Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

mehr und mehr verringert, und folglich auch die biß dahin, auch unter denen Christen, üblich gewesene Jüdische Excommunication unterschiedene Alterationes, so wohl was die Personen, die andre in Bann thaten, als die Art und Weise des Bannes selbst, und die Absolution von dem Bann betrifft. Und wiewohl man die eigentliche Zeit, da diese Alterationes vorgangen, nicht melden kan, so hat sich doch solches fürnehmlich zu denen Zeiten Irenaei, Tertulliani und Origenis geäussert: denn anfänglich hat man angefangen, denen Excommunicirten auch die heilige Versammlungen und den Gebrauch des Abendmahls zu untersagen, und die Concepte von dem grossen und kleinen Bann, dergestalt zu ändern, daß wenn man jemand bloß von denen GOttes-Häusern und Gebrauch des Nachtmahls ausschlosse, so wurde dieses der kleine Bann genennet; bey dem größern aber wurde ihn überdieses auch alle Gemeinschafft mit andern Christen verboten, und die Leute durch gewisse Formuln dem Satan übergeben, und zwar nicht alleine wegen schandbarer Laster, sondern auch wenn man in andern Dingen, es sey, was es wolle, den Befehl der Kirchen Vorsteher nicht respectirte, und hierinnen sich hartnäckigt erwiese. Und weil die Christen unter denen Heyden sich keiner weltlichen Jurisdiction offenbahr anmassen durfften, und doch gleichwohl diesen Bann unter sich selbst wie ehe dessen die Jüden in der Bahylonischen Gefängnüß durch eigene Verpflichtungen an statt der weltlichen Todesstraffe gebrauchten, fiengen sie an den Kirchenbann zum Unterscheid der Todesstraffe gladium spiritualem zu nennen, welche Benennung denn mit der capitis diminutione maxima & media der Römer, die mors civilis genennet wurde, ziemlich überein kame, wie denn auch die Würckungen von beyden grosse Verwandschafft mit einander hatten. Hiernechst fingen auch die Vorsteher der Kirchen um selbige Zeiten an sich des Verbannens alleine anzumassen, und schlossen die andern, die sonst bey denen Jüden zugelassen waren, davon aus. Man finge auch an, der Sache ein grösseres Ansehen und Nachdruck zu geben, die übrigen Christen zu bereden, als wenn der Bann von GOtt in alten Testament wäre anbefohlen, und von Christo und denen Aposteln in Neuen Testament solches Gebot wäre erneuret worden, unerachtet gar deutlich dargethan werden kan, daß man, als unten in der Beantwortung auf die Rationes dubitandi soll deutlicher angemerckt werden, die Dicta der heiligen Schrifft mercklich verdrehet, und kan durch viele unwiderlegliche Argumenta remonstriret werden, daß auch viele heilige und fromme Leute selber Zeit dafür ge-

mehr und mehr verringert, und folglich auch die biß dahin, auch unter denen Christen, üblich gewesene Jüdische Excommunication unterschiedene Alterationes, so wohl was die Personen, die andre in Bann thaten, als die Art und Weise des Bannes selbst, und die Absolution von dem Bann betrifft. Und wiewohl man die eigentliche Zeit, da diese Alterationes vorgangen, nicht melden kan, so hat sich doch solches fürnehmlich zu denen Zeiten Irenaei, Tertulliani und Origenis geäussert: denn anfänglich hat man angefangen, denen Excommunicirten auch die heilige Versammlungen und den Gebrauch des Abendmahls zu untersagen, und die Concepte von dem grossen und kleinen Bann, dergestalt zu ändern, daß wenn man jemand bloß von denen GOttes-Häusern und Gebrauch des Nachtmahls ausschlosse, so wurde dieses der kleine Bann genennet; bey dem größern aber wurde ihn überdieses auch alle Gemeinschafft mit andern Christen verboten, und die Leute durch gewisse Formuln dem Satan übergeben, und zwar nicht alleine wegen schandbarer Laster, sondern auch wenn man in andern Dingen, es sey, was es wolle, den Befehl der Kirchen Vorsteher nicht respectirte, und hierinnen sich hartnäckigt erwiese. Und weil die Christen unter denen Heyden sich keiner weltlichen Jurisdiction offenbahr anmassen durfften, und doch gleichwohl diesen Bann unter sich selbst wie ehe dessen die Jüden in der Bahylonischen Gefängnüß durch eigene Verpflichtungen an statt der weltlichen Todesstraffe gebrauchten, fiengen sie an den Kirchenbann zum Unterscheid der Todesstraffe gladium spiritualem zu nennen, welche Benennung denn mit der capitis diminutione maxima & media der Römer, die mors civilis genennet wurde, ziemlich überein kame, wie denn auch die Würckungen von beyden grosse Verwandschafft mit einander hatten. Hiernechst fingen auch die Vorsteher der Kirchen um selbige Zeiten an sich des Verbannens alleine anzumassen, und schlossen die andern, die sonst bey denen Jüden zugelassen waren, davon aus. Man finge auch an, der Sache ein grösseres Ansehen und Nachdruck zu geben, die übrigen Christen zu bereden, als wenn der Bann von GOtt in alten Testament wäre anbefohlen, und von Christo und denen Aposteln in Neuen Testament solches Gebot wäre erneuret worden, unerachtet gar deutlich dargethan werden kan, daß man, als unten in der Beantwortung auf die Rationes dubitandi soll deutlicher angemerckt werden, die Dicta der heiligen Schrifft mercklich verdrehet, und kan durch viele unwiderlegliche Argumenta remonstriret werden, daß auch viele heilige und fromme Leute selber Zeit dafür ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0142" n="134"/>
mehr und                      mehr verringert, und folglich auch die biß dahin, auch unter denen Christen,                      üblich gewesene Jüdische Excommunication unterschiedene Alterationes, so wohl                      was die Personen, die andre in Bann thaten, als die Art und Weise des Bannes                      selbst, und die Absolution von dem Bann betrifft. Und wiewohl man die                      eigentliche Zeit, da diese Alterationes vorgangen, nicht melden kan, so hat sich                      doch solches fürnehmlich zu denen Zeiten Irenaei, Tertulliani und Origenis                      geäussert: denn anfänglich hat man angefangen, denen Excommunicirten auch die                      heilige Versammlungen und den Gebrauch des Abendmahls zu untersagen, und die                      Concepte von dem grossen und kleinen Bann, dergestalt zu ändern, daß wenn man                      jemand bloß von denen GOttes-Häusern und Gebrauch des Nachtmahls ausschlosse, so                      wurde dieses der kleine Bann genennet; bey dem größern aber wurde ihn überdieses                      auch alle Gemeinschafft mit andern Christen verboten, und die Leute durch                      gewisse Formuln dem Satan übergeben, und zwar nicht alleine wegen schandbarer                      Laster, sondern auch wenn man in andern Dingen, es sey, was es wolle, den Befehl                      der Kirchen Vorsteher nicht respectirte, und hierinnen sich hartnäckigt erwiese.                      Und weil die Christen unter denen Heyden sich keiner weltlichen Jurisdiction                      offenbahr anmassen durfften, und doch gleichwohl diesen Bann unter sich selbst                      wie ehe dessen die Jüden in der Bahylonischen Gefängnüß durch eigene                      Verpflichtungen an statt der weltlichen Todesstraffe gebrauchten, fiengen sie an                      den Kirchenbann zum Unterscheid der Todesstraffe gladium spiritualem zu nennen,                      welche Benennung denn mit der capitis diminutione maxima &amp; media der Römer,                      die mors civilis genennet wurde, ziemlich überein kame, wie denn auch die                      Würckungen von beyden grosse Verwandschafft mit einander hatten. Hiernechst                      fingen auch die Vorsteher der Kirchen um selbige Zeiten an sich des Verbannens                      alleine anzumassen, und schlossen die andern, die sonst bey denen Jüden                      zugelassen waren, davon aus. Man finge auch an, der Sache ein grösseres Ansehen                      und Nachdruck zu geben, die übrigen Christen zu bereden, als wenn der Bann von                      GOtt in alten Testament wäre anbefohlen, und von Christo und denen Aposteln in                      Neuen Testament solches Gebot wäre erneuret worden, unerachtet gar deutlich                      dargethan werden kan, daß man, als unten in der Beantwortung auf die Rationes                      dubitandi soll deutlicher angemerckt werden, die Dicta der heiligen Schrifft                      mercklich verdrehet, und kan durch viele unwiderlegliche Argumenta remonstriret                      werden, daß auch viele heilige und fromme Leute selber Zeit dafür ge-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0142] mehr und mehr verringert, und folglich auch die biß dahin, auch unter denen Christen, üblich gewesene Jüdische Excommunication unterschiedene Alterationes, so wohl was die Personen, die andre in Bann thaten, als die Art und Weise des Bannes selbst, und die Absolution von dem Bann betrifft. Und wiewohl man die eigentliche Zeit, da diese Alterationes vorgangen, nicht melden kan, so hat sich doch solches fürnehmlich zu denen Zeiten Irenaei, Tertulliani und Origenis geäussert: denn anfänglich hat man angefangen, denen Excommunicirten auch die heilige Versammlungen und den Gebrauch des Abendmahls zu untersagen, und die Concepte von dem grossen und kleinen Bann, dergestalt zu ändern, daß wenn man jemand bloß von denen GOttes-Häusern und Gebrauch des Nachtmahls ausschlosse, so wurde dieses der kleine Bann genennet; bey dem größern aber wurde ihn überdieses auch alle Gemeinschafft mit andern Christen verboten, und die Leute durch gewisse Formuln dem Satan übergeben, und zwar nicht alleine wegen schandbarer Laster, sondern auch wenn man in andern Dingen, es sey, was es wolle, den Befehl der Kirchen Vorsteher nicht respectirte, und hierinnen sich hartnäckigt erwiese. Und weil die Christen unter denen Heyden sich keiner weltlichen Jurisdiction offenbahr anmassen durfften, und doch gleichwohl diesen Bann unter sich selbst wie ehe dessen die Jüden in der Bahylonischen Gefängnüß durch eigene Verpflichtungen an statt der weltlichen Todesstraffe gebrauchten, fiengen sie an den Kirchenbann zum Unterscheid der Todesstraffe gladium spiritualem zu nennen, welche Benennung denn mit der capitis diminutione maxima & media der Römer, die mors civilis genennet wurde, ziemlich überein kame, wie denn auch die Würckungen von beyden grosse Verwandschafft mit einander hatten. Hiernechst fingen auch die Vorsteher der Kirchen um selbige Zeiten an sich des Verbannens alleine anzumassen, und schlossen die andern, die sonst bey denen Jüden zugelassen waren, davon aus. Man finge auch an, der Sache ein grösseres Ansehen und Nachdruck zu geben, die übrigen Christen zu bereden, als wenn der Bann von GOtt in alten Testament wäre anbefohlen, und von Christo und denen Aposteln in Neuen Testament solches Gebot wäre erneuret worden, unerachtet gar deutlich dargethan werden kan, daß man, als unten in der Beantwortung auf die Rationes dubitandi soll deutlicher angemerckt werden, die Dicta der heiligen Schrifft mercklich verdrehet, und kan durch viele unwiderlegliche Argumenta remonstriret werden, daß auch viele heilige und fromme Leute selber Zeit dafür ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/142
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/142>, abgerufen am 21.11.2024.