Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.ne eigene Schrifften, die ich dem Herrn von Adlersring selbst zeigen will, ansiehet, das von ihm damahls erschollene Geschrey für nicht unwahrscheinlich halten muß. Und ge wiß 10000. Thaler ist ein ehrlich Stück Geld welches bey vielen tugendhafften Leuten eine grosse Versuchung zu erwecken allezeit fähig ist, absonderlich bey einem Gelehrten aus der Schule des Aristotelis, der aus seiner Ethic gelernet, daß dasselbe unter die vera bona mit gehöre, und daß man solches nicht alleine nach der einfältigen Stoicker Art nurso mit nehmen, sondern auch mit Verlangen gar darnach trachten möchte. Wenn nun ein solcher rechtschaffener Philosophus wohl weiß, worzu das Geld gut ist, darneben aber betrachtet, wie sauer er sich es müsse werden lassen, ehe er mit seinen Collegiis, und andern gewöhnlichen Handgriffen, nach Gelegenheit tausend / hundert, oder wohl gar zehen Thaler vor sich bringen könne; im Gegentheil aber / nur per impossibile fingiret / was er für ein glückseelig Leben führen könnte, wenn man ihm 10000. Thaler schencken solte, so wird ihm fast die eintzige Einbildung dieser Glückseeligkeit dahin verleiten, daß er sich kaum enthalten wird üb erlaut auszuruffen: Quis resistere potest tot armatis? Ja ich glaube wenn gleich Aristoteles selbst, der doch (wie die alten Römischen Käyser das jus civile) das Messergestecke der Justitiae Universalis mit allen eylfs Tugenden in sorinio pectoris gehabt, dergleichen Stückgen aus der sechsten Bitte ausstehen solte; Er würde gestehen müssen, daß er ein armer Erden-Kloß sey, und daß das Kräutlein pecuniae viel tausend mahl besser sey, als das Kräutlein patientia. Ist doch unsere sündliche Natur durch den Fall der ersten Eltern so starck verderbet worden, daß ob wir uns gleich noch eiffrig vornehmen, alle unsere Thaten nach der ersten Vollkommenheit einzurichten, wir dennoch kaum vermögend sind, einer Versuchung von einer kleinen Summe, die kaum so viel austräget, als etliche arme Stipendiaten von ihren Stipendiis Academicis zu gewarten haben, zu wiederstreben, und erinnere ich mich in denen actis anecdotis ohscurorum virorum gelesen zu haben, daß M. Ortuius Gratius zu seiner Zeit sich durch eine Schüssel mit Pfann-Kuchen bestechen lassen, daß er einen unwürdigen Candidatum Magisterii durch geholffen, den man auch deswegen hernach allezeit zum ewigen Andencken Magistrum nostrum do Placentia ge- ne eigene Schrifften, die ich dem Herrn von Adlersring selbst zeigen will, ansiehet, das von ihm damahls erschollene Geschrey für nicht unwahrscheinlich halten muß. Und ge wiß 10000. Thaler ist ein ehrlich Stück Geld welches bey vielen tugendhafften Leuten eine grosse Versuchung zu erwecken allezeit fähig ist, absonderlich bey einem Gelehrten aus der Schule des Aristotelis, der aus seiner Ethic gelernet, daß dasselbe unter die vera bona mit gehöre, und daß man solches nicht alleine nach der einfältigen Stoicker Art nurso mit nehmen, sondern auch mit Verlangen gar darnach trachten möchte. Wenn nun ein solcher rechtschaffener Philosophus wohl weiß, worzu das Geld gut ist, darneben aber betrachtet, wie sauer er sich es müsse werden lassen, ehe er mit seinen Collegiis, und andern gewöhnlichen Handgriffen, nach Gelegenheit tausend / hundert, oder wohl gar zehen Thaler vor sich bringen könne; im Gegentheil aber / nur per impossibile fingiret / was er für ein glückseelig Leben führen könnte, wenn man ihm 10000. Thaler schencken solte, so wird ihm fast die eintzige Einbildung dieser Glückseeligkeit dahin verleiten, daß er sich kaum enthalten wird üb erlaut auszuruffen: Quis resistere potest tot armatis? Ja ich glaube wenn gleich Aristoteles selbst, der doch (wie die alten Römischen Käyser das jus civile) das Messergestecke der Justitiae Universalis mit allen eylfs Tugenden in sorinio pectoris gehabt, dergleichen Stückgen aus der sechsten Bitte ausstehen solte; Er würde gestehen müssen, daß er ein armer Erden-Kloß sey, und daß das Kräutlein pecuniae viel tausend mahl besser sey, als das Kräutlein patientia. Ist doch unsere sündliche Natur durch den Fall der ersten Eltern so starck verderbet worden, daß ob wir uns gleich noch eiffrig vornehmen, alle unsere Thaten nach der ersten Vollkommenheit einzurichten, wir dennoch kaum vermögend sind, einer Versuchung von einer kleinen Summe, die kaum so viel austräget, als etliche arme Stipendiaten von ihren Stipendiis Academicis zu gewarten haben, zu wiederstreben, und erinnere ich mich in denen actis anecdotis ohscurorum virorum gelesen zu haben, daß M. Ortuius Gratius zu seiner Zeit sich durch eine Schüssel mit Pfann-Kuchen bestechen lassen, daß er einen unwürdigen Candidatum Magisterii durch geholffen, den man auch deswegen hernach allezeit zum ewigen Andencken Magistrum nostrum do Placentia ge- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0029" n="23"/> ne eigene Schrifften, die ich dem Herrn von Adlersring selbst zeigen will, ansiehet, das von ihm damahls erschollene Geschrey für nicht unwahrscheinlich halten muß. Und ge wiß 10000. Thaler ist ein ehrlich Stück Geld welches bey vielen tugendhafften Leuten eine grosse Versuchung zu erwecken allezeit fähig ist, absonderlich bey einem Gelehrten aus der Schule des <hi rendition="#i">Aristotelis</hi>, der aus seiner <hi rendition="#i">Ethic</hi> gelernet, daß dasselbe unter die <hi rendition="#i">vera bona</hi> mit gehöre, und daß man solches nicht alleine nach der einfältigen Stoicker Art nurso mit nehmen, sondern auch mit Verlangen gar darnach trachten möchte. 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ne eigene Schrifften, die ich dem Herrn von Adlersring selbst zeigen will, ansiehet, das von ihm damahls erschollene Geschrey für nicht unwahrscheinlich halten muß. Und ge wiß 10000. Thaler ist ein ehrlich Stück Geld welches bey vielen tugendhafften Leuten eine grosse Versuchung zu erwecken allezeit fähig ist, absonderlich bey einem Gelehrten aus der Schule des Aristotelis, der aus seiner Ethic gelernet, daß dasselbe unter die vera bona mit gehöre, und daß man solches nicht alleine nach der einfältigen Stoicker Art nurso mit nehmen, sondern auch mit Verlangen gar darnach trachten möchte. Wenn nun ein solcher rechtschaffener Philosophus wohl weiß, worzu das Geld gut ist, darneben aber betrachtet, wie sauer er sich es müsse werden lassen, ehe er mit seinen Collegiis, und andern gewöhnlichen Handgriffen, nach Gelegenheit tausend / hundert, oder wohl gar zehen Thaler vor sich bringen könne; im Gegentheil aber / nur per impossibile fingiret / was er für ein glückseelig Leben führen könnte, wenn man ihm 10000. Thaler schencken solte, so wird ihm fast die eintzige Einbildung dieser Glückseeligkeit dahin verleiten, daß er sich kaum enthalten wird üb erlaut auszuruffen: Quis resistere potest tot armatis? Ja ich glaube wenn gleich Aristoteles selbst, der doch (wie die alten Römischen Käyser das jus civile) das Messergestecke der Justitiae Universalis mit allen eylfs Tugenden in sorinio pectoris gehabt, dergleichen Stückgen aus der sechsten Bitte ausstehen solte; Er würde gestehen müssen, daß er ein armer Erden-Kloß sey, und daß das Kräutlein pecuniae viel tausend mahl besser sey, als das Kräutlein patientia. Ist doch unsere sündliche Natur durch den Fall der ersten Eltern so starck verderbet worden, daß ob wir uns gleich noch eiffrig vornehmen, alle unsere Thaten nach der ersten Vollkommenheit einzurichten, wir dennoch kaum vermögend sind, einer Versuchung von einer kleinen Summe, die kaum so viel austräget, als etliche arme Stipendiaten von ihren Stipendiis Academicis zu gewarten haben, zu wiederstreben, und erinnere ich mich in denen actis anecdotis ohscurorum virorum gelesen zu haben, daß M. Ortuius Gratius zu seiner Zeit sich durch eine Schüssel mit Pfann-Kuchen bestechen lassen, daß er einen unwürdigen Candidatum Magisterii durch geholffen, den man auch deswegen hernach allezeit zum ewigen Andencken Magistrum nostrum do Placentia ge-
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