Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

vornehme Familien zu sich, und machte mich mit denenselben bekandt. Und da harten wir eine ungemeine Lust / indem uns / die Wir insgesamt junge Leute waren, die Complaisance dieses vortrefflichen Mannes zur Frölichkeit aufgemuntett / in Gegentheil aber der Respect, den wir ihn schuldig waren / und den er auch mitren in der grösten Frölichkeit mit der artigsten Manier zu ethalten wuste, unsre Freude im Zaum hielte / daß sie nicht auf einen Excess hinaus lieffe. Damahls lernete ich, daß das Alter an und für sich selbst der Jugend nicht zuwieder wäre / sondern daß die murrischen und neidischen mores, deren sich gemeiniglich alte Leute bedieneten hieran schuld wären / und daß dieses eine rechtschaffene Autorität und Ansehen sey die mit Liebe vergesellschafftet ist, massen dieselbe auch nach dem Tode daurer / da hingegen dieses nur für einen Schatten der Autoruät zu achten / die man durch eine misantropische Ernsthafftigkeit sich zuwege bringet / in Ansehen diejenigen, die uns so dann äusserserlich auch knechtische Complimenten erweisen / nothwendig innerlich uns als Zuchtmeister fürchten / und folglich hassen / auch unser Andencken in der Grube / mit einen Abscheu und Verdruß / als Leute / die von einen Sclavischen Joch entlediget worden, erwehnen. Es ware aber auch in dieser Stadt damahlen ein berühmter Prediger mit Nahmen Christophilus, von dessen äusserlichen Gabe / ich allbereit viel hatte reden hören. Diesen zuhören / gienge ich so bald / als ich Gelegenheit hatte, in seine Predigt / und gefiel mir sein nach denen Regeln der Rede Kunst eingerichteter und mit äusserlicher pronunciution und Minen wohl ausgeschmückter Sermon, über die massen; aber ich wurde von Hertzen bestürtzt / als ich hörete / Wie er in den Usibus seiner Predigt die Conversation der alten mit jungen Leuten mit denen Haaren darzu zog / und mit Aergernüß der gantzen Gemeinde die Conversation, so Socrates mit uns gehabt hatte, mit so schimpfflichen Worten beschriebe, auch den rechtschaffenen Alten mit so schmähsichtigen phrasibus durchzoge / daß ein unparthisches Christliches Gemüthe nothwendig einen Abscheu dafür kriegen muste. Ich ärgerre mich dermassen darüber, daß ich kaum an mich halten konte / dresen Calumnianten ins Angesichte zu wiedersprechen, jedoch mäßigte ich mich /

vornehme Familien zu sich, und machte mich mit denenselben bekandt. Und da harten wir eine ungemeine Lust / indem uns / die Wir insgesamt junge Leute waren, die Complaisance dieses vortrefflichen Mannes zur Frölichkeit aufgemuntett / in Gegentheil aber der Respect, den wir ihn schuldig waren / und den er auch mitren in der grösten Frölichkeit mit der artigsten Manier zu ethalten wuste, unsre Freude im Zaum hielte / daß sie nicht auf einen Excess hinaus lieffe. Damahls lernete ich, daß das Alter an und für sich selbst der Jugend nicht zuwieder wäre / sondern daß die murrischen und neidischen mores, deren sich gemeiniglich alte Leute bedieneten hieran schuld wären / und daß dieses eine rechtschaffene Autorität und Ansehen sey die mit Liebe vergesellschafftet ist, massen dieselbe auch nach dem Tode daurer / da hingegen dieses nur für einen Schatten der Autoruät zu achten / die man durch eine misantropische Ernsthafftigkeit sich zuwege bringet / in Ansehen diejenigen, die uns so dann äusserserlich auch knechtische Complimenten erweisen / nothwendig innerlich uns als Zuchtmeister fürchten / und folglich hassen / auch unser Andencken in der Grube / mit einen Abscheu und Verdruß / als Leute / die von einen Sclavischen Joch entlediget worden, erwehnen. Es ware aber auch in dieser Stadt damahlen ein berühmter Prediger mit Nahmen Christophilus, von dessen äusserlichen Gabe / ich allbereit viel hatte reden hören. Diesen zuhören / gienge ich so bald / als ich Gelegenheit hatte, in seine Predigt / und gefiel mir sein nach denen Regeln der Rede Kunst eingerichteter und mit äusserlicher pronunciution und Minen wohl ausgeschmückter Sermon, über die massen; aber ich wurde von Hertzen bestürtzt / als ich hörete / Wie er in den Usibus seiner Predigt die Conversation der alten mit jungen Leuten mit denen Haaren darzu zog / und mit Aergernüß der gantzen Gemeinde die Conversation, so Socrates mit uns gehabt hatte, mit so schimpfflichen Worten beschriebe, auch den rechtschaffenen Alten mit so schmähsichtigen phrasibus durchzoge / daß ein unparthisches Christliches Gemüthe nothwendig einen Abscheu dafür kriegen muste. Ich ärgerre mich dermassen darüber, daß ich kaum an mich halten konte / dresen Calumnianten ins Angesichte zu wiedersprechen, jedoch mäßigte ich mich /

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0064" n="58"/>
vornehme Familien zu sich, und machte mich mit denenselben bekandt. Und da                      harten wir eine ungemeine Lust / indem uns / die Wir insgesamt junge Leute                      waren, die <hi rendition="#i">Complaisance</hi> dieses vortrefflichen Mannes zur                      Frölichkeit aufgemuntett / in Gegentheil aber der <hi rendition="#i">Respect</hi>, den wir ihn schuldig waren / und den er auch mitren in der                      grösten Frölichkeit mit der artigsten Manier zu ethalten wuste, unsre Freude im                      Zaum hielte / daß sie nicht auf einen <hi rendition="#i">Excess</hi> hinaus                      lieffe. Damahls lernete ich, daß das Alter an und für sich selbst der Jugend                      nicht zuwieder wäre / sondern daß die murrischen und neidischen <hi rendition="#i">mores</hi>, deren sich gemeiniglich alte Leute bedieneten                      hieran schuld wären / und daß dieses eine rechtschaffene <hi rendition="#i">Autorit</hi>ät und Ansehen sey die mit Liebe vergesellschafftet ist, massen                      dieselbe auch nach dem Tode daurer / da hingegen dieses nur für einen Schatten                      der <hi rendition="#i">Autoru</hi>ät zu achten / die man durch eine <hi rendition="#i">misantrop</hi>ische Ernsthafftigkeit sich zuwege bringet / in                      Ansehen diejenigen, die uns so dann äusserserlich auch knechtische <hi rendition="#i">Compliment</hi>en erweisen / nothwendig innerlich uns als                      Zuchtmeister fürchten / und folglich hassen / auch unser Andencken in der Grube                      / mit einen Abscheu und Verdruß / als Leute / die von einen Sclavischen Joch                      entlediget worden, erwehnen. Es ware aber auch in dieser Stadt damahlen ein                      berühmter Prediger mit Nahmen <hi rendition="#i">Christophilus</hi>, von dessen                      äusserlichen Gabe / ich allbereit viel hatte reden hören. Diesen zuhören /                      gienge ich so bald / als ich Gelegenheit hatte, in seine Predigt / und gefiel                      mir sein nach denen Regeln der Rede Kunst eingerichteter und mit äusserlicher <hi rendition="#i">pronunciution</hi> und Minen wohl ausgeschmückter <hi rendition="#i">Sermon</hi>, über die massen; aber ich wurde von Hertzen                      bestürtzt / als ich hörete / Wie er in den <hi rendition="#i">Usibus</hi> seiner                      Predigt die <hi rendition="#i">Conversation</hi> der alten mit jungen Leuten mit                      denen Haaren darzu zog / und mit Aergernüß der gantzen Gemeinde die <hi rendition="#i">Conversation</hi>, so <hi rendition="#i">Socrates</hi> mit                      uns gehabt hatte, mit so schimpfflichen Worten beschriebe, auch den                      rechtschaffenen Alten mit so schmähsichtigen <hi rendition="#i">phrasibus</hi> durchzoge / daß ein unparthisches Christliches Gemüthe nothwendig einen Abscheu                      dafür kriegen muste. Ich ärgerre mich dermassen darüber, daß ich kaum an mich                      halten konte / dresen <hi rendition="#i">Calumnian</hi>ten ins Angesichte zu                      wiedersprechen, jedoch mäßigte ich mich /
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0064] vornehme Familien zu sich, und machte mich mit denenselben bekandt. Und da harten wir eine ungemeine Lust / indem uns / die Wir insgesamt junge Leute waren, die Complaisance dieses vortrefflichen Mannes zur Frölichkeit aufgemuntett / in Gegentheil aber der Respect, den wir ihn schuldig waren / und den er auch mitren in der grösten Frölichkeit mit der artigsten Manier zu ethalten wuste, unsre Freude im Zaum hielte / daß sie nicht auf einen Excess hinaus lieffe. Damahls lernete ich, daß das Alter an und für sich selbst der Jugend nicht zuwieder wäre / sondern daß die murrischen und neidischen mores, deren sich gemeiniglich alte Leute bedieneten hieran schuld wären / und daß dieses eine rechtschaffene Autorität und Ansehen sey die mit Liebe vergesellschafftet ist, massen dieselbe auch nach dem Tode daurer / da hingegen dieses nur für einen Schatten der Autoruät zu achten / die man durch eine misantropische Ernsthafftigkeit sich zuwege bringet / in Ansehen diejenigen, die uns so dann äusserserlich auch knechtische Complimenten erweisen / nothwendig innerlich uns als Zuchtmeister fürchten / und folglich hassen / auch unser Andencken in der Grube / mit einen Abscheu und Verdruß / als Leute / die von einen Sclavischen Joch entlediget worden, erwehnen. Es ware aber auch in dieser Stadt damahlen ein berühmter Prediger mit Nahmen Christophilus, von dessen äusserlichen Gabe / ich allbereit viel hatte reden hören. Diesen zuhören / gienge ich so bald / als ich Gelegenheit hatte, in seine Predigt / und gefiel mir sein nach denen Regeln der Rede Kunst eingerichteter und mit äusserlicher pronunciution und Minen wohl ausgeschmückter Sermon, über die massen; aber ich wurde von Hertzen bestürtzt / als ich hörete / Wie er in den Usibus seiner Predigt die Conversation der alten mit jungen Leuten mit denen Haaren darzu zog / und mit Aergernüß der gantzen Gemeinde die Conversation, so Socrates mit uns gehabt hatte, mit so schimpfflichen Worten beschriebe, auch den rechtschaffenen Alten mit so schmähsichtigen phrasibus durchzoge / daß ein unparthisches Christliches Gemüthe nothwendig einen Abscheu dafür kriegen muste. Ich ärgerre mich dermassen darüber, daß ich kaum an mich halten konte / dresen Calumnianten ins Angesichte zu wiedersprechen, jedoch mäßigte ich mich /

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/64
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/64>, abgerufen am 21.11.2024.