Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

des Orts Obrigkeit Verordnung thun, daß so wohl die Armen als die Reichen ohne Pracht nach Standes-Gebühr ehrlich in die Erde gebracht werden, und die Prediger mit allen Fleiß ihre Zuhörer vermahnen / daß Sie gern, auch unerfordert, zur Leiche mit gehen / auf daß Sie sich ihrer Sterbligkeit desto besser und öffter erinnern / wieder den zeitlichen Todt rechten Trost fassen, und an den Verstorbenen Barmhertzigkeit erweisen. Aber von diesem allen war in gegenwärtigen Casu kein Streit, sondern davon war die Frage: Ob die Wittbe ein falsum oder sonst was ungebührliches begangen habe? Dieses konte nun unsere Facultät nicht finden, weil das crimen falsi (oder auch das affinc crimen stellionatus) allezeit praesupponiret, daß durch das falsum jemand Schaden und Nachtheil zugefüget worden, wie dieses nebst vielen andern JCtis der Herr Hoffrath Ludovici in Continuatione Quarta Usus moderni Strykiani (davon Er wahrhafftiger Autor ist) ad tit. ad leg. Cornel. de falsis und in notis über den 111. und 112. Artickul der Peinl. Halßgerichts-Ordnung ausgeführet. Wir konten aber keines weges finden, daß dadurch, daß die Wittib sich auffdem Grab-Stein fälschlich Jungfer genennet, jemand Schade zugefüget worden, zu geschweigen daß, da Sie mit ihren Mann getrauet worden, Sie jederman für Jungfer gehalten, und Sie vermuthlich daß Sie Ihren Ehemann vor der Trauung ehelich beygewohnet, ihre Straffe außgestanden. So war auch ex actis nicht zusehen, wenn Sie mit Ihren Manne öffentliche Verlöbnüß oder Sponsalia de praesenti gehalten. Denn wenn dieses nur 10. Wochen vor der Trauung geschehen, und Sie also zur Zeit der Verlöbnüß noch Jungfer gewesen wäre, hätte man erst untersuchen müssen, wie das Wort verehlichen auff den Leichstein zuverstehen, und ob Sie nicht, weil Sie sich des Worts getrauet worden nicht bedienet, durch die Verehlichung die Verlöbnüß verstanden, quia consensus facit nuptias non concubitus nec copulatio sacerdotalis; auf welche Weise dann in denen Worten nicht einmahl ein falsum, geschweige denn ein crimen falsi versteckt gewesen. Und wenn man ja auch dieses factum für ein Aergernüß hätte wollen ausgeben, so befürchte ich doch, daß der Advocate der Inquisitae aus der bekannten und überall zu befindenden Distinction inter scandalum datum & acceptum, und denen auch von unsern Theologis ex jure Canonico beybehaltenen definitionibus, dieser beyder classium scandali viele Gelegenheit dürffte bekommen haben, und zwar mit Verdruß aller derer, die der armen Frau gehäßig waren,

des Orts Obrigkeit Verordnung thun, daß so wohl die Armen als die Reichen ohne Pracht nach Standes-Gebühr ehrlich in die Erde gebracht werden, und die Prediger mit allen Fleiß ihre Zuhörer vermahnen / daß Sie gern, auch unerfordert, zur Leiche mit gehen / auf daß Sie sich ihrer Sterbligkeit desto besser und öffter erinnern / wieder den zeitlichen Todt rechten Trost fassen, und an den Verstorbenen Barmhertzigkeit erweisen. Aber von diesem allen war in gegenwärtigen Casu kein Streit, sondern davon war die Frage: Ob die Wittbe ein falsum oder sonst was ungebührliches begangen habe? Dieses konte nun unsere Facultät nicht finden, weil das crimen falsi (oder auch das affinc crimen stellionatus) allezeit praesupponiret, daß durch das falsum jemand Schaden und Nachtheil zugefüget worden, wie dieses nebst vielen andern JCtis der Herr Hoffrath Ludovici in Continuatione Quarta Usus moderni Strykiani (davon Er wahrhafftiger Autor ist) ad tit. ad leg. Cornel. de falsis und in notis über den 111. und 112. Artickul der Peinl. Halßgerichts-Ordnung ausgeführet. Wir konten aber keines weges finden, daß dadurch, daß die Wittib sich auffdem Grab-Stein fälschlich Jungfer genennet, jemand Schade zugefüget worden, zu geschweigen daß, da Sie mit ihren Mann getrauet worden, Sie jederman für Jungfer gehalten, und Sie vermuthlich daß Sie Ihren Ehemann vor der Trauung ehelich beygewohnet, ihre Straffe außgestanden. So war auch ex actis nicht zusehen, wenn Sie mit Ihren Manne öffentliche Verlöbnüß oder Sponsalia de praesenti gehalten. Denn wenn dieses nur 10. Wochen vor der Trauung geschehen, und Sie also zur Zeit der Verlöbnüß noch Jungfer gewesen wäre, hätte man erst untersuchen müssen, wie das Wort verehlichen auff den Leichstein zuverstehen, und ob Sie nicht, weil Sie sich des Worts getrauet worden nicht bedienet, durch die Verehlichung die Verlöbnüß verstanden, quia consensus facit nuptias non concubitus nec copulatio sacerdotalis; auf welche Weise dann in denen Worten nicht einmahl ein falsum, geschweige denn ein crimen falsi versteckt gewesen. Und wenn man ja auch dieses factum für ein Aergernüß hätte wollen ausgeben, so befürchte ich doch, daß der Advocate der Inquisitae aus der bekannten und überall zu befindenden Distinction inter scandalum datum & acceptum, und denen auch von unsern Theologis ex jure Canonico beybehaltenen definitionibus, dieser beyder classium scandali viele Gelegenheit dürffte bekommen haben, und zwar mit Verdruß aller derer, die der armen Frau gehäßig waren,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0299" n="293"/>
des Orts Obrigkeit Verordnung thun,                      daß so wohl die Armen als die Reichen ohne Pracht nach Standes-Gebühr ehrlich in                      die Erde gebracht werden, und die Prediger mit allen Fleiß ihre Zuhörer                      vermahnen / daß Sie gern, auch unerfordert, zur Leiche mit gehen / auf daß Sie                      sich ihrer Sterbligkeit desto besser und öffter erinnern / wieder den zeitlichen                      Todt rechten Trost fassen, und an den Verstorbenen Barmhertzigkeit erweisen.                      Aber von diesem allen war in gegenwärtigen Casu kein Streit, sondern davon war                      die Frage: Ob die Wittbe ein falsum oder sonst was ungebührliches begangen habe?                      Dieses konte nun unsere Facultät nicht finden, weil das crimen falsi (oder auch                      das affinc crimen stellionatus) allezeit praesupponiret, daß durch das falsum                      jemand Schaden und Nachtheil zugefüget worden, wie dieses nebst vielen andern                      JCtis der Herr Hoffrath Ludovici in Continuatione Quarta Usus moderni Strykiani                      (davon Er wahrhafftiger Autor ist) ad tit. ad leg. Cornel. de falsis und in                      notis über den 111. und 112. Artickul der Peinl. Halßgerichts-Ordnung                      ausgeführet. Wir konten aber keines weges finden, daß dadurch, daß die Wittib                      sich auffdem Grab-Stein fälschlich Jungfer genennet, jemand Schade zugefüget                      worden, zu geschweigen daß, da Sie mit ihren Mann getrauet worden, Sie jederman                      für Jungfer gehalten, und Sie vermuthlich daß Sie Ihren Ehemann vor der Trauung                      ehelich beygewohnet, ihre Straffe außgestanden. So war auch ex actis nicht                      zusehen, wenn Sie mit Ihren Manne öffentliche Verlöbnüß oder Sponsalia de                      praesenti gehalten. Denn wenn dieses nur 10. Wochen vor der Trauung geschehen,                      und Sie also zur Zeit der Verlöbnüß noch Jungfer gewesen wäre, hätte man erst                      untersuchen müssen, wie das Wort verehlichen auff den Leichstein zuverstehen,                      und ob Sie nicht, weil Sie sich des Worts getrauet worden nicht bedienet, durch                      die Verehlichung die Verlöbnüß verstanden, quia consensus facit nuptias non                      concubitus nec copulatio sacerdotalis; auf welche Weise dann in denen Worten                      nicht einmahl ein falsum, geschweige denn ein crimen falsi versteckt gewesen.                      Und wenn man ja auch dieses factum für ein Aergernüß hätte wollen ausgeben, so                      befürchte ich doch, daß der Advocate der Inquisitae aus der bekannten und                      überall zu befindenden Distinction inter scandalum datum &amp; acceptum, und                      denen auch von unsern Theologis ex jure Canonico beybehaltenen definitionibus,                      dieser beyder classium scandali viele Gelegenheit dürffte bekommen haben, und                      zwar mit Verdruß aller derer, die der armen Frau gehäßig waren,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0299] des Orts Obrigkeit Verordnung thun, daß so wohl die Armen als die Reichen ohne Pracht nach Standes-Gebühr ehrlich in die Erde gebracht werden, und die Prediger mit allen Fleiß ihre Zuhörer vermahnen / daß Sie gern, auch unerfordert, zur Leiche mit gehen / auf daß Sie sich ihrer Sterbligkeit desto besser und öffter erinnern / wieder den zeitlichen Todt rechten Trost fassen, und an den Verstorbenen Barmhertzigkeit erweisen. Aber von diesem allen war in gegenwärtigen Casu kein Streit, sondern davon war die Frage: Ob die Wittbe ein falsum oder sonst was ungebührliches begangen habe? Dieses konte nun unsere Facultät nicht finden, weil das crimen falsi (oder auch das affinc crimen stellionatus) allezeit praesupponiret, daß durch das falsum jemand Schaden und Nachtheil zugefüget worden, wie dieses nebst vielen andern JCtis der Herr Hoffrath Ludovici in Continuatione Quarta Usus moderni Strykiani (davon Er wahrhafftiger Autor ist) ad tit. ad leg. Cornel. de falsis und in notis über den 111. und 112. Artickul der Peinl. Halßgerichts-Ordnung ausgeführet. Wir konten aber keines weges finden, daß dadurch, daß die Wittib sich auffdem Grab-Stein fälschlich Jungfer genennet, jemand Schade zugefüget worden, zu geschweigen daß, da Sie mit ihren Mann getrauet worden, Sie jederman für Jungfer gehalten, und Sie vermuthlich daß Sie Ihren Ehemann vor der Trauung ehelich beygewohnet, ihre Straffe außgestanden. So war auch ex actis nicht zusehen, wenn Sie mit Ihren Manne öffentliche Verlöbnüß oder Sponsalia de praesenti gehalten. Denn wenn dieses nur 10. Wochen vor der Trauung geschehen, und Sie also zur Zeit der Verlöbnüß noch Jungfer gewesen wäre, hätte man erst untersuchen müssen, wie das Wort verehlichen auff den Leichstein zuverstehen, und ob Sie nicht, weil Sie sich des Worts getrauet worden nicht bedienet, durch die Verehlichung die Verlöbnüß verstanden, quia consensus facit nuptias non concubitus nec copulatio sacerdotalis; auf welche Weise dann in denen Worten nicht einmahl ein falsum, geschweige denn ein crimen falsi versteckt gewesen. Und wenn man ja auch dieses factum für ein Aergernüß hätte wollen ausgeben, so befürchte ich doch, daß der Advocate der Inquisitae aus der bekannten und überall zu befindenden Distinction inter scandalum datum & acceptum, und denen auch von unsern Theologis ex jure Canonico beybehaltenen definitionibus, dieser beyder classium scandali viele Gelegenheit dürffte bekommen haben, und zwar mit Verdruß aller derer, die der armen Frau gehäßig waren,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/299
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/299>, abgerufen am 21.11.2024.