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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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tion gantz aperte wegen der selbst gelittenen vorgegebenen Injurie geschehen, so kan der Herren Lipsiensium disfalls angeführte ratio decidendi Christophen nicht praejudiciren; wobey sonderlich noch dieses zu beobachten ist, daß wenn man in dem Inquisitions-Process auf die eydliche Aussage der Denuncianten de injuria propria in decernenda tortura reflectiren wolte, dieses inconveniens daraus erfolgen würde, daß dergleichen Leute ihre condition in processu Inquisitorio besser, derer reorum aber ihre condition schlimmer seyn würde, als in processu accusatorio. Denn es ist ja bekant, daß in processu accusatorio Actore non probante der reus nicht torquiret werden kan, wie ingleichen daß der Actor, wenn er nichts probiret, nicht einmahl in processu civili, geschweige denn in criminali, in welchem sonsten probationes multo clariores erfordert werden, zum Jurament zugelassen werde. Wenn nun ein peinlicher Kläger, wenn er den processum Inquisitorium wehlete, und die gelittene Injuriam deducirte, so fort zum Jurament zugelassen würde, so würde er allemahl besagtes Axioma eludiren, und an statt des processus accusatorii den Inquisitorium wehlen. Zu geschweigen, daß wenn die Denunciation ein solch privilegium mit sich führen solte, dieses offenbahrlich daraus folgen würde, daß, wenn die beyden Hallorum denen Schülern zuvorkommen wären und die denenselben Schuld gegebene Gewaltthat an denen Weibes-Personen denunciret, auch diese Denunciation (wie itzo die Schüler die ihrige) beschworen hätten, so würden nach der Herren Lipsiensium argumentation die Schüler anitzo der Tortur gewärtig seyn, die Hallorum aber nicht einmahl als Inquisiten, sondern gleichwie die Schüler, als testes tractiret werden müssen; dergleichen Würckung der praevention in criminalibus doch niemahlen ein JCtus zugeschrieben, noch salvis principiis juris zuschreiben können. Hierzu kömmt noch ferner, daß per deducta wieder die Schüler starcke Vermuthungen seyn, daß sie bey den entstandenen Zanck-Händeln autores rixae gewesen, und dannenhero bey diesen Umbständen destoweniger zum Juramento testium hätten zugelassen werden sollen. So ist auch dieses nicht zu vergessen, daß ihre Aussage in vielen Umständen von des Zeugen Buchners seiner deposition discrepant ist. Denn wann sie (1) vorgeben

fol. 1. b.

die Weibes-Personen hätten Christel, Christel geruffen, so saget Buchner,

fol. 9. b. ad Art. 7.

er hätte wohl gehöret, daß sie Hülffe, Hülffe geruffen, daß sie aber Christel geruffen, hätte er nicht gehöret;

Conf. ejusd. testis Aussage ad art. 10. f. 77. b.

(2) Wenn die Schüler

fol. 1. b.

vorgeben, die Weibs-Personen hätten sie von hintenwärts, die Hallorum aber

tion gantz aperte wegen der selbst gelittenen vorgegebenen Injurie geschehen, so kan der Herren Lipsiensium disfalls angeführte ratio decidendi Christophen nicht praejudiciren; wobey sonderlich noch dieses zu beobachten ist, daß wenn man in dem Inquisitions-Process auf die eydliche Aussage der Denuncianten de injuria propria in decernenda tortura reflectiren wolte, dieses inconveniens daraus erfolgen würde, daß dergleichen Leute ihre condition in processu Inquisitorio besser, derer reorum aber ihre condition schlimmer seyn würde, als in processu accusatorio. Denn es ist ja bekant, daß in processu accusatorio Actore non probante der reus nicht torquiret werden kan, wie ingleichen daß der Actor, wenn er nichts probiret, nicht einmahl in processu civili, geschweige denn in criminali, in welchem sonsten probationes multo clariores erfordert werden, zum Jurament zugelassen werde. Wenn nun ein peinlicher Kläger, wenn er den processum Inquisitorium wehlete, und die gelittene Injuriam deducirte, so fort zum Jurament zugelassen würde, so würde er allemahl besagtes Axioma eludiren, und an statt des processus accusatorii den Inquisitorium wehlen. Zu geschweigen, daß wenn die Denunciation ein solch privilegium mit sich führen solte, dieses offenbahrlich daraus folgen würde, daß, wenn die beyden Hallorum denen Schülern zuvorkommen wären und die denenselben Schuld gegebene Gewaltthat an denen Weibes-Personen denunciret, auch diese Denunciation (wie itzo die Schüler die ihrige) beschworen hätten, so würden nach der Herren Lipsiensium argumentation die Schüler anitzo der Tortur gewärtig seyn, die Hallorum aber nicht einmahl als Inquisiten, sondern gleichwie die Schüler, als testes tractiret werden müssen; dergleichen Würckung der praevention in criminalibus doch niemahlen ein JCtus zugeschrieben, noch salvis principiis juris zuschreiben können. Hierzu kömmt noch ferner, daß per deducta wieder die Schüler starcke Vermuthungen seyn, daß sie bey den entstandenen Zanck-Händeln autores rixae gewesen, und dannenhero bey diesen Umbständen destoweniger zum Juramento testium hätten zugelassen werden sollen. So ist auch dieses nicht zu vergessen, daß ihre Aussage in vielen Umständen von des Zeugen Buchners seiner deposition discrepant ist. Denn wann sie (1) vorgeben

fol. 1. b.

die Weibes-Personen hätten Christel, Christel geruffen, so saget Buchner,

fol. 9. b. ad Art. 7.

er hätte wohl gehöret, daß sie Hülffe, Hülffe geruffen, daß sie aber Christel geruffen, hätte er nicht gehöret;

Conf. ejusd. testis Aussage ad art. 10. f. 77. b.

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vorgeben, die Weibs-Personen hätten sie von hintenwärts, die Hallorum aber

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[88/0096] tion gantz aperte wegen der selbst gelittenen vorgegebenen Injurie geschehen, so kan der Herren Lipsiensium disfalls angeführte ratio decidendi Christophen nicht praejudiciren; wobey sonderlich noch dieses zu beobachten ist, daß wenn man in dem Inquisitions-Process auf die eydliche Aussage der Denuncianten de injuria propria in decernenda tortura reflectiren wolte, dieses inconveniens daraus erfolgen würde, daß dergleichen Leute ihre condition in processu Inquisitorio besser, derer reorum aber ihre condition schlimmer seyn würde, als in processu accusatorio. Denn es ist ja bekant, daß in processu accusatorio Actore non probante der reus nicht torquiret werden kan, wie ingleichen daß der Actor, wenn er nichts probiret, nicht einmahl in processu civili, geschweige denn in criminali, in welchem sonsten probationes multo clariores erfordert werden, zum Jurament zugelassen werde. Wenn nun ein peinlicher Kläger, wenn er den processum Inquisitorium wehlete, und die gelittene Injuriam deducirte, so fort zum Jurament zugelassen würde, so würde er allemahl besagtes Axioma eludiren, und an statt des processus accusatorii den Inquisitorium wehlen. Zu geschweigen, daß wenn die Denunciation ein solch privilegium mit sich führen solte, dieses offenbahrlich daraus folgen würde, daß, wenn die beyden Hallorum denen Schülern zuvorkommen wären und die denenselben Schuld gegebene Gewaltthat an denen Weibes-Personen denunciret, auch diese Denunciation (wie itzo die Schüler die ihrige) beschworen hätten, so würden nach der Herren Lipsiensium argumentation die Schüler anitzo der Tortur gewärtig seyn, die Hallorum aber nicht einmahl als Inquisiten, sondern gleichwie die Schüler, als testes tractiret werden müssen; dergleichen Würckung der praevention in criminalibus doch niemahlen ein JCtus zugeschrieben, noch salvis principiis juris zuschreiben können. Hierzu kömmt noch ferner, daß per deducta wieder die Schüler starcke Vermuthungen seyn, daß sie bey den entstandenen Zanck-Händeln autores rixae gewesen, und dannenhero bey diesen Umbständen destoweniger zum Juramento testium hätten zugelassen werden sollen. So ist auch dieses nicht zu vergessen, daß ihre Aussage in vielen Umständen von des Zeugen Buchners seiner deposition discrepant ist. Denn wann sie (1) vorgeben fol. 1. b. die Weibes-Personen hätten Christel, Christel geruffen, so saget Buchner, fol. 9. b. ad Art. 7. er hätte wohl gehöret, daß sie Hülffe, Hülffe geruffen, daß sie aber Christel geruffen, hätte er nicht gehöret; Conf. ejusd. testis Aussage ad art. 10. f. 77. b. (2) Wenn die Schüler fol. 1. b. vorgeben, die Weibs-Personen hätten sie von hintenwärts, die Hallorum aber

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/96>, abgerufen am 29.11.2024.