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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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chen von dem Wachsthum oder Sinken desselben mit Be-
stimmtheit anzugeben, haben wir in dem isolirten Staat
an der Ausdehnung oder Verengung der kultivirten Ebene
ein sinnlich wahrnehmbares, untrügliches Kennzeichen von
dem zu- oder abnehmenden Reichthum des Staats.

Wir haben hier die Wirkung der Beschränkung des
freien Verkehrs zwar nur an einem einzigen landwirth-
schaftlichen Erzeugniß, dem Flachs, gezeigt; wir werden
aber, wenn wir jeden andern Kulturzweig der Landwirth-
schaft zum Gegenstand der Betrachtung nehmen, dieselben
Schlüsse wiederholen müssen und dann auch dasselbe Re-
sultat erhalten. So wird z. B. die gewaltsame Verpflan-
zung der Schafzucht, oder des Rapsbaues nach einer der
Stadt nähern Gegend stets ein und dasselbe Resultat:
"Verengung der kultivirten Ebene und Abnahme der
Größe der Stadt" hervorbringen.



Werfen wir nun einen Blick auf die europäischen
Staaten, so finden wir zwischen den verschiedenen Ländern
Europas, in Hinsicht auf Kulturzustand, Bevölkerung,
Getreidepreis und Landrente einen nicht minder großen
Unterschied als zwischen, den verschiedenen Gegenden des
isolirten Staats.

Zwischen der Umgebung von London und zwischen
den Provinzen des östlichen Rußlands an den Ufern der
Wolga und des Uralflusses findet in dieser Beziehung
vielleicht noch ein größerer Unterschied statt, als in dem
isolirten Staat zwischen der Umgebung der Zentralstadt
und dem äußersten Rand des Kreises der Viehzucht.

So wie nun in dem isolirten Staat die Beschrän-
kung des Handels nicht bloß dem ärmern Staat einen
Theil seiner Bewohner und seines Reichthums kostet, son-
dern auch auf den reichern Staat verderblich zurückwirkt:

chen von dem Wachsthum oder Sinken deſſelben mit Be-
ſtimmtheit anzugeben, haben wir in dem iſolirten Staat
an der Ausdehnung oder Verengung der kultivirten Ebene
ein ſinnlich wahrnehmbares, untruͤgliches Kennzeichen von
dem zu- oder abnehmenden Reichthum des Staats.

Wir haben hier die Wirkung der Beſchraͤnkung des
freien Verkehrs zwar nur an einem einzigen landwirth-
ſchaftlichen Erzeugniß, dem Flachs, gezeigt; wir werden
aber, wenn wir jeden andern Kulturzweig der Landwirth-
ſchaft zum Gegenſtand der Betrachtung nehmen, dieſelben
Schluͤſſe wiederholen muͤſſen und dann auch daſſelbe Re-
ſultat erhalten. So wird z. B. die gewaltſame Verpflan-
zung der Schafzucht, oder des Rapsbaues nach einer der
Stadt naͤhern Gegend ſtets ein und daſſelbe Reſultat:
«Verengung der kultivirten Ebene und Abnahme der
Groͤße der Stadt» hervorbringen.



Werfen wir nun einen Blick auf die europaͤiſchen
Staaten, ſo finden wir zwiſchen den verſchiedenen Laͤndern
Europas, in Hinſicht auf Kulturzuſtand, Bevoͤlkerung,
Getreidepreis und Landrente einen nicht minder großen
Unterſchied als zwiſchen, den verſchiedenen Gegenden des
iſolirten Staats.

Zwiſchen der Umgebung von London und zwiſchen
den Provinzen des oͤſtlichen Rußlands an den Ufern der
Wolga und des Uralfluſſes findet in dieſer Beziehung
vielleicht noch ein groͤßerer Unterſchied ſtatt, als in dem
iſolirten Staat zwiſchen der Umgebung der Zentralſtadt
und dem aͤußerſten Rand des Kreiſes der Viehzucht.

So wie nun in dem iſolirten Staat die Beſchraͤn-
kung des Handels nicht bloß dem aͤrmern Staat einen
Theil ſeiner Bewohner und ſeines Reichthums koſtet, ſon-
dern auch auf den reichern Staat verderblich zuruͤckwirkt:

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[252/0266] chen von dem Wachsthum oder Sinken deſſelben mit Be- ſtimmtheit anzugeben, haben wir in dem iſolirten Staat an der Ausdehnung oder Verengung der kultivirten Ebene ein ſinnlich wahrnehmbares, untruͤgliches Kennzeichen von dem zu- oder abnehmenden Reichthum des Staats. Wir haben hier die Wirkung der Beſchraͤnkung des freien Verkehrs zwar nur an einem einzigen landwirth- ſchaftlichen Erzeugniß, dem Flachs, gezeigt; wir werden aber, wenn wir jeden andern Kulturzweig der Landwirth- ſchaft zum Gegenſtand der Betrachtung nehmen, dieſelben Schluͤſſe wiederholen muͤſſen und dann auch daſſelbe Re- ſultat erhalten. So wird z. B. die gewaltſame Verpflan- zung der Schafzucht, oder des Rapsbaues nach einer der Stadt naͤhern Gegend ſtets ein und daſſelbe Reſultat: «Verengung der kultivirten Ebene und Abnahme der Groͤße der Stadt» hervorbringen. Werfen wir nun einen Blick auf die europaͤiſchen Staaten, ſo finden wir zwiſchen den verſchiedenen Laͤndern Europas, in Hinſicht auf Kulturzuſtand, Bevoͤlkerung, Getreidepreis und Landrente einen nicht minder großen Unterſchied als zwiſchen, den verſchiedenen Gegenden des iſolirten Staats. Zwiſchen der Umgebung von London und zwiſchen den Provinzen des oͤſtlichen Rußlands an den Ufern der Wolga und des Uralfluſſes findet in dieſer Beziehung vielleicht noch ein groͤßerer Unterſchied ſtatt, als in dem iſolirten Staat zwiſchen der Umgebung der Zentralſtadt und dem aͤußerſten Rand des Kreiſes der Viehzucht. So wie nun in dem iſolirten Staat die Beſchraͤn- kung des Handels nicht bloß dem aͤrmern Staat einen Theil ſeiner Bewohner und ſeines Reichthums koſtet, ſon- dern auch auf den reichern Staat verderblich zuruͤckwirkt:

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/266>, abgerufen am 20.05.2024.