Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.Ob die Römische Kirche annoch Babel und Anti-Christisch sey, welche verneinet wird, mit Erklärung der Offenbahrung Johannis durch den Münsterischen Frieden.muß man das gantze Werck in unterschiedliche Fragen theilen, deren jede besonders zu erörtern, unter denen ist die erste Frage: Ob die jetzige Römische Kirche annoch sey das apocalyptische Babel, und ein Reich des Antichrists? Die Negativa davon wird durch diesen Schluß behauptet: Wenn aus der grossen Stadt drey Theile werden, so geschicht der letzte Fall Babels. Dieses ist geschehen im Westphälischen Frieden. Ergo. Major stehet so deutlich Apoc. 16. v. 19. daß kein Vernünfftiger mehr Beweiß begehren kan. Minor ist klar, weil in dem Münsterischen Frieden drey Religionen, so vormahls unter Babel stunden, sich gesondert, und gantz Europa nach denselben sich eingetheilet hat. Obs. 1. Man leugnet nicht, daß schon vorher 3. Religionen gewesen, aber man weiß auch, mit was hefftigen Feindseeligkeiten, Verketzerungen und Verfolgungen es geschehen, da Babel immer vermeynete, wieder zum vollkommenen vorigen Stande zu kommen, und die Protestanten dessen sehr in Sorgen stehen musten, wie oben gemeldet. Obs. 2. So wurden auch in dem Passauischen Vertrag die Reformirten nicht mit eingeschlossen, und also keine 3. Religionen bewilliget, wie ausdrücklich der Prophet haben will. Ja den Lutheranern wurden schon alle Transactiones umgestossen, und annuliret. So hat Europa zwar nach dieser Theilung lange gerungen, aber vor besagter Zeit es darzu nicht bringen können. Obs. 3. Im andern Fall wird das gantze Babel als ein Felsen ins Meer gestürtzet, und unsichtbar gemachet. Apoc. 18. Ergo was in Römischer Kirche nachher geblieben, kan zu dem Babel weiter nicht gerechnet werden. Obs. 4. Es sind aber in ihr vergangen nachfolgende Antichristische Characteres. [fremdsprachliches Material]) Die Erhebung des Pabsts über alle Obrigkeitliche Gewalt. Denn die grossen Flatterien und Tituls, so ihm die Jesuiten noch beylegen, importiren in der That nichts. Prophetische Gesichter sehen auf etwas reales. [fremdsprachliches Material]) Die praetendirte Submissiones von hohen Häuptern, davon nach Carolo V. und Francisco I. keine rechte Exempel vorhanden. [fremdsprachliches Material]) Die angemaßte Gewalt, Souveraine Potentaten durch den Bann-Donner von Land und Leuten zu verjagen, als da war die geweihete Rose und dergleichen, in grosse Obligation zu setzen. Man würde es vor eine ungeräumte Prostitution achten, wenn der jetzige Clemens dergleichen versuchen solte. Vielmehr muß er alle seine politische Klugheit hervorsuchen, daß er nur bey den Potentaten, die über die Beherrschung des Spanischen Reichs disputiren, in Credit bleiben und deren Ungnade nicht auf sich laden möge. [fremdsprachliches Material]) Viel andere fast herbe Praetensiones an hocherwehnte Sou- Ob die Römische Kirche annoch Babel und Anti-Christisch sey, welche verneinet wird, mit Erklärung der Offenbahrung Johannis durch den Münsterischen Frieden.muß man das gantze Werck in unterschiedliche Fragen theilen, deren jede besonders zu erörtern, unter denen ist die erste Frage: Ob die jetzige Römische Kirche annoch sey das apocalyptische Babel, und ein Reich des Antichrists? Die Negativa davon wird durch diesen Schluß behauptet: Wenn aus der grossen Stadt drey Theile werden, so geschicht der letzte Fall Babels. Dieses ist geschehen im Westphälischen Frieden. Ergo. Major stehet so deutlich Apoc. 16. v. 19. daß kein Vernünfftiger mehr Beweiß begehren kan. Minor ist klar, weil in dem Münsterischen Frieden drey Religionen, so vormahls unter Babel stunden, sich gesondert, und gantz Europa nach denselben sich eingetheilet hat. Obs. 1. Man leugnet nicht, daß schon vorher 3. Religionen gewesen, aber man weiß auch, mit was hefftigen Feindseeligkeiten, Verketzerungen und Verfolgungen es geschehen, da Babel immer vermeynete, wieder zum vollkommenen vorigen Stande zu kommen, und die Protestanten dessen sehr in Sorgen stehen musten, wie oben gemeldet. Obs. 2. So wurden auch in dem Passauischen Vertrag die Reformirten nicht mit eingeschlossen, und also keine 3. Religionen bewilliget, wie ausdrücklich der Prophet haben will. Ja den Lutheranern wurden schon alle Transactiones umgestossen, und annuliret. So hat Europa zwar nach dieser Theilung lange gerungen, aber vor besagter Zeit es darzu nicht bringen können. Obs. 3. Im andern Fall wird das gantze Babel als ein Felsen ins Meer gestürtzet, und unsichtbar gemachet. Apoc. 18. Ergo was in Römischer Kirche nachher geblieben, kan zu dem Babel weiter nicht gerechnet werden. Obs. 4. Es sind aber in ihr vergangen nachfolgende Antichristische Characteres. [fremdsprachliches Material]) Die Erhebung des Pabsts über alle Obrigkeitliche Gewalt. Denn die grossen Flatterien und Tituls, so ihm die Jesuiten noch beylegen, importiren in der That nichts. Prophetische Gesichter sehen auf etwas reales. [fremdsprachliches Material]) Die praetendirte Submissiones von hohen Häuptern, davon nach Carolo V. und Francisco I. keine rechte Exempel vorhanden. [fremdsprachliches Material]) Die angemaßte Gewalt, Souveraine Potentaten durch den Bann-Donner von Land und Leuten zu verjagen, als da war die geweihete Rose und dergleichen, in grosse Obligation zu setzen. Man würde es vor eine ungeräumte Prostitution achten, wenn der jetzige Clemens dergleichen versuchen solte. Vielmehr muß er alle seine politische Klugheit hervorsuchen, daß er nur bey den Potentaten, die über die Beherrschung des Spanischen Reichs disputiren, in Credit bleiben und deren Ungnade nicht auf sich laden möge. [fremdsprachliches Material]) Viel andere fast herbe Praetensiones an hocherwehnte Sou- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0078" n="70"/><note place="left">Ob die Römische Kirche annoch Babel und Anti-Christisch sey, welche verneinet wird, mit Erklärung der Offenbahrung Johannis durch den Münsterischen Frieden.</note>muß man das gantze Werck in unterschiedliche Fragen theilen, deren jede besonders zu erörtern, unter denen ist die erste Frage: Ob die jetzige Römische Kirche annoch sey das <hi rendition="#i">apocalypti</hi>sche Babel, und ein Reich des Antichrists? Die Negativa davon wird durch diesen Schluß behauptet: Wenn aus der grossen Stadt drey Theile werden, so geschicht der letzte Fall Babels. Dieses ist geschehen im Westphälischen Frieden. Ergo. Major stehet so deutlich Apoc. 16. v. 19. daß kein Vernünfftiger mehr Beweiß begehren kan. Minor ist klar, weil in dem Münsterischen Frieden drey Religionen, so vormahls unter Babel stunden, sich gesondert, und gantz Europa nach denselben sich eingetheilet hat. <hi rendition="#i">Obs. 1</hi>. Man leugnet nicht, daß schon vorher 3. Religionen gewesen, aber man weiß auch, mit was hefftigen Feindseeligkeiten, Verketzerungen und Verfolgungen es geschehen, da Babel immer vermeynete, wieder zum vollkommenen vorigen Stande zu kommen, und die Protestanten dessen sehr in Sorgen stehen musten, wie oben gemeldet. <hi rendition="#i">Obs. 2</hi>. So wurden auch in dem Passauischen Vertrag die Reformirten nicht mit eingeschlossen, und also keine 3. Religionen bewilliget, wie ausdrücklich der Prophet haben will. Ja den Lutheranern wurden schon alle Transactiones umgestossen, und annuliret. So hat Europa zwar nach dieser Theilung lange gerungen, aber vor besagter Zeit es darzu nicht bringen können. <hi rendition="#i">Obs. 3</hi>. Im andern Fall wird das gantze Babel als ein Felsen ins Meer gestürtzet, und unsichtbar gemachet. Apoc. 18. Ergo was in Römischer Kirche nachher geblieben, kan zu dem Babel weiter nicht gerechnet werden. <hi rendition="#i">Obs. 4</hi>. Es sind aber in ihr vergangen nachfolgende Antichristische Characteres. <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign>) Die Erhebung des Pabsts über alle Obrigkeitliche Gewalt. Denn die grossen Flatterien und Tituls, so ihm die Jesuiten noch beylegen, importiren in der That nichts. Prophetische Gesichter sehen auf etwas reales. <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign>) Die praetendirte Submissiones von hohen Häuptern, davon nach Carolo V. und Francisco I. keine rechte Exempel vorhanden. <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign>) Die angemaßte Gewalt, Souveraine Potentaten durch den Bann-Donner von Land und Leuten zu verjagen, als da war die geweihete Rose und dergleichen, in grosse Obligation zu setzen. Man würde es vor eine ungeräumte Prostitution achten, wenn der jetzige Clemens dergleichen versuchen solte. Vielmehr muß er alle seine politische Klugheit hervorsuchen, daß er nur bey den Potentaten, die über die Beherrschung des Spanischen Reichs disputiren, in Credit bleiben und deren Ungnade nicht auf sich laden möge. <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign>) Viel andere fast herbe Praetensiones an hocherwehnte Sou- </p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0078]
muß man das gantze Werck in unterschiedliche Fragen theilen, deren jede besonders zu erörtern, unter denen ist die erste Frage: Ob die jetzige Römische Kirche annoch sey das apocalyptische Babel, und ein Reich des Antichrists? Die Negativa davon wird durch diesen Schluß behauptet: Wenn aus der grossen Stadt drey Theile werden, so geschicht der letzte Fall Babels. Dieses ist geschehen im Westphälischen Frieden. Ergo. Major stehet so deutlich Apoc. 16. v. 19. daß kein Vernünfftiger mehr Beweiß begehren kan. Minor ist klar, weil in dem Münsterischen Frieden drey Religionen, so vormahls unter Babel stunden, sich gesondert, und gantz Europa nach denselben sich eingetheilet hat. Obs. 1. Man leugnet nicht, daß schon vorher 3. Religionen gewesen, aber man weiß auch, mit was hefftigen Feindseeligkeiten, Verketzerungen und Verfolgungen es geschehen, da Babel immer vermeynete, wieder zum vollkommenen vorigen Stande zu kommen, und die Protestanten dessen sehr in Sorgen stehen musten, wie oben gemeldet. Obs. 2. So wurden auch in dem Passauischen Vertrag die Reformirten nicht mit eingeschlossen, und also keine 3. Religionen bewilliget, wie ausdrücklich der Prophet haben will. Ja den Lutheranern wurden schon alle Transactiones umgestossen, und annuliret. So hat Europa zwar nach dieser Theilung lange gerungen, aber vor besagter Zeit es darzu nicht bringen können. Obs. 3. Im andern Fall wird das gantze Babel als ein Felsen ins Meer gestürtzet, und unsichtbar gemachet. Apoc. 18. Ergo was in Römischer Kirche nachher geblieben, kan zu dem Babel weiter nicht gerechnet werden. Obs. 4. Es sind aber in ihr vergangen nachfolgende Antichristische Characteres. _ ) Die Erhebung des Pabsts über alle Obrigkeitliche Gewalt. Denn die grossen Flatterien und Tituls, so ihm die Jesuiten noch beylegen, importiren in der That nichts. Prophetische Gesichter sehen auf etwas reales. _ ) Die praetendirte Submissiones von hohen Häuptern, davon nach Carolo V. und Francisco I. keine rechte Exempel vorhanden. _ ) Die angemaßte Gewalt, Souveraine Potentaten durch den Bann-Donner von Land und Leuten zu verjagen, als da war die geweihete Rose und dergleichen, in grosse Obligation zu setzen. Man würde es vor eine ungeräumte Prostitution achten, wenn der jetzige Clemens dergleichen versuchen solte. Vielmehr muß er alle seine politische Klugheit hervorsuchen, daß er nur bey den Potentaten, die über die Beherrschung des Spanischen Reichs disputiren, in Credit bleiben und deren Ungnade nicht auf sich laden möge. _ ) Viel andere fast herbe Praetensiones an hocherwehnte Sou-
Ob die Römische Kirche annoch Babel und Anti-Christisch sey, welche verneinet wird, mit Erklärung der Offenbahrung Johannis durch den Münsterischen Frieden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/78 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/78>, abgerufen am 16.02.2025. |