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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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muß unangebauet liegen bleiben und den Viehheerden
eingeräumt werden, und alle Menschen, die bisher vom
Flachsbau lebten, verlieren ihren Erwerb und müssen
auswandern.

Mit der Verwüstung des Distrikts, der bisher den
Flachsbau betrieb, und mit dem Verschwinden aller Men-
schen, die bisher ihren Unterhalt davon zogen, hören nun
aber auch alle Bedürfnisse, die diese Menschen an Eisen-
waaren, Tuch, Geräthschaften u. s. w. hatten, und die sie
bisher aus der Stadt bezogen, auf. Die Bergbearbeiter,
die Fabrikanten, Handwerker u. s. w., welche die Waaren
für diesen Distrikt bisher lieferten, verlieren dadurch ihren
ganzen Erwerb, und müssen eben sowohl als die Bewoh-
ner des Distrikts selbst auswandern oder umkommen.

Die endliche Folge dieser Beschränkung der Handels-
freiheit ist also die:

1) daß in dem ärmern Staat B der die Flachskultur
betreibende Distrikt mit allen vom Flachsbau leben-
den Menschen gänzlich verschwindet;
2) daß die Stadt des reichen Staats A alle Fabrikan-
ten, Handwerker u. s. w., die bisher für diesen Di-
strikt arbeiteten, verliert, und also an Größe, Reich-
thum und Bevölkerung abnimmt.

Indem also der reiche Staat durch die Beschränkung
der Handelsfreiheit dem Wohlstand des ärmern Staats
unvermeidlich eine tiefe Wunde schlägt, verwundet er sich
selbst zugleich nicht minder tief.

Es verdient bemerkt zu werden, daß auch ohne alle
Repressalien von Seiten des ärmern Staats, die Sper-
rung dennoch nicht minder verderblich auf den reichen
Staat zurückwirkt.

Während es in der Theorie der Nationalökonomie
schwierig ist, eine richtige und vollständige Definition
von dem Nationalreichthum zu geben, und die Kennzei-

muß unangebauet liegen bleiben und den Viehheerden
eingeraͤumt werden, und alle Menſchen, die bisher vom
Flachsbau lebten, verlieren ihren Erwerb und muͤſſen
auswandern.

Mit der Verwuͤſtung des Diſtrikts, der bisher den
Flachsbau betrieb, und mit dem Verſchwinden aller Men-
ſchen, die bisher ihren Unterhalt davon zogen, hoͤren nun
aber auch alle Beduͤrfniſſe, die dieſe Menſchen an Eiſen-
waaren, Tuch, Geraͤthſchaften u. ſ. w. hatten, und die ſie
bisher aus der Stadt bezogen, auf. Die Bergbearbeiter,
die Fabrikanten, Handwerker u. ſ. w., welche die Waaren
fuͤr dieſen Diſtrikt bisher lieferten, verlieren dadurch ihren
ganzen Erwerb, und muͤſſen eben ſowohl als die Bewoh-
ner des Diſtrikts ſelbſt auswandern oder umkommen.

Die endliche Folge dieſer Beſchraͤnkung der Handels-
freiheit iſt alſo die:

1) daß in dem aͤrmern Staat B der die Flachskultur
betreibende Diſtrikt mit allen vom Flachsbau leben-
den Menſchen gaͤnzlich verſchwindet;
2) daß die Stadt des reichen Staats A alle Fabrikan-
ten, Handwerker u. ſ. w., die bisher fuͤr dieſen Di-
ſtrikt arbeiteten, verliert, und alſo an Groͤße, Reich-
thum und Bevoͤlkerung abnimmt.

Indem alſo der reiche Staat durch die Beſchraͤnkung
der Handelsfreiheit dem Wohlſtand des aͤrmern Staats
unvermeidlich eine tiefe Wunde ſchlaͤgt, verwundet er ſich
ſelbſt zugleich nicht minder tief.

Es verdient bemerkt zu werden, daß auch ohne alle
Repreſſalien von Seiten des aͤrmern Staats, die Sper-
rung dennoch nicht minder verderblich auf den reichen
Staat zuruͤckwirkt.

Waͤhrend es in der Theorie der Nationaloͤkonomie
ſchwierig iſt, eine richtige und vollſtaͤndige Definition
von dem Nationalreichthum zu geben, und die Kennzei-

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[251/0265] muß unangebauet liegen bleiben und den Viehheerden eingeraͤumt werden, und alle Menſchen, die bisher vom Flachsbau lebten, verlieren ihren Erwerb und muͤſſen auswandern. Mit der Verwuͤſtung des Diſtrikts, der bisher den Flachsbau betrieb, und mit dem Verſchwinden aller Men- ſchen, die bisher ihren Unterhalt davon zogen, hoͤren nun aber auch alle Beduͤrfniſſe, die dieſe Menſchen an Eiſen- waaren, Tuch, Geraͤthſchaften u. ſ. w. hatten, und die ſie bisher aus der Stadt bezogen, auf. Die Bergbearbeiter, die Fabrikanten, Handwerker u. ſ. w., welche die Waaren fuͤr dieſen Diſtrikt bisher lieferten, verlieren dadurch ihren ganzen Erwerb, und muͤſſen eben ſowohl als die Bewoh- ner des Diſtrikts ſelbſt auswandern oder umkommen. Die endliche Folge dieſer Beſchraͤnkung der Handels- freiheit iſt alſo die: 1) daß in dem aͤrmern Staat B der die Flachskultur betreibende Diſtrikt mit allen vom Flachsbau leben- den Menſchen gaͤnzlich verſchwindet; 2) daß die Stadt des reichen Staats A alle Fabrikan- ten, Handwerker u. ſ. w., die bisher fuͤr dieſen Di- ſtrikt arbeiteten, verliert, und alſo an Groͤße, Reich- thum und Bevoͤlkerung abnimmt. Indem alſo der reiche Staat durch die Beſchraͤnkung der Handelsfreiheit dem Wohlſtand des aͤrmern Staats unvermeidlich eine tiefe Wunde ſchlaͤgt, verwundet er ſich ſelbſt zugleich nicht minder tief. Es verdient bemerkt zu werden, daß auch ohne alle Repreſſalien von Seiten des aͤrmern Staats, die Sper- rung dennoch nicht minder verderblich auf den reichen Staat zuruͤckwirkt. Waͤhrend es in der Theorie der Nationaloͤkonomie ſchwierig iſt, eine richtige und vollſtaͤndige Definition von dem Nationalreichthum zu geben, und die Kennzei-

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/265>, abgerufen am 19.05.2024.