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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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so muß auch die Handelsbeschränkung zwischen den euro-
päischen Staaten, die auf verschiedenen Stuffen der Kul-
tur stehen, nicht bloß den Ackerbau des ärmern Landes
niederdrücken, sondern auch dem reichen Staat einen Theil
seiner Macht und seiner Größe entziehen.

Und dennoch sehen wir jetzt in den europäischen Staa-
ten Sperrungen und Handelsbeschränkungen überall an-
gewandt!

Man hat es aufgegeben, die Kultur der Gewächse,
die dem Süden angehören, im Norden erzwingen zu wol-
len; man verstattet den Austausch der Produkte verschie-
dener Klimate, und glaubt daß dies dem Nationalwohl
vortheilhaft sey; man hat es aber leider in unsern Tagen
verkannt, daß der Austausch von Produkten zwischen Völ-
kern, die unter einem Himmelsstrich wohnen, aber auf
verschiedenen Stuffen der Kultur stehen, eben so wohl
von der Natur geboten und eben so vortheilhaft für die
Nationen sey, als wenn die Verschiedenheit der Erzeugnisse
durch die Verschiedenheit des Klimas herbeigeführt wird.



Es verdient noch der Erwähnung, daß der Landwirth
des isolirten Staats, der seinen Standpunkt richtig er-
kennt, damit auch zugleich die Erkenntniß dessen, was er
zu thun hat, besitzt.

Wir haben um die Bildung und Gestaltung des iso-
lirten Staats zu entwickeln, keines andern Prinzips als
der Annahme, daß Jeder sein eigenes Interesse richtig er-
kennen und darnach handle, bedurft. So wie nun aus
dem Zusammenwirken Aller, Jeder seinen eigenen richtig
verstandenen Vortheil erstrebend, die Gesetze, wornach die
Gesammtheit handelt, hervorgehen, so muß wiederum in
der Befolgung dieser Gesetze der Vortheil des Einzelnen
enthalten seyn.


ſo muß auch die Handelsbeſchraͤnkung zwiſchen den euro-
paͤiſchen Staaten, die auf verſchiedenen Stuffen der Kul-
tur ſtehen, nicht bloß den Ackerbau des aͤrmern Landes
niederdruͤcken, ſondern auch dem reichen Staat einen Theil
ſeiner Macht und ſeiner Groͤße entziehen.

Und dennoch ſehen wir jetzt in den europaͤiſchen Staa-
ten Sperrungen und Handelsbeſchraͤnkungen uͤberall an-
gewandt!

Man hat es aufgegeben, die Kultur der Gewaͤchſe,
die dem Suͤden angehoͤren, im Norden erzwingen zu wol-
len; man verſtattet den Austauſch der Produkte verſchie-
dener Klimate, und glaubt daß dies dem Nationalwohl
vortheilhaft ſey; man hat es aber leider in unſern Tagen
verkannt, daß der Austauſch von Produkten zwiſchen Voͤl-
kern, die unter einem Himmelsſtrich wohnen, aber auf
verſchiedenen Stuffen der Kultur ſtehen, eben ſo wohl
von der Natur geboten und eben ſo vortheilhaft fuͤr die
Nationen ſey, als wenn die Verſchiedenheit der Erzeugniſſe
durch die Verſchiedenheit des Klimas herbeigefuͤhrt wird.



Es verdient noch der Erwaͤhnung, daß der Landwirth
des iſolirten Staats, der ſeinen Standpunkt richtig er-
kennt, damit auch zugleich die Erkenntniß deſſen, was er
zu thun hat, beſitzt.

Wir haben um die Bildung und Geſtaltung des iſo-
lirten Staats zu entwickeln, keines andern Prinzips als
der Annahme, daß Jeder ſein eigenes Intereſſe richtig er-
kennen und darnach handle, bedurft. So wie nun aus
dem Zuſammenwirken Aller, Jeder ſeinen eigenen richtig
verſtandenen Vortheil erſtrebend, die Geſetze, wornach die
Geſammtheit handelt, hervorgehen, ſo muß wiederum in
der Befolgung dieſer Geſetze der Vortheil des Einzelnen
enthalten ſeyn.


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[253/0267] ſo muß auch die Handelsbeſchraͤnkung zwiſchen den euro- paͤiſchen Staaten, die auf verſchiedenen Stuffen der Kul- tur ſtehen, nicht bloß den Ackerbau des aͤrmern Landes niederdruͤcken, ſondern auch dem reichen Staat einen Theil ſeiner Macht und ſeiner Groͤße entziehen. Und dennoch ſehen wir jetzt in den europaͤiſchen Staa- ten Sperrungen und Handelsbeſchraͤnkungen uͤberall an- gewandt! Man hat es aufgegeben, die Kultur der Gewaͤchſe, die dem Suͤden angehoͤren, im Norden erzwingen zu wol- len; man verſtattet den Austauſch der Produkte verſchie- dener Klimate, und glaubt daß dies dem Nationalwohl vortheilhaft ſey; man hat es aber leider in unſern Tagen verkannt, daß der Austauſch von Produkten zwiſchen Voͤl- kern, die unter einem Himmelsſtrich wohnen, aber auf verſchiedenen Stuffen der Kultur ſtehen, eben ſo wohl von der Natur geboten und eben ſo vortheilhaft fuͤr die Nationen ſey, als wenn die Verſchiedenheit der Erzeugniſſe durch die Verſchiedenheit des Klimas herbeigefuͤhrt wird. Es verdient noch der Erwaͤhnung, daß der Landwirth des iſolirten Staats, der ſeinen Standpunkt richtig er- kennt, damit auch zugleich die Erkenntniß deſſen, was er zu thun hat, beſitzt. Wir haben um die Bildung und Geſtaltung des iſo- lirten Staats zu entwickeln, keines andern Prinzips als der Annahme, daß Jeder ſein eigenes Intereſſe richtig er- kennen und darnach handle, bedurft. So wie nun aus dem Zuſammenwirken Aller, Jeder ſeinen eigenen richtig verſtandenen Vortheil erſtrebend, die Geſetze, wornach die Geſammtheit handelt, hervorgehen, ſo muß wiederum in der Befolgung dieſer Geſetze der Vortheil des Einzelnen enthalten ſeyn.

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/267>, abgerufen am 21.11.2024.