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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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stimmeten, ihn an seiner Arbeit und meditiren unbeschreiblich hinderten, und das er tausend mahl lieber einen Schmid oder Bötticher wolte in seiner Nachbarschafft haben; indem das Hämmern und Klopffen seinen gewissen und wenig oder nichts bedeutenden Thon hätte, dessen man bald gewohnet würde; aber das Singen erweckte bey dem Hörenden eine stetwährende attention wegen der vielerley Bedeutungen der unterschiedenen Gesänge, und hinderten also den anhörenden Nachbar, daß er nicht zugleich auff das Seinige zu dencken capable wäre. Kan und muß sich nun ein Gelehrter in Gedult faßen, der ein solch Singehandwerck in der Rähelhat; so dächte ich könte er sich auch (guten Theils) in Gedult fassen, wenn er einen hämmernden und pochenden Nachbar hat, oder sich mit demselben in Güte abfinden, daß er ihn und seine Auditores zu etlichen wenigen gewissen Stunden da gelesen würde, nicht turbirte. Dannenhero habe ich für etlichen Jahren, als ich von einen guten Freund aus einer berühmten Stadt mündlich befragt wurde, folgenden Rath gegeben. Dieser beklagte sich, daß fast alle Abend, wenn er am nöthigsten zu studiren und zu arbeiten hätte, er etliche Stunden nach einander theils von Bettelkindern, theils von alten Müßiggängern, die nicht arbeiten wolten, darangehindert würde, indem diese bey Nacht und in Finstern von Hause zu Hause giengen und mit Absingung geistlicher Lieder ihn den Kopff so wüste machten, daß er vor Ungedult bersten möchte; indem wenn eine Parthey fertig wäre, die andern von neuen anfienge, dergestalt, daß dieses Geplerre und Geschrey öffters biß die Mitternacht währete. Derwegen bate er mich, ihn zu rathen, ob er nicht dieserwegen an gehörigen Ort sich zu beschweren, oder das Geld, was er bißher alle Viertel-Jahr in die Armen Casse zu geben pflegte, künfftig biß diese Unordnung gehoben worden, zurück zu behalten befugt wäre. Ich antwortete, daß er freylich denen Rechten nach solches zu thun wohl befugt wäre, aber daß ich ihn dennoch als ein guter Freund dazu nicht rathen wolte. Er solte ja gegen niemand anders dasjenige ferner sagen, daß er für Ungedult bersten wolte: Den seine Feinde würden sonst daher Gelegenheit nehmen, sich über ihn zu mocquiren. Zudem würde er wohl schon in seiner Jugend gehöret haben, daß Gedult (keinesweges aber eine berstende Ungedult) alles überwinde: Ich fragte ihn hierbey, ob er denn auch selbst denen singen den Bettelleuten eine Allmosen gäbe, und da er antwortete, daß es es nicht thäte, und daß dannenhero auch solche Sänger selten für seine Thüre kämen; riethe ich ihn,

stimmeten, ihn an seiner Arbeit und meditiren unbeschreiblich hinderten, und das er tausend mahl lieber einen Schmid oder Bötticher wolte in seiner Nachbarschafft haben; indem das Hämmern und Klopffen seinen gewissen und wenig oder nichts bedeutenden Thon hätte, dessen man bald gewohnet würde; aber das Singen erweckte bey dem Hörenden eine stetwährende attention wegen der vielerley Bedeutungen der unterschiedenen Gesänge, und hinderten also den anhörenden Nachbar, daß er nicht zugleich auff das Seinige zu dencken capable wäre. Kan und muß sich nun ein Gelehrter in Gedult faßen, der ein solch Singehandwerck in der Rähelhat; so dächte ich könte er sich auch (guten Theils) in Gedult fassen, wenn er einen hämmernden und pochenden Nachbar hat, oder sich mit demselben in Güte abfinden, daß er ihn und seine Auditores zu etlichen wenigen gewissen Stunden da gelesen würde, nicht turbirte. Dannenhero habe ich für etlichen Jahren, als ich von einen guten Freund aus einer berühmten Stadt mündlich befragt wurde, folgenden Rath gegeben. Dieser beklagte sich, daß fast alle Abend, wenn er am nöthigsten zu studiren und zu arbeiten hätte, er etliche Stunden nach einander theils von Bettelkindern, theils von alten Müßiggängern, die nicht arbeiten wolten, darangehindert würde, indem diese bey Nacht und in Finstern von Hause zu Hause giengen und mit Absingung geistlicher Lieder ihn den Kopff so wüste machten, daß er vor Ungedult bersten möchte; indem wenn eine Parthey fertig wäre, die andern von neuen anfienge, dergestalt, daß dieses Geplerre und Geschrey öffters biß die Mitternacht währete. Derwegen bate er mich, ihn zu rathen, ob er nicht dieserwegen an gehörigen Ort sich zu beschweren, oder das Geld, was er bißher alle Viertel-Jahr in die Armen Casse zu geben pflegte, künfftig biß diese Unordnung gehoben worden, zurück zu behalten befugt wäre. Ich antwortete, daß er freylich denen Rechten nach solches zu thun wohl befugt wäre, aber daß ich ihn dennoch als ein guter Freund dazu nicht rathen wolte. Er solte ja gegen niemand anders dasjenige ferner sagen, daß er für Ungedult bersten wolte: Den seine Feinde würden sonst daher Gelegenheit nehmen, sich über ihn zu mocquiren. Zudem würde er wohl schon in seiner Jugend gehöret haben, daß Gedult (keinesweges aber eine berstende Ungedult) alles überwinde: Ich fragte ihn hierbey, ob er denn auch selbst denen singen den Bettelleuten eine Allmosen gäbe, und da er antwortete, daß es es nicht thäte, und daß dannenhero auch solche Sänger selten für seine Thüre kämen; riethe ich ihn,

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[365/0371] stimmeten, ihn an seiner Arbeit und meditiren unbeschreiblich hinderten, und das er tausend mahl lieber einen Schmid oder Bötticher wolte in seiner Nachbarschafft haben; indem das Hämmern und Klopffen seinen gewissen und wenig oder nichts bedeutenden Thon hätte, dessen man bald gewohnet würde; aber das Singen erweckte bey dem Hörenden eine stetwährende attention wegen der vielerley Bedeutungen der unterschiedenen Gesänge, und hinderten also den anhörenden Nachbar, daß er nicht zugleich auff das Seinige zu dencken capable wäre. Kan und muß sich nun ein Gelehrter in Gedult faßen, der ein solch Singehandwerck in der Rähelhat; so dächte ich könte er sich auch (guten Theils) in Gedult fassen, wenn er einen hämmernden und pochenden Nachbar hat, oder sich mit demselben in Güte abfinden, daß er ihn und seine Auditores zu etlichen wenigen gewissen Stunden da gelesen würde, nicht turbirte. Dannenhero habe ich für etlichen Jahren, als ich von einen guten Freund aus einer berühmten Stadt mündlich befragt wurde, folgenden Rath gegeben. Dieser beklagte sich, daß fast alle Abend, wenn er am nöthigsten zu studiren und zu arbeiten hätte, er etliche Stunden nach einander theils von Bettelkindern, theils von alten Müßiggängern, die nicht arbeiten wolten, darangehindert würde, indem diese bey Nacht und in Finstern von Hause zu Hause giengen und mit Absingung geistlicher Lieder ihn den Kopff so wüste machten, daß er vor Ungedult bersten möchte; indem wenn eine Parthey fertig wäre, die andern von neuen anfienge, dergestalt, daß dieses Geplerre und Geschrey öffters biß die Mitternacht währete. Derwegen bate er mich, ihn zu rathen, ob er nicht dieserwegen an gehörigen Ort sich zu beschweren, oder das Geld, was er bißher alle Viertel-Jahr in die Armen Casse zu geben pflegte, künfftig biß diese Unordnung gehoben worden, zurück zu behalten befugt wäre. Ich antwortete, daß er freylich denen Rechten nach solches zu thun wohl befugt wäre, aber daß ich ihn dennoch als ein guter Freund dazu nicht rathen wolte. Er solte ja gegen niemand anders dasjenige ferner sagen, daß er für Ungedult bersten wolte: Den seine Feinde würden sonst daher Gelegenheit nehmen, sich über ihn zu mocquiren. Zudem würde er wohl schon in seiner Jugend gehöret haben, daß Gedult (keinesweges aber eine berstende Ungedult) alles überwinde: Ich fragte ihn hierbey, ob er denn auch selbst denen singen den Bettelleuten eine Allmosen gäbe, und da er antwortete, daß es es nicht thäte, und daß dannenhero auch solche Sänger selten für seine Thüre kämen; riethe ich ihn,

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/371>, abgerufen am 21.11.2024.