, wie sie bey Lebzeiten pflegte, zierlich um das Haupt gewunden, daß von beyden Seiten die längsten Theil über die Ohren herunter hiengen. Es kamen indessen auch gantze Schaaren von Priester und Mönchen, die in einer langen Procession die Leiche biß zu seiner Ruhstatt begleiteten. Indem dieses alles geschahe, und jederman in dem untern Theil des Hauses mit der Leiche beschäfftiget war, schliche der Affe heimlich in der Frauen Schlaff Kammer, und fraß alles auf, was von niedlichen und kostbahren Sachen, in denen Lädgen und Schälgen anzutreffen war, als ob er nach der Frauen Tod der Erbe darzu wäre. Nachdem nun das liebe Thierchen sich solchergestalt den Bauch ziemlich gefüllet / bekam es eine ungewöhnliche Begierde in dem Bette zu liegen, auf welchem die Nonna nach der Mahlzeit sanfft und wohl zu ruhen pflegte. Als sich der Affe nun dahin verfügte, sahe er auf dem Haupt-Küssen den Schleyer mit den Binden und andern Kopf Zierrath liegen, welchen die Mägde der verstorbenen Frauen abgenommen, daß sie ihr einen weissern und reinern umthäten. Er verweilte nicht, sondern weil er kurtz zuvor gesehen / wie der Verstorbenen Haupt aufgeputzet ward, nahm er als ein curieuser Zuscher und listiger Nachahmer den Zierrath, und putzte damit seinen Kopf aufs beste, er band die Binden um die Stirne, und zog einen gegitterten Schleyer gantz artig darüber. Also stieg er manier

Tage etliche Stunden zu der Nonna, und wenn er mit delicaten Speisen gesättiget wurde, gieng er Abends wieder in das Castell, und legte sich zu Bette. Nach einiger Zeit nahmen der Nonna Kräfften ab, daß sie von hohem Alter beschweret, weder aus dem Hauß mehr gehen, noch stehen, noch lange sitzen kunte, sondern stets liegen muste, da sie denn in dem Bette ihren Rosen Crantz gebetet und andere Gebete zu GOtt vor sich und ihre Familie abgeschicket. Von denen wohlgerathenen Kindern wurde nichts unterlassen, so zu Trost und Erqvickung der Mutter dienete. Der Affe fande sich auch öffter, als er sonst pflegte, ein, und wiche fast nie von dem Schlaff-Gemach und Angesicht der Frauen; welche ihn dazumahl mit allerhand Schlecker Bißgen, absonderlich mit Honig und Zucker und andern delicatessen unterhielte. Endlich aber, als zu der vorigen Schwachheit ein Fieber geschlagen, starb die alte Frau. Inzwischen als alle Anstalt zu einem prächtigen Leichen-Conduct, ihrem Stande gemäß, gemachet wurde, wuschen sie zu Hause den Cörper der Verstorbenen, besprengten ihn mit wohlechenden Sachen, und nach angezogenen neuen Kleidern legten sie ihn in die Baare, ingleichen wurden die Kopff-Binden und der Schleyer, wie sie bey Lebzeiten pflegte, zierlich um das Haupt gewunden, daß von beyden Seiten die längsten Theil über die Ohren herunter hiengen. Es kamen indessen auch gantze Schaaren von Priester und Mönchen, die in einer langen Procession die Leiche biß zu seiner Ruhstatt begleiteten. Indem dieses alles geschahe, und jederman in dem untern Theil des Hauses mit der Leiche beschäfftiget war, schliche der Affe heimlich in der Frauen Schlaff Kammer, und fraß alles auf, was von niedlichen und kostbahren Sachen, in denen Lädgen und Schälgen anzutreffen war, als ob er nach der Frauen Tod der Erbe darzu wäre. Nachdem nun das liebe Thierchen sich solchergestalt den Bauch ziemlich gefüllet / bekam es eine ungewöhnliche Begierde in dem Bette zu liegen, auf welchem die Nonna nach der Mahlzeit sanfft und wohl zu ruhen pflegte. Als sich der Affe nun dahin verfügte, sahe er auf dem Haupt-Küssen den Schleyer mit den Binden und andern Kopf Zierrath liegen, welchen die Mägde der verstorbenen Frauen abgenommen, daß sie ihr einen weissern und reinern umthäten. Er verweilte nicht, sondern weil er kurtz zuvor gesehen / wie der Verstorbenen Haupt aufgeputzet ward, nahm er als ein curieuser Zuscher und listiger Nachahmer den Zierrath, und putzte damit seinen Kopf aufs beste, er band die Binden um die Stirne, und zog einen gegitterten Schleyer gantz artig darüber. Also stieg er manier

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[336/0344] Tage etliche Stunden zu der Nonna, und wenn er mit delicaten Speisen gesättiget wurde, gieng er Abends wieder in das Castell, und legte sich zu Bette. Nach einiger Zeit nahmen der Nonna Kräfften ab, daß sie von hohem Alter beschweret, weder aus dem Hauß mehr gehen, noch stehen, noch lange sitzen kunte, sondern stets liegen muste, da sie denn in dem Bette ihren Rosen Crantz gebetet und andere Gebete zu GOtt vor sich und ihre Familie abgeschicket. Von denen wohlgerathenen Kindern wurde nichts unterlassen, so zu Trost und Erqvickung der Mutter dienete. Der Affe fande sich auch öffter, als er sonst pflegte, ein, und wiche fast nie von dem Schlaff-Gemach und Angesicht der Frauen; welche ihn dazumahl mit allerhand Schlecker Bißgen, absonderlich mit Honig und Zucker und andern delicatessen unterhielte. Endlich aber, als zu der vorigen Schwachheit ein Fieber geschlagen, starb die alte Frau. Inzwischen als alle Anstalt zu einem prächtigen Leichen-Conduct, ihrem Stande gemäß, gemachet wurde, wuschen sie zu Hause den Cörper der Verstorbenen, besprengten ihn mit wohlechenden Sachen, und nach angezogenen neuen Kleidern legten sie ihn in die Baare, ingleichen wurden die Kopff-Binden und der Schleyer, wie sie bey Lebzeiten pflegte, zierlich um das Haupt gewunden, daß von beyden Seiten die längsten Theil über die Ohren herunter hiengen. Es kamen indessen auch gantze Schaaren von Priester und Mönchen, die in einer langen Procession die Leiche biß zu seiner Ruhstatt begleiteten. Indem dieses alles geschahe, und jederman in dem untern Theil des Hauses mit der Leiche beschäfftiget war, schliche der Affe heimlich in der Frauen Schlaff Kammer, und fraß alles auf, was von niedlichen und kostbahren Sachen, in denen Lädgen und Schälgen anzutreffen war, als ob er nach der Frauen Tod der Erbe darzu wäre. Nachdem nun das liebe Thierchen sich solchergestalt den Bauch ziemlich gefüllet / bekam es eine ungewöhnliche Begierde in dem Bette zu liegen, auf welchem die Nonna nach der Mahlzeit sanfft und wohl zu ruhen pflegte. Als sich der Affe nun dahin verfügte, sahe er auf dem Haupt-Küssen den Schleyer mit den Binden und andern Kopf Zierrath liegen, welchen die Mägde der verstorbenen Frauen abgenommen, daß sie ihr einen weissern und reinern umthäten. Er verweilte nicht, sondern weil er kurtz zuvor gesehen / wie der Verstorbenen Haupt aufgeputzet ward, nahm er als ein curieuser Zuscher und listiger Nachahmer den Zierrath, und putzte damit seinen Kopf aufs beste, er band die Binden um die Stirne, und zog einen gegitterten Schleyer gantz artig darüber. Also stieg er manier

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/344>, abgerufen am 21.11.2024.