Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite
2) Zumahl da unsere Prediger ihr Amt unmittelbar von der weltlichen Obrigkeit als Unterthanen erlangen.

2.) Ob schon aus diesen Loco Grotii zur Gnüge erhellet, daß wenn auch gleich unsere heutigen Prediger ihren Beruff unmittelbar von GOtt hätten, wie ehe dessen die Apostel, dennoch die praetendirte Independenz von weltlicher Obrigkeit daraus nicht würde behauptet werden können; So verliehret doch ihr Schein-Argument noch mehr von seiner eingebildeten Krafft, wenn man erweget, daß derer heutigen Prediger Vocation zwar ursprünglich und in Ansehung der Einsetzung des Predig-Amts divina, aber respectu des unmittelbahren Beruffs menschlich sey, indem sie von Menschen zu einer gewissen Gemeine vociret, confirmiret, angewiesen und endlich auch ordiniret, auch durch diese Actus zugleich mit zu Unterthanen der weltlichen Obrigkeit angenommen werden, wenn sie vorhero dergleichen nicht gewesen. Und ob wohl bekannt, daß viel Theologi in der Lutherischen Kirchen, so dieses gemerckt, daß die Päbstliche Schul-Lehr de vocatione immediata divina Cleri hodierni gerne die Studenten und das Volck bereden wollen; auch diesen Irrthum destomehr Krafft zu geben der weltlichen Obrigkeit gleichfalls mit der Meinung, quod Deus sit causa non solum originaria sed & immediata majestatis, geschmeichelt. Hect. Gothofr. Massii interesse Princip. circa relig. Evangel. nebst denen dahero entstandenen Streitschreifften. So haben sich doch endlich zu unsern Zeiten auch die sonst sehr eyffrigen und unstreitig orthodox gewesenen Theologi, dieser absurden Meinung geschämet, und so wohl bey der Wahl weltlicher Obrigkeit, als bey der Wahl der Prediger, die wehlenden Menschen pro causa mediata passiren lassen. Joh. Ad. Scherzer System. Theol. Loc. XXV. de Ecclesia §. 13. n. 2. & loco XXVI. de Magistratu Politico in Definitione et §. 10.

Auch 3) die weltliche Obrigkeit ebenmäßig von GOtt unmittelbar eingesetzet ist.

3.) Wenn aus der unmittelbahren göttlichen Einsetzung des Predig-Amts einige Independenz von weltlicher Obrigkeit nothwendig zu schliessen wäre, würde dieses Argument wider die, so solches brauchen, selbst beweisen, daß auch die Prediger keine Macht hätten die weltliche Obrigkeit mit ihren geistlichen Bestraffungen zu belegen. Denn sie lehren ja selbst einmüthig, daß die weltliche Obrigkeit unmittelbar von GOtt eingesetzet sey. Scherzer d. l. 26. §. 9. & Systematici passim in loco de Magistratu Politico. Wenn nun der Stand, der von GOtt eingesetzet ist, keinem andern Stand unterworffen ist, und sich von demselben in seinem Thun und Lassen darf einreden lassen, so darf auch das Predig-Amt der weltlichen Obrigkeit nicht einreden. Da sie nun das Letzte nicht wollen zugeben, müssen sie nothwendig selbst erkennen, daß der Grund, auf den sie dergleichen Schlüsse bauen, nichts tauge.

2) Zumahl da unsere Prediger ihr Amt unmittelbar von der weltlichen Obrigkeit als Unterthanen erlangen.

2.) Ob schon aus diesen Loco Grotii zur Gnüge erhellet, daß wenn auch gleich unsere heutigen Prediger ihren Beruff unmittelbar von GOtt hätten, wie ehe dessen die Apostel, dennoch die praetendirte Independenz von weltlicher Obrigkeit daraus nicht würde behauptet werden können; So verliehret doch ihr Schein-Argument noch mehr von seiner eingebildeten Krafft, wenn man erweget, daß derer heutigen Prediger Vocation zwar ursprünglich und in Ansehung der Einsetzung des Predig-Amts divina, aber respectu des unmittelbahren Beruffs menschlich sey, indem sie von Menschen zu einer gewissen Gemeine vociret, confirmiret, angewiesen und endlich auch ordiniret, auch durch diese Actus zugleich mit zu Unterthanen der weltlichen Obrigkeit angenommen werden, wenn sie vorhero dergleichen nicht gewesen. Und ob wohl bekannt, daß viel Theologi in der Lutherischen Kirchen, so dieses gemerckt, daß die Päbstliche Schul-Lehr de vocatione immediata divina Cleri hodierni gerne die Studenten und das Volck bereden wollen; auch diesen Irrthum destomehr Krafft zu geben der weltlichen Obrigkeit gleichfalls mit der Meinung, quod Deus sit causa non solum originaria sed & immediata majestatis, geschmeichelt. Hect. Gothofr. Massii interesse Princip. circa relig. Evangel. nebst denen dahero entstandenen Streitschreifften. So haben sich doch endlich zu unsern Zeiten auch die sonst sehr eyffrigen und unstreitig orthodox gewesenen Theologi, dieser absurden Meinung geschämet, und so wohl bey der Wahl weltlicher Obrigkeit, als bey der Wahl der Prediger, die wehlenden Menschen pro causa mediata passiren lassen. Joh. Ad. Scherzer System. Theol. Loc. XXV. de Ecclesia §. 13. n. 2. & loco XXVI. de Magistratu Politico in Definitione et §. 10.

Auch 3) die weltliche Obrigkeit ebenmäßig von GOtt unmittelbar eingesetzet ist.

3.) Wenn aus der unmittelbahren göttlichen Einsetzung des Predig-Amts einige Independenz von weltlicher Obrigkeit nothwendig zu schliessen wäre, würde dieses Argument wider die, so solches brauchen, selbst beweisen, daß auch die Prediger keine Macht hätten die weltliche Obrigkeit mit ihren geistlichen Bestraffungen zu belegen. Denn sie lehren ja selbst einmüthig, daß die weltliche Obrigkeit unmittelbar von GOtt eingesetzet sey. Scherzer d. l. 26. §. 9. & Systematici passim in loco de Magistratu Politico. Wenn nun der Stand, der von GOtt eingesetzet ist, keinem andern Stand unterworffen ist, und sich von demselben in seinem Thun und Lassen darf einreden lassen, so darf auch das Predig-Amt der weltlichen Obrigkeit nicht einreden. Da sie nun das Letzte nicht wollen zugeben, müssen sie nothwendig selbst erkennen, daß der Grund, auf den sie dergleichen Schlüsse bauen, nichts tauge.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0168" n="160"/>
        <note place="left">2) Zumahl da unsere Prediger ihr Amt unmittelbar von der                      weltlichen Obrigkeit als Unterthanen erlangen.</note>
        <p>2.) Ob schon aus diesen Loco Grotii zur Gnüge erhellet, daß wenn auch gleich                      unsere heutigen Prediger ihren Beruff unmittelbar von GOtt hätten, wie ehe                      dessen die Apostel, dennoch die praetendirte Independenz von weltlicher                      Obrigkeit daraus nicht würde behauptet werden können; So verliehret doch ihr                      Schein-Argument noch mehr von seiner eingebildeten Krafft, wenn man erweget, daß                      derer heutigen Prediger Vocation zwar ursprünglich und in Ansehung der                      Einsetzung des Predig-Amts divina, aber respectu des unmittelbahren Beruffs                      menschlich sey, indem sie von Menschen zu einer gewissen Gemeine vociret,                      confirmiret, angewiesen und endlich auch ordiniret, auch durch diese Actus                      zugleich mit zu Unterthanen der weltlichen Obrigkeit angenommen werden, wenn sie                      vorhero dergleichen nicht gewesen. Und ob wohl bekannt, daß viel Theologi in der                      Lutherischen Kirchen, so dieses gemerckt, daß die Päbstliche Schul-Lehr de                      vocatione immediata divina Cleri hodierni gerne die Studenten und das Volck                      bereden wollen; auch diesen Irrthum destomehr Krafft zu geben der weltlichen                      Obrigkeit gleichfalls mit der Meinung, quod Deus sit causa non solum originaria                      sed &amp; immediata majestatis, geschmeichelt. Hect. Gothofr. Massii <hi rendition="#i">interesse Princip. circa relig. Evangel.</hi> nebst denen                      dahero entstandenen Streitschreifften. So haben sich doch endlich zu unsern                      Zeiten auch die sonst sehr eyffrigen und unstreitig orthodox gewesenen Theologi,                      dieser absurden Meinung geschämet, und so wohl bey der Wahl weltlicher                      Obrigkeit, als bey der Wahl der Prediger, die wehlenden Menschen pro causa                      mediata passiren lassen. Joh. Ad. Scherzer <hi rendition="#i">System. Theol.                          Loc. XXV. de Ecclesia §. 13. n. 2. &amp; loco XXVI. de Magistratu Politico                          in Definitione et §. 10.</hi></p>
        <note place="left">Auch 3) die weltliche Obrigkeit ebenmäßig von GOtt unmittelbar                      eingesetzet ist.</note>
        <p>3.) Wenn aus der unmittelbahren göttlichen Einsetzung des Predig-Amts einige                      Independenz von weltlicher Obrigkeit nothwendig zu schliessen wäre, würde dieses                      Argument wider die, so solches brauchen, selbst beweisen, daß auch die Prediger                      keine Macht hätten die weltliche Obrigkeit mit ihren geistlichen Bestraffungen                      zu belegen. Denn sie lehren ja selbst einmüthig, daß die weltliche Obrigkeit                      unmittelbar von GOtt eingesetzet sey. Scherzer <hi rendition="#i">d. l. 26. §.                          9.</hi> &amp; Systematici passim <hi rendition="#i">in loco de Magistratu                          Politico.</hi> Wenn nun der Stand, der von GOtt eingesetzet ist, keinem                      andern Stand unterworffen ist, und sich von demselben in seinem Thun und Lassen                      darf einreden lassen, so darf auch das Predig-Amt der weltlichen Obrigkeit nicht                      einreden. Da sie nun das Letzte nicht wollen zugeben, müssen sie nothwendig                      selbst erkennen, daß der Grund, auf den sie dergleichen Schlüsse bauen, nichts                      tauge.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0168] 2.) Ob schon aus diesen Loco Grotii zur Gnüge erhellet, daß wenn auch gleich unsere heutigen Prediger ihren Beruff unmittelbar von GOtt hätten, wie ehe dessen die Apostel, dennoch die praetendirte Independenz von weltlicher Obrigkeit daraus nicht würde behauptet werden können; So verliehret doch ihr Schein-Argument noch mehr von seiner eingebildeten Krafft, wenn man erweget, daß derer heutigen Prediger Vocation zwar ursprünglich und in Ansehung der Einsetzung des Predig-Amts divina, aber respectu des unmittelbahren Beruffs menschlich sey, indem sie von Menschen zu einer gewissen Gemeine vociret, confirmiret, angewiesen und endlich auch ordiniret, auch durch diese Actus zugleich mit zu Unterthanen der weltlichen Obrigkeit angenommen werden, wenn sie vorhero dergleichen nicht gewesen. Und ob wohl bekannt, daß viel Theologi in der Lutherischen Kirchen, so dieses gemerckt, daß die Päbstliche Schul-Lehr de vocatione immediata divina Cleri hodierni gerne die Studenten und das Volck bereden wollen; auch diesen Irrthum destomehr Krafft zu geben der weltlichen Obrigkeit gleichfalls mit der Meinung, quod Deus sit causa non solum originaria sed & immediata majestatis, geschmeichelt. Hect. Gothofr. Massii interesse Princip. circa relig. Evangel. nebst denen dahero entstandenen Streitschreifften. So haben sich doch endlich zu unsern Zeiten auch die sonst sehr eyffrigen und unstreitig orthodox gewesenen Theologi, dieser absurden Meinung geschämet, und so wohl bey der Wahl weltlicher Obrigkeit, als bey der Wahl der Prediger, die wehlenden Menschen pro causa mediata passiren lassen. Joh. Ad. Scherzer System. Theol. Loc. XXV. de Ecclesia §. 13. n. 2. & loco XXVI. de Magistratu Politico in Definitione et §. 10. 3.) Wenn aus der unmittelbahren göttlichen Einsetzung des Predig-Amts einige Independenz von weltlicher Obrigkeit nothwendig zu schliessen wäre, würde dieses Argument wider die, so solches brauchen, selbst beweisen, daß auch die Prediger keine Macht hätten die weltliche Obrigkeit mit ihren geistlichen Bestraffungen zu belegen. Denn sie lehren ja selbst einmüthig, daß die weltliche Obrigkeit unmittelbar von GOtt eingesetzet sey. Scherzer d. l. 26. §. 9. & Systematici passim in loco de Magistratu Politico. Wenn nun der Stand, der von GOtt eingesetzet ist, keinem andern Stand unterworffen ist, und sich von demselben in seinem Thun und Lassen darf einreden lassen, so darf auch das Predig-Amt der weltlichen Obrigkeit nicht einreden. Da sie nun das Letzte nicht wollen zugeben, müssen sie nothwendig selbst erkennen, daß der Grund, auf den sie dergleichen Schlüsse bauen, nichts tauge.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/168
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/168>, abgerufen am 24.11.2024.