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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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Der vierts casus wegen eines beschuldigten aber von Gegentheil veranlaßten perjurii: nebst dem ersten Urtheil.

§. XIII. In dem September des 1697. Jahrs wurde uns ein anderer merckwürdiger casus zugeschickt, da in einer gewissen Fürstlichen Residentz der Rath einen alten betagten Raths-Herrn, der auf der Grube gieng, vermittelst des Cammerschreibers daselbst unverschuldet in eine infame Inquisition wegen eines imputirten perjurii verwickeln wollen, auch allbereit auff gewisse masse von einem berühmten Collegio juridico eine favorable Sentenz erhalten hatte. Die Umbstände dieses Handels sind ausführlicher in denen unsern Urtheil beygefügten rationibus decidendi zu befinden, zu deren weiteren Erleuterung aber wird nicht undienlich seyn die folgende anitzo praeliminariter anzumercken. Der Raths-Herr Johann George B. hatte von dem Cammerschreiber Andreas Z. 50. Gülden aus seinen Handels-Buche gefordert. Beklagter hatte die Schuld verneinet, und von Klägern die Beschwerung des Handels-Buchs verlanget, auch da Kläger solches beschweren wollen, in die formulam juramenti die clausul, daß diese Schuld auch nicht bezahlet sey, mit einrücken lassen; da dann Kläger gestanden, daß er 40. Gülden bekommen und also noch 10. Gülden restirten. Als aber Kläger an die Worte kam: So wahr mir GOtt helffe, zoge Beklagter Klägers ihm zu geschickten Auszug aus dem Handels-Buche aus dem Schubsack herfür, und wiese Senatui, daß Kläger ihn unter den Auszug allbereit über die gesamten 50. Fl. quittiret hätte, worauff in der gantzen Stadt von Klägers perjurio geredet und jussu Regiminis wieder selben auch eine inquisitio angestellet wurde. Dieser hatte hingegen in seiner defension hauptsächlich zweyerley momenta angeführet. 1) Wenn es ja an dem wäre, daß er Beklagten über die funffzig Gülden quittiret hätte, so wäre es bloß in Hoffnung futurae solutionis und in diesen Ansehen geschehen, weil er das von Beklagten ihm gegebene Pfand noch in Händen gehabt, so in 10. Doppel-Ducaten bestanden, und also gedacht, wolte Z. das Pfand haben, müste er auch die übrigen 10. Fl. wohl zahlen, wenn er gleich darüber quittiret wäre. Hernachmahls aber habe Beklagter Z. ihm bedrohen lassen, wenn er das Pfand nicht restituiren wolte, so wolle er Z. verhindern, das Klagender B. zu seiner Forderung bey der Fürstlichen Cammer nicht gelangen solte, darauffhabe B. bedacht, daß ihm Z. als Cammerschreiber daran hinderlich seyn könte, und hätte ihm also die 10. Ducaten durch den Steuer Schreiber zurücke geschickt, aber dabey als ein alter Mann vergessen, wegen der völligen Qvittung etwas zu erinnern, 2) So sey es, wenn man seine Qvittung genau ansähe, falsch, daß er über funffzig Gülden

Der vierts casus wegen eines beschuldigten aber von Gegentheil veranlaßten perjurii: nebst dem ersten Urtheil.

§. XIII. In dem September des 1697. Jahrs wurde uns ein anderer merckwürdiger casus zugeschickt, da in einer gewissen Fürstlichen Residentz der Rath einen alten betagten Raths-Herrn, der auf der Grube gieng, vermittelst des Cammerschreibers daselbst unverschuldet in eine infame Inquisition wegen eines imputirten perjurii verwickeln wollen, auch allbereit auff gewisse masse von einem berühmten Collegio juridico eine favorable Sentenz erhalten hatte. Die Umbstände dieses Handels sind ausführlicher in denen unsern Urtheil beygefügten rationibus decidendi zu befinden, zu deren weiteren Erleuterung aber wird nicht undienlich seyn die folgende anitzo praeliminariter anzumercken. Der Raths-Herr Johann George B. hatte von dem Cammerschreiber Andreas Z. 50. Gülden aus seinen Handels-Buche gefordert. Beklagter hatte die Schuld verneinet, und von Klägern die Beschwerung des Handels-Buchs verlanget, auch da Kläger solches beschweren wollen, in die formulam juramenti die clausul, daß diese Schuld auch nicht bezahlet sey, mit einrücken lassen; da dann Kläger gestanden, daß er 40. Gülden bekommen und also noch 10. Gülden restirten. Als aber Kläger an die Worte kam: So wahr mir GOtt helffe, zoge Beklagter Klägers ihm zu geschickten Auszug aus dem Handels-Buche aus dem Schubsack herfür, und wiese Senatui, daß Kläger ihn unter den Auszug allbereit über die gesamten 50. Fl. quittiret hätte, worauff in der gantzen Stadt von Klägers perjurio geredet und jussu Regiminis wieder selben auch eine inquisitio angestellet wurde. Dieser hatte hingegen in seiner defension hauptsächlich zweyerley momenta angeführet. 1) Wenn es ja an dem wäre, daß er Beklagten über die funffzig Gülden quittiret hätte, so wäre es bloß in Hoffnung futurae solutionis und in diesen Ansehen geschehen, weil er das von Beklagten ihm gegebene Pfand noch in Händen gehabt, so in 10. Doppel-Ducaten bestanden, und also gedacht, wolte Z. das Pfand haben, müste er auch die übrigen 10. Fl. wohl zahlen, wenn er gleich darüber quittiret wäre. Hernachmahls aber habe Beklagter Z. ihm bedrohen lassen, wenn er das Pfand nicht restituiren wolte, so wolle er Z. verhindern, das Klagender B. zu seiner Forderung bey der Fürstlichen Cammer nicht gelangen solte, darauffhabe B. bedacht, daß ihm Z. als Cammerschreiber daran hinderlich seyn könte, und hätte ihm also die 10. Ducaten durch den Steuer Schreiber zurücke geschickt, aber dabey als ein alter Mann vergessen, wegen der völligen Qvittung etwas zu erinnern, 2) So sey es, wenn man seine Qvittung genau ansähe, falsch, daß er über funffzig Gülden

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[266/0272] §. XIII. In dem September des 1697. Jahrs wurde uns ein anderer merckwürdiger casus zugeschickt, da in einer gewissen Fürstlichen Residentz der Rath einen alten betagten Raths-Herrn, der auf der Grube gieng, vermittelst des Cammerschreibers daselbst unverschuldet in eine infame Inquisition wegen eines imputirten perjurii verwickeln wollen, auch allbereit auff gewisse masse von einem berühmten Collegio juridico eine favorable Sentenz erhalten hatte. Die Umbstände dieses Handels sind ausführlicher in denen unsern Urtheil beygefügten rationibus decidendi zu befinden, zu deren weiteren Erleuterung aber wird nicht undienlich seyn die folgende anitzo praeliminariter anzumercken. Der Raths-Herr Johann George B. hatte von dem Cammerschreiber Andreas Z. 50. Gülden aus seinen Handels-Buche gefordert. Beklagter hatte die Schuld verneinet, und von Klägern die Beschwerung des Handels-Buchs verlanget, auch da Kläger solches beschweren wollen, in die formulam juramenti die clausul, daß diese Schuld auch nicht bezahlet sey, mit einrücken lassen; da dann Kläger gestanden, daß er 40. Gülden bekommen und also noch 10. Gülden restirten. Als aber Kläger an die Worte kam: So wahr mir GOtt helffe, zoge Beklagter Klägers ihm zu geschickten Auszug aus dem Handels-Buche aus dem Schubsack herfür, und wiese Senatui, daß Kläger ihn unter den Auszug allbereit über die gesamten 50. Fl. quittiret hätte, worauff in der gantzen Stadt von Klägers perjurio geredet und jussu Regiminis wieder selben auch eine inquisitio angestellet wurde. Dieser hatte hingegen in seiner defension hauptsächlich zweyerley momenta angeführet. 1) Wenn es ja an dem wäre, daß er Beklagten über die funffzig Gülden quittiret hätte, so wäre es bloß in Hoffnung futurae solutionis und in diesen Ansehen geschehen, weil er das von Beklagten ihm gegebene Pfand noch in Händen gehabt, so in 10. Doppel-Ducaten bestanden, und also gedacht, wolte Z. das Pfand haben, müste er auch die übrigen 10. Fl. wohl zahlen, wenn er gleich darüber quittiret wäre. Hernachmahls aber habe Beklagter Z. ihm bedrohen lassen, wenn er das Pfand nicht restituiren wolte, so wolle er Z. verhindern, das Klagender B. zu seiner Forderung bey der Fürstlichen Cammer nicht gelangen solte, darauffhabe B. bedacht, daß ihm Z. als Cammerschreiber daran hinderlich seyn könte, und hätte ihm also die 10. Ducaten durch den Steuer Schreiber zurücke geschickt, aber dabey als ein alter Mann vergessen, wegen der völligen Qvittung etwas zu erinnern, 2) So sey es, wenn man seine Qvittung genau ansähe, falsch, daß er über funffzig Gülden

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/272>, abgerufen am 21.11.2024.