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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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ordnungen einem stracks consequentias affingiren, sondern erst gleichwohl dero Erklärung hören, warum solches geschehen sey, nehmlich es sey, wie Dionysius Werlensis in Via pacis c. 1. Art. 3. §. 5. p. 50. anzeiget, nicht deswegen geschehen, daß man glauben wollte, daß der Mensch aus eigenen Kräfften und Verdiensten ohne die Krafft und Verdienste Christi seelig werde, sondern nur zu einer cautela und Vorsichtigkeit, damit nicht ein Unwissender darüber dahin verfiele zu glauben, daß die guten Wercke gar nicht nöthig zur Seeligkeit, auch gar kein Verdienst hätten, sondern er zur Seeligkeit praedefliniret, und also auf keinerley Weise vordammet werden könne.

Das 3.) aber, als wenn durch Päbstliche indulgentien VergebungIngleichen von Päbstlichen. Indulgentien. der Sünden zu erlangen sey, ist so beschaffen, daß zwar Päbstlicher Seite deßfalls wohl zu einer Zeit ein Mißbrauch vorgangen, so gar, daß auch zu Bonifacii IX. Zeiten deshalber der Bind- und Löse-Schlüssel gar nicht geachtet, und auch dieses Mißbrauchs halber Luthero zu reformiren Gelegenheit gegeben wurde. Allein es ist doch solches der gantzen Römischen Kirchen eben so wenig zu imputiren, als unserer Evangelischen Kirche zu imputiren ist, wenn ein Ober- oder Generalissimus Superintendens aus Geitz und andrer übler conduite in seiner Gemeine etwas duldet, oder in einer gantzen provinz deshalber conniviret, und viel böses deswegen einreisset. Wenn dechalben in dem Tridentinischen Concilio ausdrücklich angezeiget worden, daß indulgentien nichts anders seyn, als die Macht und Gewalt, die Christus der Kirchen und insonderheit dem Predig-Amt gegeben, Sünde nicht allein quoad culpam & poenam aeternam, sondern auch der zeitlichen Straffe nach zu erlassen und zu behalten, welches auch in unsern Kirchen gelehret wird: ferner auch Catholischer Seiten zugestanden wird, daß der modus, indulgentien auszutheilen, ad disciplinam gehöre, nicht aber dadurch eine Rechtfertigung geschehe, sondern dem Gerechtfertigten nur verliehen werde: So ist ja dahero genugsam zu ersehen, daß eine eigentliche Rechtfertigung durch indulgentien nicht gesuchet werde. Unterdessen wäre doch zu wünschen, daß man es Römischer Seite wieder auf die alte Gewohnheit der alten Kirchen in diesen Stück kommen, die neuerlichen Meynungen aber von einen Kirchen-Schatz schwinden, und von deren application auf die Verstorbene abliesse, so würde alle disputation in diesem Fall leicht können gehoben werden.

ordnungen einem stracks consequentias affingiren, sondern erst gleichwohl dero Erklärung hören, warum solches geschehen sey, nehmlich es sey, wie Dionysius Werlensis in Via pacis c. 1. Art. 3. §. 5. p. 50. anzeiget, nicht deswegen geschehen, daß man glauben wollte, daß der Mensch aus eigenen Kräfften und Verdiensten ohne die Krafft und Verdienste Christi seelig werde, sondern nur zu einer cautela und Vorsichtigkeit, damit nicht ein Unwissender darüber dahin verfiele zu glauben, daß die guten Wercke gar nicht nöthig zur Seeligkeit, auch gar kein Verdienst hätten, sondern er zur Seeligkeit praedefliniret, und also auf keinerley Weise vordammet werden könne.

Das 3.) aber, als wenn durch Päbstliche indulgentien VergebungIngleichen von Päbstlichen. Indulgentien. der Sünden zu erlangen sey, ist so beschaffen, daß zwar Päbstlicher Seite deßfalls wohl zu einer Zeit ein Mißbrauch vorgangen, so gar, daß auch zu Bonifacii IX. Zeiten deshalber der Bind- und Löse-Schlüssel gar nicht geachtet, und auch dieses Mißbrauchs halber Luthero zu reformiren Gelegenheit gegeben wurde. Allein es ist doch solches der gantzen Römischen Kirchen eben so wenig zu imputiren, als unserer Evangelischen Kirche zu imputiren ist, wenn ein Ober- oder Generalissimus Superintendens aus Geitz und andrer übler conduite in seiner Gemeine etwas duldet, oder in einer gantzen provinz deshalber conniviret, und viel böses deswegen einreisset. Wenn dechalben in dem Tridentinischen Concilio ausdrücklich angezeiget worden, daß indulgentien nichts anders seyn, als die Macht und Gewalt, die Christus der Kirchen und insonderheit dem Predig-Amt gegeben, Sünde nicht allein quoad culpam & poenam aeternam, sondern auch der zeitlichen Straffe nach zu erlassen und zu behalten, welches auch in unsern Kirchen gelehret wird: ferner auch Catholischer Seiten zugestanden wird, daß der modus, indulgentien auszutheilen, ad disciplinam gehöre, nicht aber dadurch eine Rechtfertigung geschehe, sondern dem Gerechtfertigten nur verliehen werde: So ist ja dahero genugsam zu ersehen, daß eine eigentliche Rechtfertigung durch indulgentien nicht gesuchet werde. Unterdessen wäre doch zu wünschen, daß man es Römischer Seite wieder auf die alte Gewohnheit der alten Kirchen in diesen Stück kommen, die neuerlichen Meynungen aber von einen Kirchen-Schatz schwinden, und von deren application auf die Verstorbene abliesse, so würde alle disputation in diesem Fall leicht können gehoben werden.

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[91/0099] ordnungen einem stracks consequentias affingiren, sondern erst gleichwohl dero Erklärung hören, warum solches geschehen sey, nehmlich es sey, wie Dionysius Werlensis in Via pacis c. 1. Art. 3. §. 5. p. 50. anzeiget, nicht deswegen geschehen, daß man glauben wollte, daß der Mensch aus eigenen Kräfften und Verdiensten ohne die Krafft und Verdienste Christi seelig werde, sondern nur zu einer cautela und Vorsichtigkeit, damit nicht ein Unwissender darüber dahin verfiele zu glauben, daß die guten Wercke gar nicht nöthig zur Seeligkeit, auch gar kein Verdienst hätten, sondern er zur Seeligkeit praedefliniret, und also auf keinerley Weise vordammet werden könne. Das 3.) aber, als wenn durch Päbstliche indulgentien Vergebung der Sünden zu erlangen sey, ist so beschaffen, daß zwar Päbstlicher Seite deßfalls wohl zu einer Zeit ein Mißbrauch vorgangen, so gar, daß auch zu Bonifacii IX. Zeiten deshalber der Bind- und Löse-Schlüssel gar nicht geachtet, und auch dieses Mißbrauchs halber Luthero zu reformiren Gelegenheit gegeben wurde. Allein es ist doch solches der gantzen Römischen Kirchen eben so wenig zu imputiren, als unserer Evangelischen Kirche zu imputiren ist, wenn ein Ober- oder Generalissimus Superintendens aus Geitz und andrer übler conduite in seiner Gemeine etwas duldet, oder in einer gantzen provinz deshalber conniviret, und viel böses deswegen einreisset. Wenn dechalben in dem Tridentinischen Concilio ausdrücklich angezeiget worden, daß indulgentien nichts anders seyn, als die Macht und Gewalt, die Christus der Kirchen und insonderheit dem Predig-Amt gegeben, Sünde nicht allein quoad culpam & poenam aeternam, sondern auch der zeitlichen Straffe nach zu erlassen und zu behalten, welches auch in unsern Kirchen gelehret wird: ferner auch Catholischer Seiten zugestanden wird, daß der modus, indulgentien auszutheilen, ad disciplinam gehöre, nicht aber dadurch eine Rechtfertigung geschehe, sondern dem Gerechtfertigten nur verliehen werde: So ist ja dahero genugsam zu ersehen, daß eine eigentliche Rechtfertigung durch indulgentien nicht gesuchet werde. Unterdessen wäre doch zu wünschen, daß man es Römischer Seite wieder auf die alte Gewohnheit der alten Kirchen in diesen Stück kommen, die neuerlichen Meynungen aber von einen Kirchen-Schatz schwinden, und von deren application auf die Verstorbene abliesse, so würde alle disputation in diesem Fall leicht können gehoben werden. Ingleichen von Päbstlichen. Indulgentien.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/99>, abgerufen am 21.11.2024.