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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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Canonici so wohl Theologi als Juristen seyn.juris utriusque bekommen; sondern auch itzo absonderlich Professor juris Canonici bin, mir eo ipso als Doctori & Professori juris Canonici so wohl als denen Theologis zu stehe, über Fragen, die die ewige Seeligkeit betreffen, Responsa zu ertheilen. Denn nach denen Principiis der Canonisten, in welchen ihnen auch die Theologi in Pabstthum anitzo nicht wiedersprechen, hat zwar das Jus civile zum Endzweck die zeitliche Ruhe in diesen Leben; aber das Canonische Recht hat eine viel viel edlere Absicht, denn es trachtet nach der Ruhe eines Menschen, so ferne er ein Christe ist und nach der ewigen Seeligkeit ringet, und macht uns zu Himmels Bürgern und zu GOttes Freunden, gleich wie geschrieben stehet: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünfftige suchen wir. (Hebr. XIII. 14.) Das Päbstische Recht begreifft dannenhero aller andren Rechte ihre Endzwecke in sich, aber dergestalt, daß es nichts destoweniger den Verlust der ewigen Seeligkeit nicht verhenget. Derowegen eignet sich das Canonische Recht alles dasjenige billig zu, was so wohl zu eines jedweden Menschen ewiger Seeligkeit gehöret, als was zur Glückseeligkeit der streitenden Kirche erfordert wird. Und ob wohl hievon die heilige Theologie auch etwas und zwar gar vieles bekommen hat, so folget doch daraus keinesweges, daß alles dieses dem Canonischen Recht nicht eigenthümlich zugehören solte. Denn es gehöret zwar denen Theologis über diese Dinge zu speculiren und drüber zu disputiren; aber die Entscheidung aller dieser disputirten Streitigkeiten gehöret für die Väter und Autores des Canonischen Rechts, nemlich die Römischen Päbste und die heiligen Concilia. Derowegen kan keiner ein ächter Doctor und Professor des Canonischen Rechts seyn, der nicht sowohl die Theologie als das bürgerliche Recht wohl verstehet. Denn bald steigt ein Doctor juris Canonici als ein anderer Moses mit dem Theologo auf den Berg, und betrachtet daselbst des Herrn und lebendigen GOttes Ehre: bald steigt er mit dem Juristen wieder herab in das Lager, und sorget für die zeitliche Wohlfahrt des Volcks u. s. w. Der Leser muß nicht gedencken daß ich bey Vorbringung dieser Dinge Spötterey oder Schertz treibe, sondern alles das, was ich bißhero angeführet, sind des berühmten Canonisten Lancelotti eigene Worte, die in seinen Discurs de comparationc juris Pontificii & Caesarei p. m. 1054. 1058. und 1064. alle zu befinden. So sind auch Desselii erotemata juris Canonici bekannt genung, in deren Anhang alsbald zu lesen ist, daß das Jus Canonicum die Beförderung der ewigen Seeligkeit zu seinen Endzweck habe. Ja es dörffte mir endlich, und wenn man

Canonici so wohl Theologi als Juristen seyn.juris utriusque bekommen; sondern auch itzo absonderlich Professor juris Canonici bin, mir eo ipso als Doctori & Professori juris Canonici so wohl als denen Theologis zu stehe, über Fragen, die die ewige Seeligkeit betreffen, Responsa zu ertheilen. Denn nach denen Principiis der Canonisten, in welchen ihnen auch die Theologi in Pabstthum anitzo nicht wiedersprechen, hat zwar das Jus civile zum Endzweck die zeitliche Ruhe in diesen Leben; aber das Canonische Recht hat eine viel viel edlere Absicht, denn es trachtet nach der Ruhe eines Menschen, so ferne er ein Christe ist und nach der ewigen Seeligkeit ringet, und macht uns zu Himmels Bürgern und zu GOttes Freunden, gleich wie geschrieben stehet: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünfftige suchen wir. (Hebr. XIII. 14.) Das Päbstische Recht begreifft dannenhero aller andren Rechte ihre Endzwecke in sich, aber dergestalt, daß es nichts destoweniger den Verlust der ewigen Seeligkeit nicht verhenget. Derowegen eignet sich das Canonische Recht alles dasjenige billig zu, was so wohl zu eines jedweden Menschen ewiger Seeligkeit gehöret, als was zur Glückseeligkeit der streitenden Kirche erfordert wird. Und ob wohl hievon die heilige Theologie auch etwas und zwar gar vieles bekommen hat, so folget doch daraus keinesweges, daß alles dieses dem Canonischen Recht nicht eigenthümlich zugehören solte. Denn es gehöret zwar denen Theologis über diese Dinge zu speculiren und drüber zu disputiren; aber die Entscheidung aller dieser disputirten Streitigkeiten gehöret für die Väter und Autores des Canonischen Rechts, nemlich die Römischen Päbste und die heiligen Concilia. Derowegen kan keiner ein ächter Doctor und Professor des Canonischen Rechts seyn, der nicht sowohl die Theologie als das bürgerliche Recht wohl verstehet. Denn bald steigt ein Doctor juris Canonici als ein anderer Moses mit dem Theologo auf den Berg, und betrachtet daselbst des Herrn und lebendigen GOttes Ehre: bald steigt er mit dem Juristen wieder herab in das Lager, und sorget für die zeitliche Wohlfahrt des Volcks u. s. w. Der Leser muß nicht gedencken daß ich bey Vorbringung dieser Dinge Spötterey oder Schertz treibe, sondern alles das, was ich bißhero angeführet, sind des berühmten Canonisten Lancelotti eigene Worte, die in seinen Discurs de comparationc juris Pontificii & Caesarei p. m. 1054. 1058. und 1064. alle zu befinden. So sind auch Desselii erotemata juris Canonici bekannt genung, in deren Anhang alsbald zu lesen ist, daß das Jus Canonicum die Beförderung der ewigen Seeligkeit zu seinen Endzweck habe. Ja es dörffte mir endlich, und wenn man

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[98/0106] juris utriusque bekommen; sondern auch itzo absonderlich Professor juris Canonici bin, mir eo ipso als Doctori & Professori juris Canonici so wohl als denen Theologis zu stehe, über Fragen, die die ewige Seeligkeit betreffen, Responsa zu ertheilen. Denn nach denen Principiis der Canonisten, in welchen ihnen auch die Theologi in Pabstthum anitzo nicht wiedersprechen, hat zwar das Jus civile zum Endzweck die zeitliche Ruhe in diesen Leben; aber das Canonische Recht hat eine viel viel edlere Absicht, denn es trachtet nach der Ruhe eines Menschen, so ferne er ein Christe ist und nach der ewigen Seeligkeit ringet, und macht uns zu Himmels Bürgern und zu GOttes Freunden, gleich wie geschrieben stehet: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünfftige suchen wir. (Hebr. XIII. 14.) Das Päbstische Recht begreifft dannenhero aller andren Rechte ihre Endzwecke in sich, aber dergestalt, daß es nichts destoweniger den Verlust der ewigen Seeligkeit nicht verhenget. Derowegen eignet sich das Canonische Recht alles dasjenige billig zu, was so wohl zu eines jedweden Menschen ewiger Seeligkeit gehöret, als was zur Glückseeligkeit der streitenden Kirche erfordert wird. Und ob wohl hievon die heilige Theologie auch etwas und zwar gar vieles bekommen hat, so folget doch daraus keinesweges, daß alles dieses dem Canonischen Recht nicht eigenthümlich zugehören solte. Denn es gehöret zwar denen Theologis über diese Dinge zu speculiren und drüber zu disputiren; aber die Entscheidung aller dieser disputirten Streitigkeiten gehöret für die Väter und Autores des Canonischen Rechts, nemlich die Römischen Päbste und die heiligen Concilia. Derowegen kan keiner ein ächter Doctor und Professor des Canonischen Rechts seyn, der nicht sowohl die Theologie als das bürgerliche Recht wohl verstehet. Denn bald steigt ein Doctor juris Canonici als ein anderer Moses mit dem Theologo auf den Berg, und betrachtet daselbst des Herrn und lebendigen GOttes Ehre: bald steigt er mit dem Juristen wieder herab in das Lager, und sorget für die zeitliche Wohlfahrt des Volcks u. s. w. Der Leser muß nicht gedencken daß ich bey Vorbringung dieser Dinge Spötterey oder Schertz treibe, sondern alles das, was ich bißhero angeführet, sind des berühmten Canonisten Lancelotti eigene Worte, die in seinen Discurs de comparationc juris Pontificii & Caesarei p. m. 1054. 1058. und 1064. alle zu befinden. So sind auch Desselii erotemata juris Canonici bekannt genung, in deren Anhang alsbald zu lesen ist, daß das Jus Canonicum die Beförderung der ewigen Seeligkeit zu seinen Endzweck habe. Ja es dörffte mir endlich, und wenn man Canonici so wohl Theologi als Juristen seyn.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/106>, abgerufen am 21.11.2024.