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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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Inquisitin kommen, und nach der Mühle worauff die Möllersche geschütet gehabt, gelauffen, habe so dann in den Kasten, worinnen das Korn gewesen, gegriffen und darinnen gerühret, und sey darauf wieder aus der Mühle gangen: Hierauf wäre die Möllersche nach ihren Korn gegangen, und hätte unten in Kasten den Schrot mit der Schauffel angefasset, worauf es ihr gleich in die Finger, aus den Fingern in den Arm, wie eine Mauß gefahren, darüber sie grosse Schmertzen empfunden: Sonderlich hätte sie grossen appetit zum Trincken gehabt, wenn man ihr aber zu trincken gereicht, wäre sie mit gleichen Füssen indie Höhe gesprungen, so, daß sie niemand halten, noch ihr etwas in den Mund bringen können: Wann die Stuben-Thür, oder ein Fenster auffgemacht worden, und sie die frische Lufft gemercket, hätte sie ersticken wollen, sonst aber wäre sie gesund und verständig gewesen: Sie hätte gesagt, Inquisitin wäre schuld an ihrem Unglücke, deßhalben sie auch Ach und Weh über dieselbe geruffen; trockene Speise hätte sie geniessen können, aber keine Früchte: Endlich wäre sie gestorben, da die Kranckheit nur etwa zwey Tage recht gewähret. Als diese Frau begraben worden, solle Inquisitin auch mitgegangen seyn, und sich durch die Leute gedrungen haben, daß sie die Leiche sehen könte: als nun im Zurück gehen eine andre Frau ihr vorgehalten hätte, was die Leute redeten, und warumb Inquisitin der Frau nicht wieder geholffen hätte, habe sie geantwortet: Man hätte sie ja zu der Verstorbenen nicht hinein lassen wollen, sie wäre da gewesen. (In des Pfarres attestato fol. 6. wird die Sache mit andern Umständen, so viel die Zeit betrifft, erzehlet. Was in der Mühle passiret, sey am Sontage geschehen, Montags drauf hätte die Möllersche erst das Reissen in Armen und Fingern gefühlet und Freytags wäre erst die rechte Kranckheit angegangen. So war auch ex actis fol 8. zu sehen daß dieselbe Zeit auch viel andre Leute und Weiber gestorben.) Als nun hierauf die Acta verschickt worden, haben die Herren Scabini Jenenses auf diese summariter verzeichnete puncte fol. 4. erkannt; Daß Inquisitin zur Captur zu bringen, ihres Lebens und Wandels halben weitere Nachricht einzuziehen, Articul abzufassen &c.

Der andre actus.

§. IV Dieses Urtheil ließ sich nun nicht gut für die Inquisitin an, und dürffte mancher von denen gewöhnlichen Hexen-Processen eingenommener Leser wohl dencken, daß dieses exempel wohl nicht zu der rubric oder titul dieses Handels gehöre: Allein ein klein wenig Gedult. Wer den damahligen Zustand der Herren JCtorum Jenensi-

Inquisitin kommen, und nach der Mühle worauff die Möllersche geschütet gehabt, gelauffen, habe so dann in den Kasten, worinnen das Korn gewesen, gegriffen und darinnen gerühret, und sey darauf wieder aus der Mühle gangen: Hierauf wäre die Möllersche nach ihren Korn gegangen, und hätte unten in Kasten den Schrot mit der Schauffel angefasset, worauf es ihr gleich in die Finger, aus den Fingern in den Arm, wie eine Mauß gefahren, darüber sie grosse Schmertzen empfunden: Sonderlich hätte sie grossen appetit zum Trincken gehabt, wenn man ihr aber zu trincken gereicht, wäre sie mit gleichen Füssen indie Höhe gesprungen, so, daß sie niemand halten, noch ihr etwas in den Mund bringen können: Wann die Stuben-Thür, oder ein Fenster auffgemacht worden, und sie die frische Lufft gemercket, hätte sie ersticken wollen, sonst aber wäre sie gesund und verständig gewesen: Sie hätte gesagt, Inquisitin wäre schuld an ihrem Unglücke, deßhalben sie auch Ach und Weh über dieselbe geruffen; trockene Speise hätte sie geniessen können, aber keine Früchte: Endlich wäre sie gestorben, da die Kranckheit nur etwa zwey Tage recht gewähret. Als diese Frau begraben worden, solle Inquisitin auch mitgegangen seyn, und sich durch die Leute gedrungen haben, daß sie die Leiche sehen könte: als nun im Zurück gehen eine andre Frau ihr vorgehalten hätte, was die Leute redeten, und warumb Inquisitin der Frau nicht wieder geholffen hätte, habe sie geantwortet: Man hätte sie ja zu der Verstorbenen nicht hinein lassen wollen, sie wäre da gewesen. (In des Pfarres attestato fol. 6. wird die Sache mit andern Umständen, so viel die Zeit betrifft, erzehlet. Was in der Mühle passiret, sey am Sontage geschehen, Montags drauf hätte die Möllersche erst das Reissen in Armen und Fingern gefühlet und Freytags wäre erst die rechte Kranckheit angegangen. So war auch ex actis fol 8. zu sehen daß dieselbe Zeit auch viel andre Leute und Weiber gestorben.) Als nun hierauf die Acta verschickt worden, haben die Herren Scabini Jenenses auf diese summariter verzeichnete puncte fol. 4. erkannt; Daß Inquisitin zur Captur zu bringen, ihres Lebens und Wandels halben weitere Nachricht einzuziehen, Articul abzufassen &c.

Der andre actus.

§. IV Dieses Urtheil ließ sich nun nicht gut für die Inquisitin an, und dürffte mancher von denen gewöhnlichen Hexen-Processen eingenommener Leser wohl dencken, daß dieses exempel wohl nicht zu der rubric oder titul dieses Handels gehöre: Allein ein klein wenig Gedult. Wer den damahligen Zustand der Herren JCtorum Jenensi-

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Inquisitin kommen, und nach der Mühle worauff die Möllersche geschütet gehabt,                      gelauffen, habe so dann in den Kasten, worinnen das Korn gewesen, gegriffen und                      darinnen gerühret, und sey darauf wieder aus der Mühle gangen: Hierauf wäre die                      Möllersche nach ihren Korn gegangen, und hätte unten in Kasten den Schrot mit                      der Schauffel angefasset, worauf es ihr gleich in die Finger, aus den Fingern in                      den Arm, wie eine Mauß gefahren, darüber sie grosse Schmertzen empfunden:                      Sonderlich hätte sie grossen appetit zum Trincken gehabt, wenn man ihr aber zu                      trincken gereicht, wäre sie mit gleichen Füssen indie Höhe gesprungen, so, daß                      sie niemand halten, noch ihr etwas in den Mund bringen können: Wann die                      Stuben-Thür, oder ein Fenster auffgemacht worden, und sie die frische Lufft                      gemercket, hätte sie ersticken wollen, sonst aber wäre sie gesund und verständig                      gewesen: Sie hätte gesagt, Inquisitin wäre schuld an ihrem Unglücke, deßhalben                      sie auch Ach und Weh über dieselbe geruffen; trockene Speise hätte sie geniessen                      können, aber keine Früchte: Endlich wäre sie gestorben, da die Kranckheit nur                      etwa zwey Tage recht gewähret. Als diese Frau begraben worden, solle Inquisitin                      auch mitgegangen seyn, und sich durch die Leute gedrungen haben, daß sie die                      Leiche sehen könte: als nun im Zurück gehen eine andre Frau ihr vorgehalten                      hätte, was die Leute redeten, und warumb Inquisitin der Frau nicht wieder                      geholffen hätte, habe sie geantwortet: Man hätte sie ja zu der Verstorbenen                      nicht hinein lassen wollen, sie wäre da gewesen. (In des Pfarres attestato fol.                      6. wird die Sache mit andern Umständen, so viel die Zeit betrifft, erzehlet. Was                      in der Mühle passiret, sey am Sontage geschehen, Montags drauf hätte die                      Möllersche erst das Reissen in Armen und Fingern gefühlet und Freytags wäre erst                      die rechte Kranckheit angegangen. So war auch ex actis fol 8. zu sehen daß                      dieselbe Zeit auch viel andre Leute und Weiber gestorben.) Als nun hierauf die                      Acta verschickt worden, haben die Herren Scabini Jenenses auf diese summariter                      verzeichnete puncte fol. 4. erkannt; Daß Inquisitin zur Captur zu bringen, ihres                      Lebens und Wandels halben weitere Nachricht einzuziehen, Articul abzufassen                      &amp;c.</p>
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[226/0232] Inquisitin kommen, und nach der Mühle worauff die Möllersche geschütet gehabt, gelauffen, habe so dann in den Kasten, worinnen das Korn gewesen, gegriffen und darinnen gerühret, und sey darauf wieder aus der Mühle gangen: Hierauf wäre die Möllersche nach ihren Korn gegangen, und hätte unten in Kasten den Schrot mit der Schauffel angefasset, worauf es ihr gleich in die Finger, aus den Fingern in den Arm, wie eine Mauß gefahren, darüber sie grosse Schmertzen empfunden: Sonderlich hätte sie grossen appetit zum Trincken gehabt, wenn man ihr aber zu trincken gereicht, wäre sie mit gleichen Füssen indie Höhe gesprungen, so, daß sie niemand halten, noch ihr etwas in den Mund bringen können: Wann die Stuben-Thür, oder ein Fenster auffgemacht worden, und sie die frische Lufft gemercket, hätte sie ersticken wollen, sonst aber wäre sie gesund und verständig gewesen: Sie hätte gesagt, Inquisitin wäre schuld an ihrem Unglücke, deßhalben sie auch Ach und Weh über dieselbe geruffen; trockene Speise hätte sie geniessen können, aber keine Früchte: Endlich wäre sie gestorben, da die Kranckheit nur etwa zwey Tage recht gewähret. Als diese Frau begraben worden, solle Inquisitin auch mitgegangen seyn, und sich durch die Leute gedrungen haben, daß sie die Leiche sehen könte: als nun im Zurück gehen eine andre Frau ihr vorgehalten hätte, was die Leute redeten, und warumb Inquisitin der Frau nicht wieder geholffen hätte, habe sie geantwortet: Man hätte sie ja zu der Verstorbenen nicht hinein lassen wollen, sie wäre da gewesen. (In des Pfarres attestato fol. 6. wird die Sache mit andern Umständen, so viel die Zeit betrifft, erzehlet. Was in der Mühle passiret, sey am Sontage geschehen, Montags drauf hätte die Möllersche erst das Reissen in Armen und Fingern gefühlet und Freytags wäre erst die rechte Kranckheit angegangen. So war auch ex actis fol 8. zu sehen daß dieselbe Zeit auch viel andre Leute und Weiber gestorben.) Als nun hierauf die Acta verschickt worden, haben die Herren Scabini Jenenses auf diese summariter verzeichnete puncte fol. 4. erkannt; Daß Inquisitin zur Captur zu bringen, ihres Lebens und Wandels halben weitere Nachricht einzuziehen, Articul abzufassen &c. §. IV Dieses Urtheil ließ sich nun nicht gut für die Inquisitin an, und dürffte mancher von denen gewöhnlichen Hexen-Processen eingenommener Leser wohl dencken, daß dieses exempel wohl nicht zu der rubric oder titul dieses Handels gehöre: Allein ein klein wenig Gedult. Wer den damahligen Zustand der Herren JCtorum Jenensi-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/232>, abgerufen am 24.11.2024.